Im Streit um die EU-Urheberrechtsreform zeichnet sich keine Einigung ab. Kritiker warnen vor Upload-Filtern, Befürworter sehen keine Zensur-Gefahr. Unterdessen blieb die deutsche Wikipedia in einer Protest-Aktion für einen Tag im Web schwarz.
Im Europaparlament bleiben wenige Tage vor der Abstimmung über die EU-Urheberrechtsreform die Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern des aktuellen Vorschlags verhärtet. Der Streit entzündet sich vor allem um den Artikel 13, in dem es um die Haftung von Online-Plattformen für Urheberrechtsverletzungen geht – und um die Frage, ob die Vorgaben nur mit sogenannten Upload-Filtern umgesetzt werden können. Unterdessen gehen die Proteste gegen den Plan weiter: Am Donnerstag blieb die deutsche Webversion der Wikipedia den ganzen Tag offline.
Der CDU-Politiker Axel Voss verwies auf der gemeinsamen Pressekonferenz erneut darauf, dass die Upload-Filter im Text nicht ausdrücklich erwähnt werden. „Die Plattformen, die wir mit Artikel 13 erreichen wollen, sind eigentlich nur die aktiven Plattformen, die genau wissen, dass sie urheberrechtlich geschützte Materialien auf ihrer Plattform haben, damit Gewinn erzielen und das in der Öffentlichkeit auch entsprechend wiedergeben“, sagte er. „Der Sinn und Zweck von Artikel 13 ist, diese Plattformen zu einer Lizenzierung zu führen, um fairer zu vergüten.“
„Es ist völlig klar, dass eine Umsetzung von Artikel 13 ohne Upload-Filter nicht möglich ist“, sagte dagegen die Piraten-Abgeordnete Julia Reda in Berlin. Es werde immer Rechteinhaber geben, die keine Lizenzen erteilen. Außerdem werde bei dem aktuellen Entwurf außer Acht gelassen, „dass wir heute alle Urheber und Urheberinnen sind“, weil Menschen die Rechte an den Fotos und Videos von ihren Smartphones hätten. Es sei unmöglich, mit all diesen Menschen Lizenzvereinbarungen abzuschließen, auch nicht über Verwertungsgesellschaften.
Als Upload-Filter bezeichnet man Software, die Texte, Musik und Bilder bereits beim Hochladen auf eine Website automatisch danach überprüft, ob diese zum Beispiel urheberrechtlich geschützt sind und dann entsprechend blockieren kann. Artikel 13 schreibt Plattformen wie YouTube vor, „alles ihnen mögliche“ zu tun, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Kritiker des aktuellen Reformvorschlags wenden ein, dass dies nur mit dem Einsatz von Uploadfiltern möglich sei. Das Europaparlament debattiert am kommenden Dienstag erneut über den Vorschlag – und stimmt dann voraussichtlich auch ab.
Voss, der als Berichterstatter der konservativen Fraktion zu dem Thema eine zentrale Rolle bei der Ausarbeitung des Entwurfs spielte, gab keine direkte Antwort auf die Frage, ob seiner Ansicht nach Artikel 13 auch ohne Upload-Filter erfüllt werden könnte. „Hinsichtlich der Umsetzung von Artikel 13 wird es ja im Zusammenhang der Mitgliedstaaten mit der Kommission auch zu Umsetzungsvorschriften kommen“, sagte er. „Von daher wird man sich natürlich darauf konzentrieren, wie das eigentlich praktischerweise zu handhaben sein wird.“ Im Grund seien die Vorschläge nicht viel anders als „das, was schon existiert“, weil es Eigentumsschutz gebe.
Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken betonte, es gebe im Parlament noch Bemühungen, Artikel 13 bis zur Abstimmung aus dem Text zu streichen. Bisher hätten sich 150 Abgeordnete einem entsprechenden Antrag angeschlossen. „Ich habe die Befürchtung, dass die Urheberrechtsreform an diesem Artikel scheitern könnte“, sagte Wölken und kritisierte das starre Beharren auf dem umstrittenen Text. Die Position der Sozialdemokraten spielt eine entscheidende Rolle für den Ausgang der Abstimmung. Bisher ist unklar, wie die Abgeordneten stimmen werden. Die Grünen-Abgeordnete Helga Trüppel befürwortete hingegen Artikel 13.
In Deutschland war in einer Protestaktion am Donnerstag das Online-Lexikon Wikipedia zumindest im Web den ganzen Tag nicht erreichbar. Stattdessen erschien ein Appell an die Nutzer, die Abgeordneten des Europäischen Parlaments zu kontaktieren. Wikipedia ist zwar ausdrücklich vom Artikel 13 der neuen Urheberrechtsrichtlinie zu den Upload-Filtern ausgenommen. „Unser Ziel ist es aber nicht, eine Oase Freien Wissens in einer unfreien Wüste des Internets zu sein“, schreibt John Weitzmann von Wikimedia Deutschland in einem Blogbeitrag.
Die Aktion war in der Wikipedia-Community umstritten, auch weil die Wahlbeteiligung an der Streikabstimmung äußerst gering ausfiel. Von den 4931 abstimmungsberechtigten Autoren haben sich nur 215 an dem „Meinungsbild“ beteiligt. 146 stimmten für die Blockade, 69 dagegen. Die Blockade betrifft nur die Webvariante der deutschsprachigen Wikipedia. Die offiziellen Apps für Smartphones und Tablet Computer zeigten weiterhin die Inhalte der Online-Enzyklopädie an.
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger kritisierte die Aktion. Damit gebe die Online-Enzyklopädie ihre Neutralität auf, die sie bislang für sich beansprucht habe, heißt es in einem Kommentar. „Und dies ohne jede Legitimation.“ Eine so geringe Zahl an Autoren könne nicht für die Gesamtheit aller Autoren sprechen. Der Digitalverband Bitkom unterstützte dagegen die Aktion. Die Enzyklopädie sei „nicht nur das wichtigste Online-Lexikon, sondern auch ein Symbol für die Meinungsfreiheit im Netz“, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Die drohende Zensurgefahr durch Uploadfilter habe viele Menschen aufgeschreckt. [dpa]
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