Das umstrittene Abkommen zur besseren internationalen Durchsetzung des Urheberrechts ist endgültig vom Tisch. Die Abgeordneten des EU-Parlaments haben sich mit großer Mehrheit gegen das Vertragswerk ACTA ausgesprochen. Damit kann das Abkommen in der EU nicht in Kraft treten.
Das Urteil über das umstrittene Urheberrechtsabkommen ist gefallen: In der am heutigen Mittwoch (4. Juli) durchgeführten Abstimmung im EU-Parlament sprach sich die überwiegende Mehrzahl der Abgeordneten gegen ACTA aus. Den 478 Gegenstimmen standen lediglich 39 Stimmen für das Vertragswerk gegenüber. 165 Abgeornete enthielten sich ihrer Stimme. Zudem stellte die EU-Kommission bereits klar, dass es für das Abkommen in seiner jetzigen Form keinen zweiten Anlauf geben wird. Vor weiteren Entscheidungen will die EU-Kommission das Gutachten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) abwarten.
Die Entscheidung der EU-Kommission kam keineswegs unerwartet. Bereits im Vorfeld hatte sich das Scheitern des internationalen Vertrags abgezeichnet. Nach zahlreichen Bürgerprotesten hatten auch einzelne Politiker eine zunehmend kritische Haltung zu ACTA eingenommen. So hatte EU-Kommissarin Nelli Kroes das Abkommen bereits vorzeitig für Tod erklärt. Zuletzt wehte dem umstrittenen Vertrag auch aus Straßburg immer kälterer Wind entgegen. In allen fünf EU-Ausschüssen, in denen ACTA zur vorherigen Abstimmung vorgelegt wurde, verweigerten die Abgeordneten dem Vertragswerk ihre Zustimmung.
Die Netzaktivisten aber haben den Erfolg ihrer Kampagne am Mittwoch begeistert gefeiert. „Es ist eine europäische Öffentlichkeit für digitale Grundrechte entstanden, die zu einem Machtfaktor in Brüssel und Straßburg geworden ist“, sagte Markus Beckedahl, der als Vorsitzender des Vereins Digitale Gesellschaft die Proteste mit organisiert hat.
Auch der Eco-Verband der Internetwirtschaft begrüßte die Entscheidung des Parlaments. „Die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Internet, wie ACTA sie vorsieht, ist nach unserer Auffassung nicht vertretbar“, so Eco-Vorstandsmitglied Oliver Süme. Sie rufe Verfahren abseits „jeder rechtsstaatlichen Norm und gerichtlichen Kontrolle“ hervor und könne sich insbesondere in Deutschland nachhaltig auf die Entwicklung der Internetbranche auswirken. ACTA sehe vor, dass Staaten bei vermuteten Rechtsbrüchen auch über die Landesgrenzen hinaus aktiv werden.
„Die Internet-Service-Provider, also Privatunternehmen, könnten dadurch dazu gedrängt werden, jenseits von Datenschutz und rechtsstaatlichen Prinzipien die Rechteverfolgung zu übernehmen – ohne gerichtliche Kontrolle und allein aufgrund von Hinweisen der Rechteinhaber“. Damit gefährde das Abkommen die Neutralität gegenüber Inhalten.
Der außenhandelspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Daniel Caspary (CDU) bedauerte dagegen die Entscheidung des Parlaments. Statt ACTA komplett abzulehnen, hätte man besser die Stellungnahme des EuGH abwarten sollen. «Wir brauchen eine Klärung der Rolle von Internet Service Providern sowie eine bessere Definition von Urheberrechtsverstößen im Internet», sagte Caspary. Das hätte der EuGH geleistet.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat Verständnis für die Ablehnung. „Dieses Übereinkommen ist leider im Bereich der Urheberrechte, (…)sehr, sehr unbestimmt, sehr schwammig formuliert“, erklärte die Ministerin am Mittwoch imARD-„Morgenmagazin“. Daher hatte sie sich bereits Mitte Juni dafürausgesprochen, die umstrittenen Klauseln des Urheberrechts bei derVerabschiedung von ACTA auszuklammern. Es wäre von vornherein bessergewesen, „Marken und Patente von der Frage des Urheberrechts zutrennen“, denn solang das Urheberrecht-Problem ungelöst bleibe, könntenauch die anderen Punkte aus dem Abkommen nicht verabschiedet werden.
Nach dem Urteil aus Straßburg kündigte die Bundesregierung bereits an, zumindest Teile des Vertragswerks retten zu wollen. Auch wenn es über das Urheberrecht keine Einigung gebe, könne man nun über die Bereiche Produkt- und Markenpiraterie separat verhandeln. „Es muss ein neues Verfahren in Gang gesetzt werden, wo diese Probleme auf den Tisch kommen.“, sagte eine Sprecherin der Justizministerin. [fm/dpa]
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