Der grüne Finanzminister im Südwesten will mehr Steuerbetrügern das Handwerk legen. Klingt vernünftig. Doch dafür will er nun auch online anonyme Hinweise haben. Der politische Gegner sieht darin im Wahlkampfendspurt ein gefundenes Fressen.
Die Grünen stehen wegen der bundesweit ersten Meldeplattform zur Ermittlung von Steuerbetrügern im grün-regierten Baden-Württemberg massiv in der Kritik. Union, FDP und AfD warfen den Grünen am Mittwoch vor, mit dem „Steuerpranger“ im Internet dafür zu sorgen, dass Menschen ihre Nachbarn denunzieren. CDU und CSU warnten, so etwas drohe womöglich auch bundesweit, wenn die Grünen in eine Bundesregierung einzögen. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) wies die Vorwürfe entschieden zurück. „Steuerhinterziehung ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die ehrlich ihre Steuern zahlen“. Schon bisher seien anonyme Anzeigen möglich, per Brief oder Telefon, das sei in anderen Bundesländern nicht anders. „Im Jahr 2021 sollte das aber auch online gehen“, erklärte der Minister der grün-schwarzen Koalition im Südwesten.
Whistleblowing wird von Union, AfD und FDP mit Stasimethoden verwechselt
CSU-Generalsekretär Markus Blume twitterte, Steuerhinterziehern müsse das Handwerk gelegt werden. Aber statt sich um die Großen zu kümmern, wollten die Grünen „Denunziantentum fördern und Misstrauen unter Nachbarn säen. Auf was muss man sich noch einstellen, wenn die Grünen an die Regierung kommen?“, fragte er. Unions-Fraktionsvize Thorsten Frei warnte: „Da zeigt sich schon jetzt einmal, wo die Reise mit rot-grün-roter Regierungsverantwortung hingehen würde.“ FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte „Bild“: „Dieses Portal zeigt uns, was droht, wenn Grüne ihre moralischen Vorstellungen über Recht und Gesetz stellen und in staatliches Handeln gießen und die CDU dem nichts entgegensetzt.“
Bayaz hielt dagegen und sagte, Steuerhinterziehung koste Deutschland geschätzte 50 Milliarden Euro im Jahr. Das neue Hinweisportal sei nur ein „ergänzendes Instrument im Kampf für mehr Steuergerechtigkeit“. Zur Funktionsweise der Plattform erklärte der Grüne: „Anzeigen müssen selbstverständlich gut begründet sein, sonst werden sie von der Steuerfahndung erst gar nicht bearbeitet. Ein einfacher Hinweis genügt ausdrücklich nicht“. Er versicherte: „Niemand muss befürchten, dass künftig die Steuerfahndung vor der Tür seht, nur weil der Nachbar ihn angeschwärzt hat. Es geht außerdem um relevante Fälle von Steuerbetrug.“
Wahlkampf-strategisch hochgradig unklug
Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag und Vorsitzende des Landesverbands Baden-Württemberg, Michael Theurer, sagte „Bild“: „Diese Art von Blockwart-Mentalität verändert unsere Gesellschaft zum Schlechten“. Stattdessen brauche man endlich mehr Steuerfahnder und eine effektive Kontrolle internationaler Konzerne. AfD-Landtags-Fraktionschef Bernd Gögel erklärte: „Die Pläne des Ministers schaffen ein Klima des Misstrauens. Statt dem Steuerzahler, der den Staatsapparat durchfinanziert, mit derart letztklassigen Methoden zu begegnen, sollte sich Bayaz lieber Gedanken um Ausgabenkürzungen machen.“
Rückendeckung erhielt der Grüne von Transparency Deutschland: „Begriffe wie ‚Denunziantentum‘ und ‚Blockwartmentalität‘ sind absolut fehl am Platz. Es geht beim Whistleblowing um Hinweise auf Verstöße, die der Allgemeinheit schaden und deren Aufdecken im Interesse der Gesellschaft liegt“, erklärte Louisa Schloussen, Whistleblowing-Expertin von Transparency. „Entgegen der Vorurteile zeigen wissenschaftliche Studien und die Erfahrungen in der Praxis ganz klar, dass absichtliche Falschmeldungen (‚Denunziationen‘) kaum vorkommen und kein Problem sind.“
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