Seit der Absetzung des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender 2009 wird immer wieder die Frage laut, ob das ZDF zur Beute der Politik geworden ist. Mit einem Antrag in Karlsruhe wollen Rheinland-Pfalz und Hamburg den Einfluss des Staates im Fernsehsender beschränken.
Alle Proteste blieben ohne Erfolg. 2009 drängten CDU-nahe Verwaltungsräte unter Führung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch den ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender aus dem Amt – gegen den Willen des Intendanten, trotz der Proteste von Verfassungsrechtlern. Es war eine deutliche Demonstration, welche Macht die Politik im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hat – obwohl die Sender eigentlich unabhängig sein sollen vom Staat und seinen Institutionen.
„Im Fall Brender wurde deutlich, wie über eine Personalentscheidung Einfluss auf das Programm genommen wird. Das finde ich fatal“, sagt die Grünen-Medienpolitikerin Tabea Rößner, die selbst bis 2009 als Journalistin für das ZDF gearbeitet hat. Die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei beschädigt. „Medien sollen gerade das politische Handeln kontrollieren. Deshalb gehören keine Regierungsvertreter in deren Aufsichtsorgane.“
Die Absetzung Brenders war Anlass für eine Klage der LänderRheinland-Pfalz und Hamburg, über die das Bundesverfassungsgericht amkommenden Dienstag (5. November) verhandelt. „Die Antragsteller sind derAuffassung, dass der Einfluss des Staates zu groß ist und auf dasProgramm durchschlagen kann“, sagt Medienrechts-Professor WolfgangSchulz, der die beiden Länder in Karlsruhe vertritt. Schulz zitiert dasBundesverfassungsgericht: „Meinungsbildung muss von unten nach obenverlaufen und nicht von oben nach unten.“
Nach der Rechnung derAntragsteller sind von den 77 Posten im ZDF-Fernsehrat, der dieProgrammrichtlinien aufstellt, mehr als 45 Prozent dem Staatzuzurechnen: So sitzen Vertreter der Landesregierungen, des Bundes undder Parteien in dem Gremium. Und unter den 14 Mitgliedern desVerwaltungsrats – der unter anderem die Besetzung des Chefredakteursabsegnen muss – zählen die Antragsteller sechs Staatsvertreter. Ein Pattvon sieben zu sieben Stimmen reichte aus, um die Vertragsverlängerungvon Chefredakteur Brender zu stoppen.
Schulz erhofft sich ausKarlsruhe verfassungsrechtliche Leitlinien, wie die Gremien zu besetzensind. Die Entscheidung könnte auch Auswirkungen auf die ARD-Anstaltenhaben – dort allerdings sitzen zumeist weniger Staatsvertreter an denKontrollhebeln. „Das ZDF ist ein Sonderfall mit besonders starkemstaatlichem Einfluss.“
Natürlich hätten die Länder auch selbstden Staatsvertrag ändern können – doch dazu hätten sich alle 16 daraufeinigen müssen, nicht zuletzt ihren eigenen Einfluss zu beschränken. DieLänder jedoch sind sich keineswegs einig, wie sich auch in Karlsruhezeigt: Dort haben sich Bayern, Hessen, das Saarland und Sachsen gegenden Antrag gestellt.
Und selbst in Hamburg und Rheinland-Pfalz,den beiden SPD-geführten Klägerländern, findet sich kaum einSpitzenpolitiker, der den Antrag offensiv in der Öffentlichkeitvertreten will. Aus Mainz kommen schließlich äußerst moderatePresseerklärung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). In ihr heißtes unter anderem, der Antrag sei „nicht darauf gerichtet, Vertreter vonPolitik und Parteien aus den Gremien des öffentlich-rechtlichenRundfunks auszuschließen“. Zum Prozess nach Karlsruhe am kommendenDienstag wird Dreyer nicht kommen. Sie ist bei denKoalitionsverhandlungen in Berlin. [Jochen Neumeyer/das]
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