
Karlsbad – Der ProSiebenSat.1-Abschied von der HDTV-Ausstrahlung zieht weite Kreise. Als zweiter Hersteller hat sich der Geschäftsführer von Vantage Digital, Steven Enseroth, gegenüber DIGITAL FERNSEHEN geäußert.
DIGITAL FERNSEHEN: Herr Enseroth, wie haben Sie die Entscheidung von ProSiebenSat.1 aufgenommen?
Steven Enseroth: Das ist natürlich sehr schlecht zu diesem Zeitpunkt, damit ist das frei empfangbarehochauflösende Fernsehen quasi tot, abgesehen von Anixe HD. Diese Entscheidung von ProSiebenSat.1 ist ein großer Schritt zurück, nicht nach vorn.
DF: Ist dieser Rückzug aus ihrer Sicht nachvollziehbar?
Enseroth: Überhaupt nicht. Das wäre genau dasselbe, wenn wir jetzt nach einer HDTV-Box wieder mit der Entwicklung eines Analogreceivers beginnen würden.
DF: Was bedeutet das für die Entwicklung von HDTV in Deutschland?
Enseroth: Viele Kunden werden jetzt erst einmal abgeschreckt sein und weder in einen „HD ready“-Fernseher oder einen HDTV-Receiver investieren. Besonders nach dem Aus der HD DVD könnte das die zweite schlechte Nachricht für Käufer sein. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige Endkunden jetzt sehr verunsichert sind und sich fragen, ob HDTV überhaupt eine Zukunft hat.
DF: Sehen Sie jetzt ARD und ZDF noch stärker in der Pflicht?
Enseroth: Generell sollten ARD und ZDF mit ihren Gebührengeldern Vorreiter in Sachen HDTV sein. Es hat dem Markt nicht gut getan, dass sie zur WM keine Partien hochauflösenden übertragen haben, und auch zur EM sind keine HDTV-Übertragungen angesetzt. Wenn ARD und ZDF früher auf HDTV gesetzt hätten, dann wäre es wahrscheinlich nicht zur Einstellung der HD-Sender von ProSiebenSat.1 gekommen.
DF: Lange Zeit argumentierten die Sender, dass es nicht genügend HDTV-Receiver zum Empfang der hochauflösenden Programme gab.
Enseroth: Daran kann es nicht liegen. Wir von Vantage haben ja allein schon vier verschiedene Geräte für jede Empfangsart im Angebot und entwickeln gerade ein Twin-Tuner-Gerät. Und so wie wir hat doch heute jeder große Hersteller zwischen einem und drei HDTV-Receiver am Markt. Nein, es mangelt an den Inhalten. Abgesehen davon ist das Argument mehr als scheinheilig.
DF: Wieso, was werfen Sie den Sendern vor?
Enseroth: Auf der einen Seite werfen die Privatsender uns vor, dass es zu wenige Receiver im Markt gibt. Dann setzen sie uns aber die VG Media ins Kreuz…
DF: …die von ProSiebenSat.1 und RTL zu gleichen Teilen betrieben wird und neuerdings für die Nutzung der EPG-Daten drei Euro pro Receiver von den Herstellern verlangt.
Enseroth: Damit entstehen uns nur zusätzliche Kosten, die Boxen werden für die Endkunden teurer. Das beißt sich doch mit dem Vorwurf, dass nicht genügend Receiver im Markt sind.
DF: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Sendern?
Enseroth: Es gibt so gut wie gar keine Zusammenarbeit. Die meisten unserer Anfragen bleiben unbeantwortet oder werden nicht ernst genommen. Technische Hilfe gibt es gar nicht. Wir haben den Endruck, dass die kein Interessen daran haben, mit uns als Hardware-Hersteller zusammenzuarbeiten.
DF: ProSiebenSat.1 ist der Meinung, dass den deutschen TV-Haushalten mit der Umstellung auf 16:9 mehr geholfen ist. Können Sie das Argument nachvollziehen?
Enseroth: Nein, das kann doch keine Begründung sein. Ich sehe die Aufgabe von HD für 16:9 nicht als Schritt in die Zukunft, HDTV war der Schritt in die Zukunft. Das ist definitiv ein Schritt zurück. Man muss an die vielen Haushalte denken, die bereits moderne „HD ready“-Flachbildfernseher gekauft haben. 16:9 gibt es doch bereits seit zehn Jahren.
DF: Herr Enseroth, vielen Dank für das Gespräch.[lf]
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