Für den langjährigen RTL-Cheflenker Helmut Thoma ist die deutsche TV-Landschaft „enorm verarmt“. Grund genug für den inzwischen 72-jährigen Österreicher, sich erneut an vorderster Front dem Abenteuer Fernsehen zu widmen.
Gemeinsam mit dem früheren NBC-Europe-Geschäftsführer Helmut Keiser schickt der gebürtige Wiener sein Projekt V.TV an den Start. Ziel der dahinterstehenden Gemeinschaftsfirma Volks-TV mit Sitz in Düsseldorf ist es, voraussichtlich noch vor Jahresende zahlreiche deutsche Stadt- und Regionalsender mit gemeinsamen Programmstrecken zu beliefern. Ziel sei es, eine „merkbare dritte Kraft im deutschen Privatfernsehen zu werden“, formulierte Thoma in der Mittwochsausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ durchaus ehrgeizige Pläne.
Medienrechtlich ist die Sache in trockenen Tüchern. Eine Lizenz der Landesmedienanstalten liegt bereits vor, auch die KEK sieht keine Veranlassung, das Projekt aufgrund konzentrationsrechtlicher Bedenken auszubremsen. Die zündende Idee: Chronisch klammen Kleinstsendern soll ein qualitativ hochwertiger Sendeteppich zugeliefert werden, den diese dankbar annehmen dürften.
Im Gegenzug profitiert die Thoma-Unternehmung von einer hohen Reichweite und damit einer lukrativen Vermarktungsbasis für nationale Kunden, an der die Sender prozentual beteiligt werden sollen. Thoma selbst spricht von bis zu elf Millionen Haushalten, die zum Auftakt von Partnern wie TV Berlin, Hamburg 1 und NRW TV erreicht würden. Die Verhandlungen befänden sich in fortgeschrittenem Stadium. Wenn es gut laufe, könnten es bis zu 16 Millionen werden.Thoma: Deutsches Privat-TV ist „strukturell erstarrt“
Volks-TV klingt ein wenig heimtümelig und damit alt. Tatsächlich will Thoma aber eine junge Zielgruppe bedienen, hier allerdings zunächst kleinere Brötchen backen. Für die ersten beiden Jahre seien Investitionen von etwa 30 Millionen Euro nötig. Derzeit würden parallel Gespräche mit Investoren als auch mit Werbepartnern und Sponsoren geführt. Erste Zusagen gebe es bereits.
Wie einst bei „Tutti Frutti“ auf RTL sieht es der Österreicher gelassen, wenn sich die Kritiker im Anfangsstadium über die Programminhalte das Maul zerreißen. Das sei einkalkuliert, weil das Budget zunächst keine größeren Sprünge zulasse. Inhaltlich liege der Schwerpunkt auf „Entertainment und Education“. Thoma und seinen Mitstreitern schwebt ein „Dialog-Fernsehen“ vor, bei dem Zuschauer zur Mitgestaltung eingeladen werden sollten. So seien in Verbindung mit einem Internetportal von V.TV verschiedene interaktive Elemente vorgesehen, etwa Audio- und Video-Chats.
Als Grund für sein Engagement in Sachen Regionalfernsehen nennt Thoma eine generelle Unzufriedenheit mit dem deutschen TV-Markt, den er immer wieder gerne mit wenig schmeichelhaften Attributen wie „unterentwickelt“ und „strukturell erstarrt“ versieht. Gerade das Privatfernsehen sei fest in der Hand zweier großer Konzerne, denen es allein um die Rentabilität, nicht um den Zuschauer oder die inhaltliche Qualität gehe.
Er selbst lese deshalb lieber und schaue nur wenig fern, was allerdings schon immer so gewesen sei, verriet Thoma zuletzt dem „Kölner Stadtanzeiger“. Von echter Vielfalt kann nach seiner Auffassung keine Rede sein: „In Wahrheit ist es doch so: Privates und öffentlich-rechtliches Fernsehen kämpfen auf verschiedenen Feldern“. RTL, ProSieben und Co. würden von den unter 50-Jährigen gesehen, da hätten die Öffentlich-Rechtlichen „nur noch Restbestände“, nämlich zusammen an die 13 Prozent. Ziehvater von „Explosiv“ will’s nochmal allen zeigen
Sehr positiv wertet Thoma hingegen seine eigene Pionierleistung bei RTL. „RTL Deutschland ist der einzige Sender in einem großen Industrieland, der von null innerhalb von sieben Jahren die Marktführerschaft errungen und dann auch behalten hat“. Viele Serien und Formate, die er damals federführend mit aus der Taufe gehoben habe, liefen heute noch immer, zum Beispiel „Explosiv“ und „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“.
Übrigens wäre er jederzeit in der Lage, noch einmal an die Spitze des Senders zu rücken, verriet Thoma im vergangenen Herbst: „Geistig bin ich noch so weit zusammen, dass ich das hinkriegen würde“. Mit Volks-TV kann er jetzt den Beweis antreten, dass er sein Handwerk nicht verlernt hat und auch im TV-Markt 2011 noch nicht zum alten Eisen gehört. Dabei geht es durchaus um einen langen Atem. Die Sendelizenz gilt laut Mitteilung der Zulassungskommission der Landesmedienanstalten (ZAK) für eine Dauer von zunächst zehn Jahren.
Thoma-Mitstreiter Keiser ist im übrigen ein alter Hase im regionalen TV-Geschäft. Er mischt über verschiedene Beteiligungen bei weiteren TV-Sendern mit. Die Infobonn Holding GmbH hält 45,8 Prozent an der Kuhlo Holding GmbH, die ihrerseits zu 37,6 Prozent an der NRW TV Fernsehen aus NRW GmbH & Co. KG, der Veranstalterin von NRW.TV, beteiligt ist. Darüber hinaus ist die Infobonn mittelbar in Höhe von 51 Prozent an der DFA Regional TV Baden-Württemberg GmbH beteiligt, die wiederum 37 Prozent an der BW.Family.TV GmbH & Co. KG hält, dem Veranstalter von BW Family TV.
Der gebürtige Wiener Thoma hatte RTL zum erfolgreichsten Privatsender gemacht. 1984 wurde er Direktor der deutschen Programme von RTL und RTL Plus. Mit dem RTL-Umzug von Luxemburg nach Köln und dem Einstieg von Bertelsmann begann der Aufstieg des Senders, dem Thoma in den 90er Jahren als alleiniger Geschäftsführer vorstand. [ar]
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