Nachdem ACTA seit Mittwoch nun endgültig vom Tisch ist, wird bereits ein neues Regelwerk zum Urheberrecht diskutiert. Um dabei aber tatsächlich Fortschritte machen zu können, müssten die Debatten auf höherem Niveau geführt werden, fordert Rechtsexperte Thomas Hoeren.
ACTA ist abgehakt, doch in der EU steht bereits die nächste Debatte zum Urheberrecht an. Die Europäische Kommission überarbeitet derzeit eine Richtlinie zum Schutz immaterieller Güter, die ähnliche Fragen wie das umstrittene Abkommen aufwirft. Dieses unter der Abkürzung IPRED bekannte Regelwerk enthalte ebenfalls „scharfe Maßnahmen“, sagte Prof. Thomas Hoeren, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster, der Nachrichtenagentur dpa. „Seit ein paar Wochen verlagert sich die Diskussion von ACTA zu IPRED“, sagte der Jurist.
Hoeren beklagte das schwache Niveau der Debatte. Derzeit gebe es in Deutschland „zwei Parallelwelten“: Laut hörbar seien die Vertreter von Extrempositionen, die entweder eine Abschaffung des Urheberrechts forderten oder das Internet verteufelten und „eigenartige Pamphlete veröffentlichen“. Dagegen werde die Fachdiskussion wenig beachtet. „Auf diesem Niveau kann es nicht weitergehen“, sagte der ehemalige Richter. Im Urheberrecht gebe es keine einfachen Schwarz-Weiß-Lösungen.
Hoeren sieht mehrere ungelöste Fragen. Wie weit sollten die Auskunftsansprüche der Musik- und Filmindustrie reichen, wenn Nutzer illegale Kopien im Netz verbreiten? Sollte man die Sanktionen für Piraterie erhöhen? Wie hilfreich sind Warnhinweise, um Nutzer vom illegalen Kopieren abzuhalten? Und wie weit reicht das Recht auf Privatkopien im Internet? Europa müsse zudem die grassierende Piraterie in China durch völkerrechtliche Verträge eindämmen, etwa über die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO), forderte Hoeren.
„Ich habe die Befürchtung, dass die Diskussion weiter so verläuft wie bei ACTA“, sagte Hoeren. Immerhin sieht er Hoffnungszeichen für mehr Sachlichkeit: Die Unionsfraktion im Bundestag habe ein differenziertes Papier vorgelegt, während die Piratenpartei ein ernsthaftes Gespräch mit den Verlegern suche. [Christof Kerkmann/fm]
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