
Die Grundverschlüsselung der privaten Free-TV-Sender in den digitalen Kabelnetzen wird seit einigen Wochen wieder heftig diskutiert. DIGITALFERNSEHEN.de sprach mit VZBV-Referent Michael Bobrowski über die Unterschiede zwischen Pay- und Free-TV, die Rechte der Zuschauer und die fragwürdigen Argumente der Kabelnetzbetreiber.
Herr Bobrowski, gegenüber der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sprachen Sie im Zusammenhang mit der Grundverschlüsselung vom „gläsernen Fernsehkunden“. Können Sie dies und vor allem die Gefahren, die für den Kunden damit verbunden sind, näher ausführen?
Michael Bobrowski: Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat ebenso wie die Datenschutzbeauftragten bereits sehr früh vor den Gefahren für den Schutz der Privatsphäre, die mit dem Ende einer anonymen TV-Nutzung verbunden sind, gewarnt. Eine kostenpflichtige Entschlüsselung des TV-Signals ist nur mit personenbezogenen Smartcards möglich. Das gilt für „echtes“ Pay-TV, aber auch für werbefinanziertes verschlüsseltes Free-TV. Darüber hinaus bestünde mit der Einrichtung eines Rückkanals bei der kabelgebundenen TV-Versorgung grundsätzlich die Möglichkeit, Daten vom Endgerät des Kunden zu sammeln und gegebenenfalls hinsichtlich des Nutzerverhaltens auszuwerten. Dass ein solches Szenario durchaus realistisch ist, beweist die Deutsche Telekom AG im Rahmen ihres TV-Angebots „Entertain“: Sofern der Entertain-Nutzer nicht ausdrücklich widersprochen hat, wertet die Deutsche Telekom seit Mitte Juli anhand der erhobenen Daten unter anderem aus, wann er welchen Dienst genutzt hat und welche Programme von ihm aufgezeichnet wurden.
Glauben Sie, dass das Fortbestehen der Grundverschlüsselung auf längere Sicht weitere Reglementierungen für die Fernsehkunden nach sich ziehen wird?
Bobrowski: Sollten Sender und Netzbetreiber weiterhin an der Grundverschlüsselung festhalten, wird der Fernsehnutzer mehr und mehr die Kontrolle über seine Rechte und gegebenenfalls auch den freien Zugang verliert. Das wird bei werbefinanziertem HD-TV besonders deutlich, wo schon die Hollywood-Studios mittels weitreichender Kopierschutzforderungen und restriktiver Digitaler Rechtmanagementsysteme mitbestimmen, was der Fernsehzuschauer mit den Programmen machen oder nicht machen darf, bis hin zu einem etwaigen Ausschluss analoger VCR-Aufnahmen.
Gemäß Ihrer Aussagen ist die Grundverschlüsselung nicht vereinbar mit dem Rundfunkstaatsvertrag, da dieser abgesehen von den Pay-TV-Anbietern auch die privaten Rundfunkanbieter zur freien und öffentlichen Meinungsbildung verpflichtet. Kann eine klare Abgrenzung zwischen Pay- und Free-TV in diesem Zusammenhang überhaupt noch getroffen werden?
Bobrowski: Es trifft zu, dass der Rundfunkstaatsvertrag hinsichtlich der Verschlüsselung keine Unterscheidung zwischen Free-TV und Pay TV macht. In der derzeitige Diskussion über das Für und Wider der Grundverschlüsselung beschränkt der Verbraucherzentrale Bundesverband seine Ablehnung dennoch auf ansonsten frei empfangbare werbefinanzierte TV-Vollprogramme im Sinne der Definition des Rundfunkstaatsvertrages.
Wie begegnen Sie dem Argument von Kabel Deutschland, die Grundverschlüsselung würde die Programminhalte der Sender vor Piraterie schützen und dem Jugendschutz dienen?
Bobrowski: Das Argument der Kabel Deutschland GmbH ist nach Auffassung des Verbraucherzentrale Bundesverbands ein vorgeschobenes. Wäre die Grundverschlüsselung im Fernsehen tatsächlich das probate Mittel gegen Programm- beziehungsweise Filmpiraterie, ist es vollkommen unverständlich, dass seit Jahren dieselben Programme im Netz der Kabel BW unverschlüsselt angeboten wurden und noch werden. Nicht nachvollziehbar ist in dem Zusammenhang auch, dass werbefinanzierte TV-Programme in digitaler SD-Qualität im Netz der KGD grundverschlüsselt daherkommen, während dieselben Programme den Satellitenhaushalten unverschlüsselt zur Verfügung gestellt werden. Den Jugendschutz kann man im Übrigen effektiver über andere Maßnahmen sicherstellen, zum Beispiel durch spätere Ausstrahlung oder wirksame Altersverifikationssysteme.
Im Grunde genommen geht es Sendern und Netzbetreibern bei der entgeltbezogenen Grundverschlüsselung doch nur darum, eine zusätzliche Einnahmequelle zu schaffen. Das sollten sie es dann aber auch offen kommunizieren.
Auch im Hinblick auf den digitalen Umstieg beim Kabelfernsehen wird eine Abschaffung der Grundverschlüsselung von immer mehr Seiten gefordert. Welche Möglichkeiten sehen Sie, Druck auf die Kabelnetzbetreiber auszuüben, um diese zu einem Einlenken zu bewegen?
Bobrowski: Der Verbraucherzentrale Bundesverband würde es begrüßen, wenn sich die Rundfunkpolitik, die seit Jahren für eine schnelle Digitalisierung der Kabelhaushalte plädiert, der gemeinsamen Forderung der Verbraucherverbände, der Wohnungswirtschaft und des Deutschen Mieterbundes nach Aufgabe der Grundverschlüsselung anschließen würde. Das würde der Forderung noch mehr Gewicht geben. Ansonsten erhoffen wir uns, dass die Grundverschlüsselung im Fall einer kartellrechtlichen Genehmigung der beabsichtigten Übernahme der Telecolumbus durch die KDG vom Bundeskartellamt genauso zu Fall gebracht werden wird wie im Fall der Übernahme der Kabel BW durch Libertymedia.
Vielen Dank für das Gespräch!
[ps]
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