Mit der geplanten Übernahme von Kabel Deutschland will sich der britische Mobilfunkanbieter Vodafone auf dem deutschen Markt in Stellung bringen. Für die Telekom würde die Luft dadurch merklich dünner, immerhin hat Vodafone auch das Festnetz-Geschäft im Blick.
Was sich in München und Düsseldorf derzeit zusammenbraut, kann der Deutschen Telekom kaum egal sein. Die geplante milliardenschwere Übernahme von Kabel Deutschland durch den britischen Mobilfunkriesen Vodafone wird den Telekom-Markt kräftig durchrütteln. Bis 11. September haben die Aktionären des größten deutschen Kabelnetzbetreibers Zeit, das Angebot der Briten von 87 Euro je Aktie anzunehmen. Am Freitag bekräftigte die Führung des Münchner Unternehmens, dass sie die Annahme der Offerte empfiehlt.
„Nach eingehender Prüfung der Angebotsunterlage sehen wir uns darin bestätigt, dass der Angebotspreis finanziell attraktiv und die strategische Perspektive durch die Übernahme vielversprechend ist“, sagte Vorstandschef Adrian von Hammerstein. Oder kürzer: „Kabel Deutschland und Vodafone ergänzen sich ideal“. Nach der legendären Übernahmeschlacht mit Mannesmann vor mehr als zwölf Jahren haben die Briten damit ein zweites großes deutsches Unternehmen an der Angel. Mehr als 10 Milliarden Euro wird die Übernahme am Ende wohl kosten.
Das ist kein Schnäppchen, aber wohl eine gute Investition – sollte der Deal von den Aufsichtsbehörden ohne größere Auflagen abgenickt werden. Vodafone jedenfalls geht fest davon aus. Für die Deutsche Telekom würde es ungemütlicher. In Bonn gibt man sich schmallippig: „Wir äußern uns nicht dazu“, sagt ein Konzernsprecher. Dass nun ausgerechnet das Unternehmen, das sich bereits im Mobilfunk mit den Bonnern ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefert, nun auch im Festnetz angreift, wird dem künftigen Telekom-Chef Tim Höttges kaum gefallen.
Aber warum übernehmen die Briten überhaupt ein Kabelunternehmen und blättern dafür so viel Geld auf den Tisch? Deutschland ist nicht nur ein attraktiver – für Vodafone ist es auch der größte europäische Markt. Hinzu kommt, dass die Kabelnetzbetreiber seit einigen Jahren den angestammten Anbietern im Breitbandgeschäft mit preisgünstigen Angeboten für Telefonie, Internet und TV immer mehr Kunden abjagen.
Der harte Wettbewerb zwischen Festnetz- und Kabelnetzbetreibern werde zu weiteren Übernahmen und Fusionen führten, prophezeite vor wenigen Jahren eine Studie der Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers. Außerdem stehen Milliarden-Investitionen in den Netzausbau an, um die künftig anstehende Datenflut zu bewältigen. Und den gewaltigen Ausbau können nur die Großen stemmen. Und auch auf dem Mobilfunkmarkt erwächst der Telekom ein möglicherweise großes Problem. Die geplante Übernahme der Nummer drei E-Plus durch die Nummer vier O2 würde aus dem Stand einen neuen Marktführer schaffen, und die Bonner abhängen.
Telekom-Experte Thorsten Gerpott von der Universität Duisburg glaubt, dass der Konsolidierungsprozess an Fahrt gewinnen wird. Vodafone erschließe sich ohne eigene teuere Investitionen in die Glasfasertechnik hohe Leistungsreserven, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ jüngst. Tatsächlich verspricht sich Vodafone von der Übernahme einiges. Dazu gehören der Zugang zu 8,5 Millionen Haushalten und zu einem Netz mit hohen Übertragungsgeschwindigkeiten. Mit über 100 Megabit pro Sekunde ist das Kabelnetz, das die Telekom vor mehr als zehn Jahren aus Wettbewerbsgründen verkaufen musste, derzeit praktisch doppelt so schnell wie das VDSL-Netz der Telekom.
Der künftige Telekom-Chef Höttges muss Gas geben, um den Angriff zu kontern. So arbeiten die Bonner intensiv an der Vectoring-Technik und damit an einer Verdoppelung des VDSL-Tempos. Tempo im Netz ist die Herausforderung. Angesichts der explodierenden Datenflut drohen die Netze zu verstopfen, Eile ist geboten. In den Netzausbau will die Telekom in den kommenden Jahren bis zu sechs Milliarden Euro investieren – neben Vectoring auch in LTE und Glasfaser. Vodafone habe vor allem in Ballungsgebieten ohne Festnetz Schwachstellen, sagt ein Sprecher. IPTV-Angebote ließen sich dort über das klassische DSL-Netz kaum machen. Kabel Deutschland soll diese Defizite beheben.
Der Hahnenkampf um die Hoheit auf dem deutschen Telekom-Markt ist vermutlich nach lange nicht beendet. Diesmal ist er besonders pikant: Einer, der den Angriff auf Kabel Deutschland mit orchestrierte, ist ein Ex-Telekom-Manager: Philipp Humm, der einst das Apple-Handy iPhone in die T-Punkte brachte und zuletzt Chef von T-Mobile USA war. Im Oktober 2012 wechselte er überraschend die Seiten und ist seitdem im Vodafone-Vorstand für Zentraleuropa zuständig. [Peter Lessmann/Sebastian Raabe/fm]
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