Vivendi prüft laut Medienberichten die Möglichkeit zum Ausstieg aus dem deutschen Video-on-Demand-Markt. Offenbar ist nicht absehbar, ob und wann der eigene Dienst Watchever jemals profitabel arbeiten wird. Der Fall zeigt: Video-on-Demand steckt in Deutschland noch immer in den Kinderschuhen und die Entwicklung ist ungewiss. Das vermeintliche Vorbild USA wirkt fehl am Platze.
Die Meldungen kamen überraschend: Anfang der Woche berichtete die französische Presse über angebliche Pläne des Mediengiganten Vivendi, seine deutsche Video-on-Demand-Plattform Watchever zu verkaufen. Grund sollen die hohen Verluste sein, die der Dienst seit seinem Start Anfang 2013 einfährt und vermutlich auch die sich verschärfende Konkurrenzsituation auf dem hiesigen Markt. Nicht zuletzt mit dem geplanten Start von Netflix in Deutschland dürfte der Wettbewerb auf einen neuen Höhepunkt zusteuern. Kommentieren wollte Vivendi die Berichte auf Nachfrage von DIGITAL FERNSEHEN zwar nicht, allerdings gab es auch kein klares Dementi.
Überraschend wäre eine Verkaufsabsicht von Watchever vor allem deshalb, weil der Anbieter bislang als einer der vitalsten und aggressivsten am deutschen Markt auftrat. Mit seinem Start im vergangenen Jahr hatte der Dienst für ordentlich Trubel auf dem Markt gesorgt und die Konkurrenz wie Maxdome und Amazon zu Korrekturen bei der Preis- und Angebotssturktur gezwungen. Dabei hatte Watchever in Punkto Geschäftsmodell klar auf das Netflix-Prinzip gesetzt: Komplettflatrate mit monatlicher Kündbarkeit.
Innerhalb von kurzer Zeit gelang es dem Anbieter so, zu einem der wichtigsten und kundenstärksten Abo-VoD-Dienste auf dem deutschen Markt zu werden. Die Tatsache, dass dabei offenbar trotzdem Verluste in Millionenhöhe gemacht wurden – allein für das erste Quartal 2014 spricht die französische Zeitung „Les Echos“ unter Berufung auf Angaben des Vivendi-Vorstands von einem Verlust von 21 Millionen Euro – zeigt vor allem, dass der Markt noch immer sehr klein ist und nach wie vor in den Kinderschuhen steckt. Ob er diesen zeitnah entwachsen kann, ist trotz der allgemein verbreiteten Aufbruchsstimmung noch keineswegs absehbar.
Blickt man auf die Entwicklungschancen für den deutschen Markt, werden in den meisten Fällen vor allem die USA herangezogen. Dort ist das Geschäftsmodell Video on Demand vor allem dank Anbietern wie Netflix, Amazon und Hulu längst ein kommerzielles Erfolgsmodell. Auch in anderen Ländern scheinen sich die Märkte für die Abo-basierten Bezahldienste schneller zu entwickeln als in Deutschland.
Häufig wird dabei jedoch außer acht gelassen, dass hierzulande eine andere Ausgangssituation herrscht. So ist der TV-Markt zwar insgesamt stark, der Pay-TV-Sektor befindet sich jedoch im internationalen Vergleich noch in der Entwicklungsphase. Und nichts anderes ist das Modell der Abo-basierten Online-Videotheken letztlich, als eine neue Form des Bezahlfernsehens. Dieses Geschäftsmodell brauchte jedoch immerhin mehr als 20 Jahre, bevor es in Deutschland auf den linearen Übertragungswegen auch nur ansatzweise profitabel werden konnte. Dabei war die Konkurrenz unter den Anbietern übrigens längst nicht so groß, wie derzeit bei VoD.
Was bei der Diskussion über Video-on-Demand-Angebote häufig außer acht gelassen wird, ist die Tatsache, dass es auch hier einen Free- und einen Pay-TV-Bereich gibt und das Angebot an frei-verfügbaren Inhalten ist dabei hierzulande ebenfalls groß – wenn auch noch sehr breit gefächert. Bislang ist keineswegs ausgemacht, dass die Bezahlanbieter hier dominierend sein werden, wie es etwa in den USA oder auf anderen Märkten der Fall ist. Selbst wenn sich Vivendi also tatsächlich vom deutschen Markt zurückziehen sollte, ist damit noch längst nicht ausgemacht, dass Netflix den Kampf bereits gewonnen hat. Bislang scheint ohnehin niemand genau zu wissen, wie viel es überhaupt zu gewinnen gibt. [Patrick Schulze]
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