Wie hoch der Rundfunkbeitrag ab 2021 sein wird, ist noch nicht klar. Die ARD befürchtet eine „Umverteilung“ zugunsten von ZDF und Deutschlandradio. Der ZDF-Intendant sieht die Sache anders.
Streaming-Angebote verändern den TV-Konsum in Deutschland. Thomas Bellut, seit März 2012 Intendant des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), spricht sich im dpa-Interview dafür aus, das Nutzerverhalten auf den unterschiedlichen Plattformen besser vergleichbar zu machen. Auch der künftige Rundfunkbeitrag beschäftigt den öffentlich-rechtlichen Sender. Bellut kontert eine ARD-Befürchtung.
Herr Bellut, was wird Ihnen vom Jahr 2019 positiv in Erinnerung bleiben?
Thomas Bellut: Das lineare Fernsehen ist stark. Insbesondere die Nachrichten entwickeln sich sehr erfreulich. Die politische Berichterstattung rund um die Wahlen hatte ein erhebliches Echo. Die Europawahl wäre ohne ZDF und ARD – jedenfalls im TV – nicht so beachtet worden. Das ist auch wichtig für die Wahlbeteiligung. Die Kraft des Mediums TV ist noch da – es gibt aber Veränderungen, auf die wir eingehen müssen.
Was sind das für Veränderungen?
Zum Beispiel die finanzstarken globalen Streaming-Dienste. Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht ein neuer Anbieter auftaucht. Das verändert den Markt, etwa bei den Sportrechten, und das verändert auch das Verhalten der Nutzer.
Führt die Konkurrenz im Netz zu einem besseren Verhältnis zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern?
Die Verbindungen zu den Privatsendern sind deutlich besser geworden. Wir haben gemeinsame Interessen, zum Beispiel, das lineare Fernsehen nicht kaputtreden zu lassen, denn es lebt nach wie vor. Es ist ein stärkeres Wir-Gefühl der TV-Sender da als früher. Wir alle nehmen die neuen Konkurrenten ernst, ohne sie zu verteufeln.
Wird mit dem Wechsel des TV-Satirikers Jan Böhmermann von ZDFneo ins ZDF-Hauptprogramm ein Schwerpunkt im Jahr 2020 gesetzt und was genau wird gezeigt?
Das ist schon ein Signal. Was da genau entsteht, weiß aber vermutlich noch nicht einmal Jan Böhmermann selbst. Er hat jetzt eine kreative Pause, wird sich überlegen, wie er künftig im ZDF-Hauptprogramm aufspielen will und dann mit seinen Ideen auf uns zukommen. Wir begleiten und beraten ihn gerne dabei.
Die ARD hat angekündigt, ihre Mediathek zu einem Streaming-Angebot zu entwickeln. Ist das auch der Plan des ZDF?
Die ZDFmediathek ist eine Streaming-Plattform, die wir kontinuierlich weiterentwickeln. Die zeitversetzte Nutzung nimmt mobil und vor allem auch über HbbTV deutlich zu. Ein einziger Knopfdruck ermöglicht den Zugang in die digitale Mediathek-Welt aller Sender. Das verändert das Geschäft schon. Die andere neue Welt, das sind die globalen VoD-Plattformen (Video-on-Demand). Da wissen wir aber nicht, wie die Nutzung im Vergleich zum TV tatsächlich aussieht.
Ärgert Sie es, dass Sie keinen oder wenig Zugang zu den Daten solcher Streaming-Dienste bekommen?
In der AGF Videoforschung, das ist eine Arbeitsgemeinschaft, die den Konsum von Bewegtbildinhalten analysiert, sind neben den öffentlich-rechtlichen und den Privatsendern auch weitere relevante Marktteilnehmer zusammengeschlossen. Sky ist seit einigen Jahren dabei. Mit Google/Youtube gibt es Gespräche und auch mit der Telekom. Einfach ist das aber nicht, weil daran auch Geschäftsmodelle hängen. Abschottung ist aber auf Dauer keine gute Lösung. Ich finde auch Anbieter wie Netflix oder Amazon Prime Video sollten sich messen lassen. Es wäre für alle gut, wenn es eine Vergleichbarkeit bei der Videonutzung gäbe. Auch die werbetreibende Wirtschaft hat ein Interesse daran.
Der bisherige ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm fordert schon lange eine europäische Alternative zu Google, Amazon, Facebook & Co.. Die ARD plant einen Vorstoß auf höchster EU-Ebene für eine europäische Internet-Plattform. Klinkt sich das ZDF mit ein?
Ich bin offen dafür. Aber ich glaube, dass es noch ein längerer Weg ist. Auch auf nationaler Ebene wird darüber nachgedacht. Der Wirtschaftsminister hat zu einem Gespräch eingeladen, bei dem die Haltung der deutschen Medien erörtert werden soll. Das Modell an sich ist noch unklar; was es genau leisten soll und welche Inhalte dahin gespielt werden. Am Ende ist es eine politische Entscheidung, ob eine solche Plattform auf europäischer Ebene gebaut werden soll.
Ein neuer Rundfunkbeitrag ist in der Diskussion. Die zuständige Kommission KEF hat als Entwurf 18,36 Euro genannt. Die abschließende Empfehlung steht 2020 an. Welchen Rundfunkbeitrag wünschen Sie sich?
Die jetzt bekanntgewordene Empfehlung – wir wissen noch nicht, ob es dabei bleibt – ist immerhin eine Verbesserung. Auch wenn unsere Wünsche nicht ganz in Erfüllung gegangen sind. Die Preissteigerungen der nächsten Jahre werden wir nicht wiederbekommen. Ich habe aber immer gesagt: Ich fühle mich von der KEF fair behandelt in den letzten Jahren – streng, aber fair.
Der bisherige ARD-Vorsitzende Wilhelm betonte unlängst, dass der Anteil, den das ZDF aus dem Rundfunkbeitrag bekommt, steigen und der der ARD sinken könnte. Er befürchtet eine „Umverteilung“.
Ich finde das sehr überraschend und kann den Angriff nicht nachvollziehen. Das deckt sich nicht mit dem, was ich weiß. Ich bin gespannt, was die KEF am Ende dazu sagen wird. Es hat in der Vergangenheit schon immer mal kleinere Veränderungen bei der Verteilung gegeben. Aber die sind eine Folge von Berechnungen der KEF, die sehr präzise die Aufgaben und Ausgaben der Sender betrachtet und Wirtschaftlichkeitspotenziale einbezieht.
Bei der ARD wird es weiter einen Sparkurs geben. Ist das auch beim ZDF so?
Wir müssen sparen, um Preissteigerungen aufzufangen. Ungefähr 800 Millionen Euro fließen jedes Jahr an externe Produzenten. Auch da gibt es Lohnerhöhungen und andere branchenspezifische Steigerungen. Die können wir nicht direkt aus der Beitragssteigerung finanzieren. Das heißt, wir werden in bestimmten Bereichen des Programms – nicht dramatisch -, aber eben doch sparen müssen. Das Publikum wird das nicht im Kern des Abendprogramms, aber an anderen Stellen spüren.
Können Sie Beispiele nennen?
Es wird einen Ersatz von Erstausstrahlungen in geringerem Umfang durch Wiederholungen geben.
Sie bauen seit fast zehn Jahren Jobs ab – bis 2020 sollen es rund 560 Stellen sein. Wie ist der Stand?
Die Einsparungen sind weitgehend vollzogen. Den Rest schaffen wir im Jahr 2020. Damit können wir ab 2021 wieder junges Personal uneingeschränkt einstellen, was dringend nötig ist. Das Durchschnittsalter des ZDF liegt bei 50 Jahren.
Dann steht ein Wandel ab 2021 an?
Die Babyboomer gehen nach und nach. Das wird eine große Umwälzung beim Personal geben. (Interview: Anna Ringle und Ira Schaible, dpa)
Bildquelle:
- Thomas-Bellut-ZDF: © ZDF/Markus Hintzen