VZBV-Interview: Unterhaltungselektronik „Made in Germany“

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Das Label „Made in Germany“ wurde vor nunmehr 125 Jahren eingeführt. Zum runden Geburtstag sprach DIGITALFERNSEHEN.de mit Mirko Klimas vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) über die Bedeutung des Labels für den Bereich Unterhaltungselektronik, die Missbrauchsgefahr und die Folgen für die Wirtschaft.

Am 23. August 1887, also vor nunmehr 125 Jahren, wurde in Großbritannien die Bezeichnung „Made in Germany“ eingeführt. Mit der Etikettierung sollten die Verbraucher auf die vermeintlich minderwertigen Waren hingewiesen werden, die in Deutschland produziert wurden. Die Bedeutung des Labels änderte sich jedoch im laufe der Zeit und schon bald stand „Made in Germany“ weltweit aber auch auf dem Heimatmarkt für Qualitätsware aus deutschen Landen.
 
In Zeiten der Globalisierung hat sich die Bedeutung von „Made inGermany“ nun erneut geändert. Besonders im BereichUnterhaltungselektronik wird der Großteil der Geräte und Komponentenmittlerweile in Asien oder in Osteuropa gefertigt. Verbraucherschützerwarnen daher vor einem Missbrauch des Labels, dass nicht mehr in allenFällen wirklich in Deutschland hergestellte Ware kennzeichnet. Auf deranderen Seite gibt es auch heute noch Unternehmen im Bereich derUnterhaltungselektronik wie Metz und Loewe, die sich „Made in Germany“groß auf ihre Fahnen geschrieben haben und auf den Standort Deutschlandsetzen.
 
DIGITALFERNSEHEN.de sprach unter anderem mit Mirko Klimas, Referentfür Handel und Wirtschaftspolitik beim Verbraucherzentrale Bundesverband(VZBV), über die Bedeutung des Labels, den Missbrauch und den dadurchentstehenden Schade.

Herr Klimas, gerade im Bereich der Unterhaltungselektronikwerden mittlerweile kaum noch Komponenten in Deutschland gefertigt.Beinahe alle einheimischen Hersteller sind massiv auf Zulieferer aus demAusland angewie-sen um ihre Produkte wirtschaftlich herstellen zukönnen. Oft geschieht lediglich die Endfertigung in Deutschland. Stelltdies in Ihren Augen ei-nen Missbrauch des Labels „Made in Germany“ dar?
 
Mirko Klimas: Grundsätzlich ja. Allerdings gibt esUnterschiede. Wenn wesentliche Bestandteile und die Haupteigenschafteneiner Ware in Deutschland erarbeitet werden, darf „Made in Germany“ zuRecht verwendet werden. Trifft das nicht zu, handelt es sich eindeutigum Missbrauch.
 
Sollten die Hersteller in solchen Fällen auf das Siegel „Made in Germany“ verzichten?
 
Klimas: Auf jeden Fall. Es muss das drin sein, wasdrauf steht. Alles andere ist Betrug am Verbraucher und stellt ggf.einen Verstoß gegen das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ dar.
 
Sind Ihnen Extremfälle aus der Unterhaltungselektronikbekannt, in denen Hersteller sich mit „Made in Germany“ schmücken,obwohl die Produkte kaum in Deutschland gefertigte Komponentenenthalten?
 

Klimas: Das LandgerichtStuttgart hat beispielsweise 2003 entschieden, dass ein Multimedia-PC,dessen wesentliche Bestandteile wie etwa die Grafikkarte, dieFestplatte, das DVD-Rom Laufwerk, der Brenner und das Mainboard imAusland gefertigt worden sind, nicht mit „Qualität Made in Germany“beworben werden darf

Wird das Label „Made in Germany“ nicht vielmehr vom Gesetzgeber als von den Herstellern missbraucht, der bewusst geringe Anforderungen an das Label stellt, um die Exportwirtschaft zu stärken?

Klimas: Nein, man kann die Schuld für Missbrauch nicht einfach auf den Gesetzgeber abwälzen. „Made in Germany“ war nie ein ‚offizielles‘ gesetzlich verordnetes Siegel, mit festgelegten Qualitätskriterien, sondern ursprünglich eine Wareneinfuhrbezeichnung, die 1887 vom Vereinigten Königreich erfunden wurde, um englische Bürger vor den minderwertigen Waren aus Deutschland zu schützen. Der deutsche Gesetzgeber hat damit nichts zu tun. Für den anschließenden und bis heute anhaltenden Erfolg von Waren „Made in Germany“ sind vielmehr die deutschen Unternehmen verantwortlich. Deshalb sollten es auch die Unternehmen sein, die darauf achten, dass das Siegel „Made in Germany“ nicht missbraucht wird. Übrigens haben viele Länder, wie beispielsweise die USA strengere Definitionen für „Made in Germany“, wenn es um die Einfuhr von Waren geht. Auch für den Export können Unternehmen also nicht einfach „Made in Germany“ verwenden, wenn diese Herkunftsangabe gar nicht zutrifft.
 
Sind Siegel wie „Made In Germany“ gerade für Industriegüter in der globalisierten Wirtschaft der Gegenwart überhaupt noch sinnvoll?
 
Klimas: Für Verbraucher machen diese Siegel keinen Sinn. Sie führen in die Irre und bieten keine Orientierung. Allerdings spielt „Made in Germany“ aus Unternehmenssicht vor allem für Exportmärkte eine wesentliche Rolle, weil dieses Siegel weltweit in dem Ruf steht, hohe Qualität und Produktsicherheit zu gewährleisten. Unterm Strich ist und bleibt das aber immer Interpretation und persönliches Empfinden der Verbraucher – auch in anderen Ländern. Mit festen Standards oder Quali-tätsgarantien haben „Made in-Siegel“ deshalb wenig zu tun.
 
Ist nicht viel stärker der Gesetzgeber als Handel und Industrie ge-fragt, die Regularien für die Verwendung des Labels „Made in Germany“ neu zu definieren? Schließlich profitieren sowohl Handel, als auch Industrie auch auf den wichtigen Exportmärkten von einer möglichst wagen Definition des Labels und dürften daher kaum Interesse an einer Änderung haben.
 
Klimas: Man kann darüber nachdenken, gemeinsam mit Unternehmen, Politik und Verbraucherschützern, feste Vergabekriterien zu entwickeln und „Made in Germany“ gesetzlich zu regeln. Trotzdem darf man die Unternehmen nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Denn ist das Vertrauen in „Made in Germany“ erst einmal weg, kauft niemand mehr diese Produkte. Missbrauch schadet also Unternehmen und Verbrau-chern gleichermaßen. Seriöse Unternehmen wissen das und haben deshalb ein großes Interesse an der korrekten Verwendung von „Made in Germany“.
 
Bis zu 90 Prozent einer Ware können im Ausland gefertigt sein und trotzdem das Label „Made in Germany“ tragen. Welcher Anteil an im Ausland gefertigten Bauteilen wäre aus Ihrer Sicht angemessen?
 
Klimas: Der Anteil lässt sich schwer in Prozent fassen. Wichtig ist, dass die bestimmenden Eigenschaften einer Ware sowie die wesentlichen Bestandteile aus Deutschland stammen bzw. durch deutsche Arbeitsleistung erbracht werden. Auf der anderen Seite sollten Unternehmen darüber nachdenken, ob das Label „Made in Germany“, zumindest für Verkäufe in Deutschland, überhaupt notwendig ist. Schließlich reicht hohe Qualität in der Regel als Verkaufsargument aus.
 
Vielen Dank für das Gespräch! [ps]

Das Interview gibt die Meinung des Interviewpartners wieder. Diese muss nicht der Meinung des Verlages entsprechen. Für die Aussagen des Interviewpartners wird keine Haftung übernommen.

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