Spätestens seit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Wien zu einem „beliebten“ Ort für Spionagetätigkeiten. Was insbesondere auf Russland und die USA zutrifft. Vieles davon geschieht im Verborgenen, manches dringt an die Öffentlichkeit.
Wien ist für Spionagetätigkeiten gleich mehrfach interessant. Einmal ist die österreichische Bundeshauptstadt ein Ort der Begegnung. Die UNO hat hier einen großen Standort, ferner befinden sich hier die Hauptsitze der Organisation erdölexportierender Länder, besser bekannt unter dem Kürzel OPEC, und der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEO. Diese war zuletzt mehrfach wegen der Kriegshandlungen rund um das ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja in den Nachrichten vertreten. Weiter kümmert sich die Organisation mit dem Thema Atomwaffen. Womit alleine diese drei Beispiele zeigen, dass es in Wien reichlich Arbeit gibt. Zudem befindet man sich hier auf neutralem Boden.
Zunächst wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Gebäudekomplex in Wien Donaustadt, dem nordöstlich der Donau gelegenen 22. Bezirk der Stadt, lenken. Dieser befindet sich, gut geschützt hinter hohen Mauern, auf einem rund 35.000 m² großen Areal an der Erzherzog-Karl-Straße, keinen halben Kilometer von der U-Bahn-Station Aspernstraße entfernt. Hinter einem hohen, spitzen, grün lackierten, weitgehend blickdichten Zaun, der mit unzähligen Kameras überwacht wird, scheint sich eine eigene kleine Welt zu befinden.
Die ständige Vertretung der Russischen Föderation bei den Vereinten Nationen befindet sich hier ebenso wie eine Wohnanlage für deren Bedienstete und sogar eine russische Schule. Auf diese deuten unter anderem eine 60-m-Laufbahn, sowie eine Weitsprunganlage hin.
Das zentrale Bauwerk auf dem durch Sicherheitskräfte gesicherten Areal ist ein achteckiges, rund 25 m hohes sechsstöckiges Gebäude mit Innenhof und einem Durchmesser von knapp 45 m. Bei dem Bauwerk scheinen die wiener Flaktürme Pate gestanden zu haben. Denn irgendwie wirkt es ebenfalls wie ein Hochbunker.
Wachsender Sat-Schüssel-Wald
Google Earth erlaubt uns dank der Option, auch auf ältere Satellitenbilder zugreifen zu können, Veränderungen in einer beliebigen Region, also auch an unserem russischen Gebäudekomplex, zu untersuchen.
Ab 2004 wurden auf dem Dach des Gebäudes zwei große Sat-Antennen montiert. Ihr Durchmesser liegt zwischen 3,7 und rund 4 m. Im Laufe der Jahre wurden auf dem Flachdach immer mehr Schüsseln montiert. Waren es 2011 noch sieben Stück, so findet man heute schon 13 Antennen. Neben vier gleich großen rund 3,7-m-Segmentschüsseln sind neun weitere mit Durchmessern von rund 1,5, 1,8 und 2,7 m Durchmesser vorhanden. Davon sind zumindest zehn Antennen aus der Umgebung mehr oder weniger gut einsehbar.
Im Detail
Zumindest die Sicht auf die großen Antennen und Fotos, in die man bis an die äußersten Grenzen hineinzoomt, verraten uns manche Details. So meinen wir zumindest an einer der großen Schüsseln einen Schubstangenmotor ausgemacht zu haben. Eine ist nur für den C-Band-Empfang ausgelegt, zumindest eine weitere arbeitet im C- und Ku-Band. An beiden Schüsseln sind Feeds mit Hohlleiterweichen eingebaut, womit für jede Empfangsebene ein separater LNB vorhanden ist. Das verrät uns, dass mit jeder Antenne mehrere Transponder überwacht werden.
An jener mit dem Kombifeed meinen wir großteils Ku-Band-Empfangsequipment der schwedischen High-End-Schmiede Swedish Microwave zu entdecken. Wir halten sogar für möglich, dass die empfangenen Ku-Band-Signale sogar per Lichtleiter extrem verlustarm ins Innere geführt werden. Was nicht weniger heißt, als dass man mit der Antenne wirklich das Letzte des gerade noch Machbaren herausholt. Schließlich sind rund 4 m große Schüsseln für den DX-Empfang nicht überdimensioniert. Das wissen wir aus persönlicher Erfahrung. An diesem Standort scheinen keine größeren Antennen wegen den baulichen Gegebenheiten des Gebäudes möglich zu sein. Es dürfte sich also um einen Kompromiss handeln.
Zumindest eine weitere Schüssel verfügt ebenfalls über C- und Ku-Band-Empfangseinheiten. Nicht ausschließen wollen wir aber auch, dass die an den Antennen verbauten LNBs auch andere Frequenzbereiche, wie etwa das von der NATO genutzte X-Band, abdecken. Dieses erstreckt sich von etwa 7,25 bis 8,4 GHz. Welche Satelliten X-Band-Transponder an Bord haben, entzieht sich freilich unserer Kenntnis.
Die Satellitenbilder der vergangenen Jahre belegen, dass die Ausrichtung der Antennen immer wieder mal geändert wurde. Wobei auffällt, dass bevorzugt südliche und östliche Orbitpositionen angepeilt werden.
Allem Anschein nach scheinen die 13 Antennen nur für den Empfang genutzt zu werden. Zumindest ließ sich von uns an den großen Spiegeln nichts erkennen, was auf eine sendefähige Schüssel hindeuten würde. Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass die eine oder andere kleinere Antenne nicht doch sendefähig ist. Speziell für das Ku- und Ka-Band braucht es dafür auch keine großen Durchmesser. Die gibt es an den heute üblichen Ü-Wagen schließlich auch nicht.
Die Story ist noch nicht zu Ende
An dem mysteriösen russischen Gebäude in Wien ist noch mehr zu entdecken. Eine geheimnisvolle Hütte etwa. Was mag sie verbergen? Und wie ist das mit den Spionagetätigkeiten der US-Amerikaner in Wien? Wer spioniert wen aus?
Diese und weitere Details erfahren Sie im zweiten Teil mit dem Titel: Russische und US-Spionage in Wien – Teil 2.
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