London – „Keep it simple, stupid“ (Kiss), das herkömmliche Kredo der Werbewirtschaft, hat offenbar seine Gültigkeit verloren.
Im Kampf gegen das sinkende Interesse des TV-Publikums setzt Werbung zunehmend auf eine zunächst widersprüchlich wirkende Strategie. Zahlreiche Werber ersetzen den ohnedies schon tot gesagten 30-Sekunden-Spot durch 90- bis 120-sekündige Werbesendungen, berichtet das Wall Street Journal (WSJ). Der scheinbar kontraproduktive Ansatz, werbemüde Seher mit längeren Spots zu bombardieren, kann nur dann erfolgreich sein, wenn auch die Werbebotschaften intelligenter werden.
Der 30-Sekunden-Werbespot geht davon aus, dass die Aufmerksamkeitsspanne der Zuseher sehr gering ist und platziert daher nur kurze, einfache Botschaften. Dennoch wird es für TV-Werber immer schwieriger auch tatsächlich die Aufmerksamkeit des Sehers zu erhaschen. Der neue Ansatz des 90- bis 120-Sekunden-Spots, in der TV-Werbung eine kleine Ewigkeit, geht im Gegensatz zum KISS-Prinzip davon aus, dass wichtige Botschaften auch Zeit in Anspruch nehmen. Kurz und in aller Schnelle werden nur Themen behandelt, die von geringer Bedeutung sind, so die neue Psychologie des langen Spots. Aber die Überlänge alleine reicht nicht. Der Spot muss auch eine „epische Geschichte“ erzählen oder in anderen Worten: Die Werbebotschaft muss mit etwas mehr Intelligenz erzählt werden als dies bei den üblichen 30-Sekunden-Spots der Fall ist.
Der lange TV-Spot soll ein Qualitätssprung sein. Das kostet dem werbenden Unternehmen naturgemäß mehr als ein billiger 30-Sekünder. Allerdings wird der lange Spot nicht so oft wiederholt wie dies bei herkömmlicher Werbung üblich ist. Das spart Geld und strapaziert nicht die Geduld des TV-Publikums. Eine Serie von Spots kann zudem eine ausgefeilte Geschichte erzählen, die das Interesse des Sehers weckt und ihn hindert wegzuzappen. In Großbritannien setzt zurzeit die belgische Brauerei Interbrew mit der Agenut Lowe auf den neuen Ansatz. Auch Procter & Gamble hat das neue Konzept in den USA bereits umgesetzt. (pte)[lf]
Bildquelle:
- Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com