Der US-Präsidentenwahlkampf könnte bald um eine Absurdität reicher sein. Der TV-Komiker Stephen Colbert spielt öffentlich mit dem Gedanken einer Kandidatur ums Weiße Haus – als Pseudo-Republikaner.
Vor gut 30 Jahren zog Hollywood-Schauspieler Ronald Reagan als US-Präsident in das Weiße Haus ein. Jetzt schickt sich ein Fernseh-Komiker an, dem Republikaner nachzufolgen. Stephen Colbert, geistreicher Satiriker mit erfolgreicher Late-Night-Show, will die Absurditäten des laufenden Präsidentschaftswahlkampfes offenbar nicht mehr nur in Witzen darstellen, sondern mit einer eigenen Kandidatur auf die Spitze treiben. Noch wirken seine politischen Gehversuche wie ein PR-Gag. Wahlkampf-Beobachter in den USA registrieren seine Schritte aber ganz genau.
So schaffte es der 47-Jährige auf Titelseiten, als er vergangene Woche seine Pläne für eine Teilnahme an den US-Vorwahlen verkündete. „Präsident der Vereinigten Staaten von South Carolina“ wolle er werden, wo die Republikaner am kommenden Samstag bei einer Primary ihren Kandidaten fürs Weiße Haus bestimmen. Die Wähler dort riefen nach einem Mann, „der die frühere Größe unserer Nation wieder zu ihrer jetzigen Perfektion macht“, ließ er in seiner bombastischen Ankündigung ganz im amerikanischen Politikstil wissen. Rings um ihn rieselte der Konfetti in den Nationalfarben rot, weiß und blau.
Colbert ist eigentlich nur ein „Ziehsohn“ des ungleich bekannteren Komikers Jon Stewart. Während der für seine als Nachrichtensendung getarnte Unterhaltungsshow eine Auszeichnung nach der anderen gewinnt, führt Colbert mit seiner eine halbe Stunde später laufenden bitterbösen Satiresendung vergleichsweise ein Schattendasein. Doch indem er unbarmherzig wie klug das politische System der USA ins Lächerliche zieht, hat er sich eine beachtliche Fangemeinde aufgebaut.
Sein Rezept: Abend für Abend schlüpft er in die Rolle seines gleichnamigen Alter-Egos, einem ultrakonservativen Republikaner, der sein Land von Sozialschmarotzern, Immigranten und am liebsten gleich allen Demokraten befreien will. „Wenn unsere Gründungsväter gewollt hätten, dass wir uns um den Rest der Welt kümmern, dann hätten sie nicht ihre Unabhängigkeit von ihr erklärt“, lautet eine der Formeln, die er seiner arroganten Kunstfigur in den Mund legt. Übertreibungen wie diese sollen extreme republikanische Ideen ad absurdum führen.
Vor Monaten schon hatte Colbert eine Organisation aufgebaut, die Spenden für den Wahlkampf sammelt. Am Donnerstag dann übertrug er die „gewaltigen Finanzmittel“ des „Colbert Super PAC“ (Political Action Committee, politisches Aktionskomitee) auf Stewart, um sich als möglicher Kandidat von der Gruppe unterstützen lassen zu können.
Allein schon das war Satire pur – ein Fingerzeig auf das komplexe Wahlkampfspenden-System in den USA. Die Lobbyisten-PACs dürfen unbegrenzt Geld sammeln und damit Wahlwerbung für ihren Kandidaten bezahlen. Sie dürfen diese nur nicht mit ihrem Schützling absprechen. So benannte Stewart die Gruppe als erstes kurzerhand in „Definitiv nicht mit Stephen Colbert koordiniertes Super PAC“ um.
Witzkandidaten sind keine Neuheit in den USA, aber so nah an einem richtigen Wahlkampf mit allen Voraussetzungen war wohl kaum jemand von ihnen. „Es ist bizarr“, sagte Stewart jüngst in einem Bericht des Magazins der „New York Times“ über Colberts wirksames Rollenspiel. „Hier ist diese fiktionale Figur, die plötzlich in der echten Welt mitmischt.“
Tatsächlich schaffte es Colbert sogar schon als Zeuge in eine Anhörung des US-Kongresses, wo er zur illegalen Einwanderung befragt wurde. Er hatte sich für einen Sketch als mexikanischer Tagelöhner ausgegeben. Und im Oktober 2010 stellte das Duo des Fernsehsenders Comedy Central eine Kundgebung mit rund 200 000 Amerikanern in der Hauptstadt Washington auf die Beine. Am Ende eines der erbittertsten Kongress-Wahlkämpfe in der US-Geschichte demonstrierten sie gemeinsam für Vernunft und Toleranz.
Wer Colbert und Stewart heute nur als Komiker sehen würde, mache daher einen Fehler, meint Bob Thompson, ein auf Popkultur spezialisierter Professor der Syracuse University in New York. Sie seien „öffentliche Intellektuelle mit großem Wert“, sagte Thompson. „Ihre Komik ist zu einem trojanischen Pferd geworden, mit dem sie komplexe Analysen des politischen System einschmuggeln. Ihre politische Satire ist letztlich sehr ernst.“
Ob sie auch den laufenden US-Wahlkampf durcheinanderwirbeln können, dürfte sich in den kommenden Wochen zeigen. In South Carolina jedenfalls seien bereits die ersten Werbeplätze für den Kandidaten Colbert im TV gebucht worden, berichtete der Fernsehsender ABC. [Andy Goldberg/Marco Mierke]
Bildquelle:
- Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com