Das Bestreben des Zusammengehens großer Netzbetreiber ist nicht neu, noch ist es aus deren Sicht nicht nachvollziehbar. „Jetzt wäre ein Mal mehr die Chance, zu regulieren und vielleicht durch ein beherztes Nein sogar Schlimmeres zu verhindern. Wo ist hier die deutsche Politik?“, fragt Dr. Hans-Ullrich Wenge, ehemaliger CEO von Kabel Deutschland.
Bei den Kartellwächtern müssten bereits wieder die Alarmglocken geklingelt haben, auch wenn die Kabelkunden davon zum Teil noch nichts mitbekommen haben. „Wer reguliert hier in Deutschland eigentlich die mediale Infrastruktur? Ist es noch das Bundeskartellamt oder müssen wir schon ehrfürchtig nach Denver und London blicken?“, wirft ausgerechnet der Mann die Frage auf, der einst als Kabelnetz-Geschäftsführer der Deutschen Telekom das gesamtdeutsche Kabelnetz aufspalten musste. Dr. Hans-Ullrich Wenge ist nicht nur Kabelexperte, er weiß es noch aus eigener Erfahrung: Die Politik wollte die Aufspaltung des deutschen Kabelnetzes Anfang des Jahrtausends so, denn die Deutsche Telekom schien seinerzeit zu mächtig geworden zu sein. Eine Zerschlagung der Kabelnetze in Regionen folgte der politischen Entscheidung. Rund anderthalb Dekaden später reden die britische Vodafone und die US-amerikanische Liberty Global miteinander über den Kabelmarkt in Europa, Vodafone betont jedoch öffentlich, dass es dabei nicht um Deutschland ginge.
Marktinsider befürchten hingegen, dass der deutsche Markt in den derzeitigen Gesprächen sehr wohl ein wichtiges Thema sei. Mit erneuten Verhandlungen über den europäischen Kabelmarkt könnten die Muttergesellschaften der zwei größten deutschen Kabelnetzetzbetreiber infrastrukturelle Fakten auch für die Zukunft Deutschlands schaffen, meinen die Experten.
„Wettbewerb, so hab ich es mal gelernt, entsteht durch echte Konkurrenzsituationen und nicht durch weitgehend einen einzigen großen Anbieter, der alles aus einer Hand bietet“, gibt der ehemalige Kabel-Deutschland-CEO zu bedenken. Auch wenn es eine echte Konkurrenzsituation in den Netzten bis dato aus Kundensicht leider nie gab, so konnte nicht ein Anbieter flächendeckend Festnetz, Internet und Mobilfunk in Deutschland über das Kabelnetz dominieren. Die britische Vodafone hätte jedoch gern mehr Macht im deutschen Kabelnetz, sickerte 2015 zunächst als Gerücht durch und begann wohl daher seinerzeit schon Verhandlungen mit Liberty Global, der Muttergesellschaft von Unitymedia, die das zweitgrößte Netz in Deutschland in den Regionen Baden-Württemberg, Hessen und dem dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen derzeit stellt.
„Der Kabelkunde wird es der deutschen Politik danken, jetzt schnell zu handeln. Denn wir Deutsche würden ohne Regulierung nicht nur das Rad zurückdrehen und zu Telekoms Kabel Deutschland-Zeiten zurückkehren, sondern es würde – viel schlimmer – gar nicht möglich sein, einen internationalen Riesen zu regulieren, der neben der Fernseh- und Radioverbreitung einen beträchtlichen Teil deutscher Infrastruktur, nämlich Internet, Festnetztelefonie und Mobilfunk heute schon in seinen Händen hält“, so Wenge in seiner Kolumne in der DF-Schwesterpublikation DIGITAL INSIDER.
Weitere Gedanken von Hans-Ullrich Wenge zur heutigen Mediennutzung, derbenötigten Infrastruktur und dem notwendigen Wandel finden sich inseiner Kolumne im DIGITAL INSIDER, den es im Abo unter Heftkaufen.de und per App für Android und iOS gibt. [th]
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