Viele Kinobetreiber stehen nach Monaten des Lockdowns vor schier unüberwindbaren Problemen, die wohl oder übel in zahllosen Geschäftsaufgaben resultieren werden – es sei denn, das Kulturgut Lichtspielhaus wird als solches anerkannt und dementsprechend gefördert.
Bereits vor der Corona-Krise hatten es die Filmtheater nicht leicht. Schuld daran mögen durchaus die unweigerlich und dauerhaft veränderten Konsumgewohnheiten des Publikums sein: Ein Netflix-Abonnement für einen ganzen Monat kostet in seiner schmalsten Version weniger als eine einzige Kinokarte. Ohne Popcorn, Chips und Aufschlag für überlange Filmkost versteht sich.
Man könnte also meinen, die auszehrenden Nullrunden während der Hochzeit der Pandemie im Frühling und die darauf folgenden unwirtschaftlichen Hygieneauflagen hätten so also nur einen Niedergang beschleunigt, der ohnehin längst im Gange war. Ein Requiem auf eine Unterhaltungsform vergangener Tage ist so schnell komponiert und lieblos abgesungen – jedoch gibt es da durchaus auch eine andere Sichtweise, die es sich in Betracht zu ziehen lohnt.
Ist Wirtschaftlichkeit wirklich entscheidend?
Aufwändige Inszenierung in den Schauspielhäusern und anderen Wirkungsstätten der Hochkultur waren auch vor Corona-Zeiten schlichtweg unwirtschaftlich und nur mit massiven steuergenährten Kulturbudgets zu Betreiben – lnsider-Informationen zufolge spielt selbst ein renommiertes Schauspielhaus in Großstadtlage bestenfalls 10 Prozent seiner Kosten durch Ticketverkäufe wieder ein. Und hier wird dann tendenziell auch hauptsächlich der Zerstreuung einer kulturbeflissenen Minderheit gefrönt. Die Kinos hingegen sind so im Vergleich eigentlich viel mehr als eine Kulturstätte der breiten Bevölkerung zu verstehen – und rotere Zahlen als die pompösen Spielorte der bürgerlichen Unterhaltung können sie selbst im Traum kaum schreiben, Pandemie hin oder her.
Hier soll es übrigens nicht im Wesentlichen um die Kino-Glaspaläste gehen, die von großen Ketten in Einkaufszentren betrieben werden – sondern auch und vor allem um kleinere Kinos in der Hand noch kleinerer Betreiber. Sollten letztere nämlich erst einmal aufgesteckt haben, ist es um die Programmvielfalt in den deutschen Filmtheatern bereits geschehen. Immobilien werden in Windeseile umgenutzt und die Möglichkeit, an altbekannter Stätte wieder Filme zu zeigen wohl dauerhaft verloren sein. Zudem muss man unter den derzeit herrschenden Bedingungen ohnehin völlig übergeschnappt sein, wenn man auch nur daran denkt, ein Groschengrab in Form eines Kinos wieder eröffnen zu wollen.
Endstation Heimkino
Wenn sich also nichts dahingehend tut, lässt sich das Zukunftsszenario der Abendunterhaltung als bedrohlich realistisches Zerrbild skizzieren: Während in den hohen Häusern am Ort die sündhaft kostenintensiven Inszenierungen irgendwann vielleicht wie gewohnt weitergehen, versammelt sich die Durchschnittsfamilie vor dem Pay-Per-View-Event im Wohnzimmer. Ein Sonderticket zu 22 Euro für die ganze Familie und Rohrkrepierer-Bombast wie Disneys „Mulan“ ohne Quengelei an der Popcorntheke. Für manche durchaus ein erträglicher Gedanke, für Kino-Liebhaber und Verfechter diversifizierter Kulturlandschaften ein Schreckensszenario.
Kulturpolitik umdenken!
Doch wer kann das jetzt noch verhindern? Dass die großen Studios und Filmfabriken den Kinobetreibern nicht helfen werden, zeigte sich bereits in der Krise: Universal und Disney haben bereits vorgemacht, dass der altvertraute Abnehmer der Fließband-Filmkost ihnen keinen Pfifferling wert ist. Man schwenkte kaltblütig auf Online-Veröffentlichungen um und war bereit, den Protest der Kinobetreiber schlicht auszusitzen. An letztere würde sich ohnehin irgendwann niemand mehr erinnern – es sei denn, das Füllhorn der Kulturbudgets ergießt sich zukünftig etwas weniger ausschließlich dort, wo die Zauberflöte spielt und ein ganzer hungriger Orchestergraben genährt werden muss. Aber das muss nun die Politik entscheiden, bevor der eine oder andere Samtvorhang die Leinwand zum letzten Mal enthüllt.
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