Auch nach sechs Monaten der Suche hat Microsoft bisher keinen neuen Chef gefunden. Nach mehreren Absagen gilt nun ein interner Kandidat als Favorit. Doch auch Gründer Bill Gates könnte für große Veränderungen sorgen, denn er erwägt offenbar, seinen einflussreichen Posten im Verwaltungsrat aufzugeben.
Microsoft dürfte laut Medienberichten in der kommenden Woche den Chefposten neu besetzen. Nach knapp einem halben Jahr intensiver Suche sei mit dem derzeit für das Firmen- und Cloud-Geschäft zuständigen Manager Satya Nadella ein Firmen-Insider der erfolgreichste Kandidat, berichteten das „Wall Street Journal“ und die Finanznachrichtenagentur Bloomberg in der Nacht zum Freitag. Zugleich könne Gründer Bill Gates den Vorsitz im Verwaltungsrat aufgeben, hieß es unter Berufung auf informierte Personen. Dem neuen Microsoft-Chef würde das deutlich mehr Gestaltungsspielraum schaffen.
Gates hatte sich zwar schon vor Jahren aus dem aktuellen Tagesgeschäft zurückgezogen und widmet sich über seine Stiftung hauptsächlich dem Kampf gegen Krankheiten weltweit. Dennoch ist er in seiner Funktion bei Microsoft einflussreicher Chefkontrolleur geblieben. Diese Stellung des Unternehmens-Mitbegründers dürfte die Suche nach einem neuen Kopf an der Spitze auch zusätzlich erschwert haben, denn es würde den Gestaltungsspielraum des neuen Chefs deutlich einschränken, vermuten Branchenbeobachter. Die Pläne für einen Rückzug seien aber noch nicht endgültig, hieß es einschränkend. Microsoft selbst äußerte sich nicht.
Nadella ist seit 1992 für Microsoft tätig, nach außen hin bislang allerdings nur wenig sichtbar gewesen. Er führt neben dem Firmenkunden- auch das zukunftsträchtige und für Microsoft besonders wichtige Cloud-Geschäft mit Diensten aus dem Netz. In dem Geschäftsbereich verdoppelte Microsoft zuletzt den Umsatz im Jahresvergleich. Den Berichten zufolge könnte ihm Verwaltungsratsmitglied John Thompson als Gates-Nachfolger und Wallstreet-Berater an die Seite gestellt werden. Thompson war Chef des Antiviren-Spezialisten Symantec und leitet die Suche nach einem Nachfolger von Ballmer.
Auch die gewöhnlich gut informierte Technologie-Journalistin Kara Swisher berichtete im Blog „Recode“, Nadella würden derzeit Microsoft-intern die besten Chancen auf den Chefposten eingeräumt. Langjährige Kenntnisse des Unternehmens als Insider sowie ein fundiertes technologisches Wissen würden ihn zum aussichtsreichen Kandidaten machen. In der kommenden nächste Woche könne die Personalie verkündet werden, schrieb Swisher. Zuletzt sei es verdächtig still um mögliche Kandidaten gewesen. Der langjährige Amtsinhaber Steve Ballmer hatte Ende August seinen Rückzug binnen zwölf Monaten angekündigt.
Seit die Suche läuft, waren unter anderem Ford-Chef Alan Mulally und Ericsson-Chef Hans Vestberg als mögliche Kandidaten gehandelt worden. Sie bleiben aber bei ihren Unternehmen. Beim Chipkonzern Qualcomm rückte der Manager Steve Mollenkopf an die Firmenspitze vor, nachdem sein Name im Zusammenhang mit dem Microsoft-Chefposten fiel. Nadella galt von Anfang an als ein möglicher interner Kandidat neben dem früheren Nokia-Chef Stephen Elop und dem einstigen Skype-Chef Tony Bates.
Microsoft steht vor großen Herausforderungen: Das PC-Geschäft, in dem das Unternehmen mit seinem Windows-Betriebssystem eine zentrale Rolle spielt, schrumpft. Auch der Handel mit Software hat sich mit der Cloud grundlegend gewandelt. Inzwischen bietet auch Microsoft Software und Dienstleistungen zunehmend über die Cloud an – mit wachsendem Erfolg. Nach seiner Spielekonsole Xbox will Microsoft auch mit dem Tablet Surface mit eigener Hardware zum Komplettanbieter werden. Zuletzt übernahm der Softwarekonzern das Handy-Geschäft von Nokia und will künftig eigene Smartphones mit seinem Betriebssystem anbieten. [dpa/fm]
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