Helmut Thoma war für seinen Geschäftssinn und seine markigen Sprüche bekannt. Einst machte er RTL groß. Jetzt wird er 80 – und teilt immer noch gerne aus.
Helmut Thoma hat etwas mitgebracht, Auszüge aus alten Ausgaben der Zeitschrift „Bunte“ mit dem Ranking der „200 wichtigsten Deutschen“. Auf Platz eins im Jahr 1993: Thoma. Zwei Jahre später toppt ihn nur der damalige Bundeskanzler Kohl. „Stark, oder?“, fragt Thoma lachend. „Ich will einmal zeigen, welche Bedeutung das Fernsehen damals hatte“, sagt der ehemalige RTL-Chef – und welche Rolle er dabei spielte.
Von 1984 bis 1998 leitete Thoma die Geschicke des Senders. Anfangs war er ein „25-Mann-Betrieb“, wie Thoma sagt. Später wurde RTL einer der Großen in der deutschen Fernsehlandschaft. Am heutigen Freitag wird Thoma 80 Jahre alt. Groß feiern will er nicht. Das habe er noch nie gemacht, sagte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Der Weg, auf dem er zu einem der einflussreichsten Medienmanager Deutschlands werden sollte, war anfangs holprig. Das Gymnasium brach der gebürtige Wiener ab, machte eine Molkerei-Lehre, holte den Schulabschluss nach. Thoma studierte Jura und promovierte mit gerade einmal 23 Jahren. Über die Rechtsabteilung des Österreichischen Rundfunks (ORF) landete er schließlich bei Radio Luxemburg – und dessen neu gegründetem deutschen Privatfernseh-Ableger RTL.
Die 80er- und 90er-Jahre im deutschen Fernsehgeschäft – „das waren wilde Jahre“, erinnert sich Thoma. Vergnügt erzählt er, wie der junge Michael Schumacher damals in seinem Büro um Sponsorengeld für sein erstes Formel-1-Cockpit gebeten habe. Dem ähnlich jungen Nachrichtenmoderator Peter Kloeppel hätten sie die Schläfen grau tönen wollen, um ihn für das ARD- und ZDF-gewöhnte Publikum seriöser wirken zu lassen. „Das haben wir gelassen, es hat ja auch so funktioniert“, sagt Thoma.
Seine Entscheidungen waren mutig – und meist profitabel. Hugo Egon Balder ließ er die Spielshow „Tutti Frutti“ moderieren, bei der viel nackte Haut zu sehen war, spätabends liefen Lederhosen-Erotik-Filmchen. Später machte er RTL seriöser: Mit der ersten deutschen Daily Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (GZSZ) oder dem Kauf der Formel-1-Übertragungsrechte gelangen Thoma zahlreiche Erfolge, die das deutsche Privatfernsehen bis heute prägen.
Doch das Schmuddelimage blieb an ihm und dem Sender lange haften. Roger Willemsen schimpfte einst, Thoma sei „der Mann, der im Fernsehen Charakter durch Kaufkraft ersetzt“. Die ewige Niveau-Diskussion – Thoma findet sie „verlogen“. „Ich habe immer gesagt: Im Seichten kann man wenigstens nicht ertrinken“, erklärt er.
Die markigen Sprüche, in breitem Wiener Schmäh gegrantelt, waren stets Thomas Markenzeichen. ARD und ZDF warf er einmal vor, „sozialdemokratisches Belehrungsfernsehen“ zu betreiben, Thomas Gottschalk nannte er „Parasit“. Noch heute teilt er gern aus.
„Seelenlos“ findet Thoma etwa die heutige RTL-Zentrale am Kölner Messegelände, die Jahre nach seinem Abschied eingeweiht wurde. Und überhaupt, was aus seinem „Baby“, wie er den Sender einst nannte, geworden sei: „Da kommt nichts Neues. Immer noch die alten Programme. Nur hat RTL im Gegensatz zu den Öffentlich-Rechtlichen Glück, dass sie immer noch recht gut funktionieren.“
Thoma ist selten zufrieden. Bei den Pessimisten aber, die das Fernsehen für tot erklären, will er sich nicht einreihen: „Das ist Quatsch“, sagt Thoma. „Es hat eigentlich noch eine große Zukunft vor sich“ – wenn die Sender-Verantwortlichen die Potenziale der technischen Entwicklung denn endlich erkennen würden. „Virtual Reality zum Beispiel wird ganz neue Dimensionen eröffnen.“
Nur werde Deutschland dabei hinterherhinken. „Woher sollen Innovationen auch kommen? Hier gibt es mit den Öffentlich-Rechtlichen, ProSiebenSat.1 und RTL nur drei Player, die sich gegenseitig kaum Konkurrenz machen“, sagt Thoma. „Anbieter wie Netflix werden aller Voraussicht nach scheitern“, prophezeit er. „Am Ende sind diese ganzen Serien doch auch immer wieder das Gleiche, das langweilt die Zuschauer irgendwann.“
Dass ihm selbst einmal langweilig werden könnte, fürchtet Thoma nicht. Ein paar Aufsichtsratsposten besetzt er schließlich noch immer, in seiner Freizeit taucht er häufig – „so richtig mit Luftflasche“, wie er sagt. Ansonsten pendelt er zwischen seinen Wohnsitzen in Wien und Luxemburg. Es sei aber ruhiger geworden in seinem Leben. „Das genieße ich.“[Christoph Koopmann]
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