Verfahren um Linux-Abmahnungen verunsichert Elektronikbranche

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Das freie Betriebssystem Linux treibt nicht nur das Internet an, sondern steckt auch in unendlich vielen Elektronikgeräten. Nun schaut die Branche sorgenvoll einem Gerichtsverfahren in Köln entgegen, das eine Welle von Abmahnungen gegen Unternehmen auslösen könnte.

Die angedrohte Strafe ist happig: 250 000 Euro Ordnungsgeld oder ersatzweise bis zu sechs Monate Haft drohen Mike Decker, Geschäftsführer der Firma Geniatech Europe aus Herzogenrath bei Aachen, sollte er noch einmal das freie Betriebssystem Linux verbreiten und dabei gegen die komplizierten Lizenzbedingungen verstoßen. Erstritten hat das Urteil des Landgerichtes Köln der in der Szene umstrittene Entwickler Patrick McHardy. Am kommenden Mittwoch wird sich das Oberverwaltungsgericht Köln mit dem Fall beschäftigen.

Linux treibt vor allem Rechner an, die große Datenbanken und Web-Anwendungen steuern. Weniger bekannt ist, dass auch unzählige Geräte der Unterhaltungselektronik Linux verwenden, darunter die Satelliten-Empfänger der Firma Geniatech. Decker räumt inzwischen freimütig ein, dass er beim Einhalten der Linux-Lizenz GPLv2 (GNU General Public License) zunächst geschlampt habe. So hatte Geniatech den Linux-Code benutzt und abgeändert, dabei aber versäumt, den neuen Quellcode offenzulegen, damit andere Menschen auch davon profitieren können.
 
Die Verstöße gegen die Linux-Lizenz hat Geniatech selbst nach Einschätzung von McHardy inzwischen längst beseitigt. Trotzdem treffen sich beide Parteien vor Gericht. Geniatech-Chef Decker will nach eigenen Worten verhindern, dass einzelne „Lizenz-Trolle“ mit überzogenen Vertragsstrafen die kommerzielle Nutzung von Linux quasi unmöglich machen.
 
McHardy war eine Zeit lang ein wichtiger Kernel-Programmierer und hat die Entwicklung einer wichtigen Netzwerk-Komponente (Netfilter) vorangetrieben. „Viele Teile des Codes hatten damals eine deutlich geringere Qualität als heute, so dass ich viele Jahre Arbeitszeit investiert habe, den Code aufzuräumen, die Pflegbarkeit zu erhöhen, Fehler und Inkonsistenzen zu beheben“, sagte McHardy in einem Interview mit der dpa. Da die Aufgabe „sehr nervenaufreibend“ gewesen sei, habe er sich nach zehn Jahren Mitarbeit mehr und mehr in den Hintergrund zurückgezogen, um sich wieder verstärkt auf seine eigene Entwicklungstätigkeit zu konzentrieren.
 
Bei etlichen Linux-Aktivisten klingt die Geschichte anders: McHardy sei wegen seiner umstrittenen Abmahn-Aktivitäten im Sommer 2016 suspendiert worden. Mindestens vier Jahren lang habe er über 50 Lizenzverletzungen angemahnt und zum Teil vor Gericht gebracht, was Zahlungen von mehreren Millionen Euro nach sich gezogen haben soll.
 
McHardy nennt den Vorwurf, er bereichere sich an einem Open-Source-Projekt „relativ absurd“. Das deutsche Recht kenne nicht wie das amerikanische immens hohe Schadensersatzsummen, zudem könne ein Miturheber ohnehin keinen Schadenersatz an sich fordern. Im Falle von Unterlassungsklagen wie im Fall Geniatech flössen Ordnungsgelder ausschließlich dem Staat zu. „Meine Forderungen belaufen sich im Normalfall auf Kostenersatz, das heißt die mir entstanden Kosten für Anschaffung und Untersuchung von Produkten sowie Anwaltskosten.“
 
Der Software-Entwickler räumt allerdings ein, auch Vertragsstrafen gefordert zu haben – „wenn ein Unterlassungsvertrag bestand und sich der Verletzer als besonders hartnäckig darstellte und nicht gewillt war, seine Verletzungen zu beheben“. Auch hier tendierten die Gerichte zu eher zurückhaltender Bemessung von Vertragsstrafen, meint McHardy.
 
Die Szene reagiert zwiespältig. Manche Aktivisten begrüßen es durchaus, dass jemand den Firmen auf die Finger haut, die gegen die Linux-Lizenz verstoßen. McHardy wird allerdings vorgehalten, aus den Verstößen persönlich Profit zu schlagen, anstatt das Geld der Gemeinschaft der Linux-Entwickler zukommen zu lassen.
 
Geniatech-Chef Decker weist im Vorfeld darauf hin, wie kompliziert es sei, die Linux-Lizenz vollständig einzuhalten. So könne man in die Falle laufen, wenn bei der erforderlichen Veröffentlichung des Quellcodes und der Lizenzbestimmungen ein kleiner Formfehler passiere. An dem Linux-Projekt hätten über die Jahre hinweg rund 15 000 Programmierer mitgearbeitet. Das Risiko von teuren Abmahnungen sei unüberschaubar, wenn alle Entwickler rechtlich so behandelt würden, als seien sie der eigentliche Urheber von Linux. Dieser Status stehe aber alleine Linux-Erfinder Linus Torvalds zu. Deshalb könne der Linux-Bearbeiter McHardy auch gar nicht klagen, lautet ein Argument.
 
McHardy hat der Firma nach eigenen Angaben einen außergerichtlichen Vergleich angeboten. Er habe aber nie eine Antwort erhalten. Geniatech-Chef Decker sagt, er wolle den Fall nun durchziehen. „Ich will Ruhe im Karton.“

[Christoph Dernbach]

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15 Kommentare im Forum
  1. Ich finde es traurig, dass Einzelpersonen gegen Firmen klagen müssen, anstatt das eine Free Software Stiftung wie z.B. die FSF oder ähnliche schon längst gemacht hätten. Die Firma im Beitrag ist ja kein Einzelfall und so wie ich aus dem Text lese, wurde die Firma, wie üblich, zuerst außergerichtlich dazu aufgefordert, den Quelltext offenzulegen. Die GPL ist nun wirklich kein Hexenwerk (von wegen komplizierte Lizenzbedingungen) und Verstöße dagegen werden leider viel zu selten verfolgt.
  2. Die Firma hat aber nach Ansprache sofort reagiert, und die Quellen öffentlich gemacht, wenn man den Artikel liest. Im Prinzip sind solche Schludrigkeiten natürlich in der Regel Absicht. Man möchte nämlich nicht, dass Kopien seiner Geräte schon auf dem Markt sind, bevor man mit der Softwareentwicklung fertig ist.... deshalb lässt man sich mit der Veröffentlichung machmal zumindest ein wenig Zeit ... In der Regel werden schon Quellen veröffentlicht. Ob diese wirklich immer dem aktuellsten auf den Geräten installiertem Stand entsprechen, ist natürlich die Frage ... Und dass die GPL in der Praxis kein Hexenwerk ist, finde ich nicht ... insbesondere, wenn man z. B. mitgelieferten hardwarenahen Quellcode eines Chip-Herstellers integrieren muss, der einer anderen Lizenz hat, oder sogar unter NDA steht ... Bei Gerätefirmware und Treiberentwicklung steckt man da manches Mal in einer ziemlichen Zwickmühle ...
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