Die „Lindenstraße“ hat es schon lange erwischt. Mit der „SOKO München“ verschwindet nun bald das nächste bavarische TV-Urgestein von der Bild(schirm)fläche. Diesen Montag beginnt die Ausstrahlung der letzten Folgen.
Statt in der bayerischen Landeshauptstadt wird nach Ablauf der heute um 18 Uhr im Zweiten anlaufenden letzten 14 Episoden künftig in Passau ermittelt, darüber hinaus beispielsweise auch am Bodensee, an der Meeresküste. Sind alle denkbaren Krimis in Großstädten auserzählt oder was spricht für den Wechsel der Fernsehmacher in die Provinz?
Für Fernsehguckern mit Herz für München sind es harte Tage: Die letzte Folge „Lindenstraße“ lief Ende März, „Schwarzach 23“ ist Ende August gelaufen. Doch damit nicht genug: Insbesondere Krimifans trifft der TV-Exodus aus der Süddeutschen Metropole. Die im Ersten gezeigte Serie „München 7“ wurde vor Jahren eingestellt. „Monaco 110»“ lief gerade mal zwei Staffeln lang. Und die Verfilmung der „Kommissar Pascha“-Romane blieb in den Zuschauerzahlen unter den Erwartungen und wurde seit 2017 und sogar nur zwei Teilen beendet. Verschwindet München nun also langsam aber sicher von der Krimi-Landkarte?
Ausgerechnet mit der „SOKO München“ ist Schluss, wo in der bayerischen Landeshauptstadt doch 1978 das Format überhaupt erst aus der Taufe gehoben wurde – zunächst unter dem Titel „SOKO 5113“. Sie zählt zu den am längsten laufenden Serien Deutschlands. „Die Stadt München ist und bleibt ein frequentierter Dreh-Standort für das ZDF“, beteuert eine Sprecherin. Derzeit würden in München und Umgebung unter anderem neue Folgen der Krimi-Serien „Die Chefin“ und „Der Alte“ gedreht. Auch die Reihe „München Mord“ und die Thriller-Serie „Laim“ werden dort produziert.
Der Bayerischer Rundfunk (BR) verweist wiederum auf „Tatort“ und „Polizeiruf 110“ aus München, von denen in der Regel drei beziehungsweise zwei pro Jahr in der ARD ausgestrahlt werden. Im Vorabendprogramm ermittelt nach der Wiedereinführung des Seriensendeplatzes um 18.50 Uhr Hubert mal mit, mal ohne Staller, wie der für Serien zuständige Redaktionsleiter Elmar Jaeger sagt. Zudem sei unter anderem gerade ein neues Format aus München in Arbeit. „Mehr können wir dazu momentan aber noch nicht verraten.“
Münchens TV-Präsenz wird bald wieder aufgebessert
Darüber hinaus sei im vergangenen Jahr „äußerst erfolgreich“ die im Berchtesgadener Land angesiedelte Serie „Watzmann ermittelt“ gestartet, von der gerade die Folgen 17 bis 28 gedreht werden, so Jaeger. Aber genau hier wird ein Phänomen deutlich, das weit über Bayern hinaus zu beobachten ist: Nicht nur die Metropolen spielen bei den TV-Produzenten eine Rolle, sondern auch die Provinz. Die „SOKO“ ermittelt in Wismar und Kitzbühel. „Tatort“-Kommissare tummeln sich quer durch den Schwarzwald, Franken oder auf friesischen Inseln. Erst seit 2017 schippert die „WaPo Bodensee“ durch den Vorabend im Ersten.
Die Gründe sind unterschiedlich: „Es ist unbestritten, dass das Drehen in München wie in allen anderen Großstädten teurer und komplizierter ist, da Dreharbeiten mit einer wachsenden Stadtbevölkerung, mit Baustellen und zunehmenden Veranstaltungen konkurrieren“, sagt Anja Metzger, Head of Film Commission Bayern beim FilmFernsehFonds Bayern. Der Platzbedarf sei durch Corona noch größer geworden. „Gleichzeitig wachsen die Flächen in den Städten ja nicht mit. Es wird also immer enger.“ Daher sei es sicher eine Überlegung wert – wohl im wörtlichen Sinne -, wohin eine Serie platziert wird.
Ein anderer Aspekt: In der Stadt ließen sich andere Geschichten erzählen als etwa am Wasser („Passau-Krimi“, soll im Oktober starten), in den Bergen (eben „Watzmann ermittelt“) oder aber im idyllischen Oberbayern wie bei den „Rosenheim Cops“, so Metzger. Jaeger vom BR spricht von „hohem optischen Schauwert“. Alpenpanorama sieht man von München aus eben nur mit viel Wohlwollen und bei Föhn.
Der ländliche Raum wurde laut Jaegers Angaben erst mit der Zeit mehr und mehr entdeckt. Dabei habe die BR-Heimatkrimi-Reihe gewissermaßen eine Vorbildfunktion gehabt. Metropolen blieben für Krimiserien weiter spannend, „der ländliche Raum hat aber aufgeholt“.
„Letztlich spielt der genaue Handlungsort für die Akzeptanz einer Sendung aber nicht die zentrale Rolle, wie man immer wieder vermuten könnte: Diverse Auswertungen zeigen, dass Sendungen nicht unbedingt in demjenigen Bundesland schwerpunktmäßig gesehen werden, in dem der Ort ihrer Handlung liegt“, erläutert Gerhard Graf, der Sender und Produktionsfirmen berät. Für die Akzeptanz von Serien seien vor allem die Darsteller und die Chemie zwischen ihnen entscheidend, der Plot, die Erzählweise, auch mal ein gewisses Augenzwinkern und gerade für den Vorabend eine bestimmte Kinder- und Familientauglichkeit.
Genauso wichtig sei, dass es in München und Umland eine sehr rege Produzentenlandschaft gibt, von vielen ganz kleinen Produzenten bis hin zu Schwergewichten wie Bavaria Film und Constantin Film. Die gesammelte Expertise werde ganz sicher dafür sorgen, dass auch künftig dort TV-Krimis und -Serien produziert werden und spielen, wo all diese Firmen ansässig sind: in München und Umgebung.
Und was sagen die echten Münchner Ermittler, dass ihr Einsatzgebiet – zumindest im Moment – ein wenig von der Bildfläche verschwindet? „Ein Rückgang der Krimiserien lässt sich möglicherweise auf die sich stetig verbessernde Sicherheitslage in Stadt und Landkreis München zurückführen“, meint Polizeisprecher Ralf Kästle – nicht bierernst. Doch immerhin: Zum 44. Mal in Folge sei München Deutschlands sicherste Millionenstadt.
„Dass sich nun auch die Fernsehganoven nicht mehr zu uns trauen, ist Motivation, weiterhin unser Bestes zu geben.“[Marco Krefting/bey]
Bildquelle:
- df-siegestor-muenchen: ZDF/Peter Thompson