Für die aktuelle TV-Saison hatte sich die ARD viel vorgenommen. Mit neuen Formaten und neuen Gesichtern wollte man frischen Wind in das Programm des öffentlich-rechtlichen Senders bringen. Sogar die Marktführerschaft wurde angepeilt. Große Ziele, nur funktioniert hat es bisher nicht.
Mit Thomas Gottschalk und Kai Pflaume, mit Krimis und Talkshows wollte die ARD ihr Hauptprogramm das Erste kräftig aufmöbeln. Doch die Bilanz fällt nach einem Dreivierteljahr eher mäßig aus. Die Neuerungen sind an einem Großteil des Publikums vorbeigegangen, die Marktanteile sind nicht zufriedenstellend. Gegenwärtig liegt das Erste bei 11,9 Prozent und liegt damit hinter RTL (13,1 Prozent) und dem ZDF (12,3 Prozent) nur auf Platz drei. Der Wunsch von der Marktführerschaft, den Programmdirektor Volker Herres noch vor anderthalb Jahren für 2012 hegte, ist kaum noch zu erfüllen, auch wenn die anstehende Fußball-EM der ARD gute Quoten bringen wird.
Der Vorabend ist bei der ARD förmlich implodiert. Die Krimiserien in der Reihe „Heiter bis tödlich“ und Pflaumes Freitagsshow „Drei bei Kai“ sind durchweg „Underperformer“ und liegen unter der Zehn-Prozent-Marke. Die Show „Gottschalk Live“ entwickelte sich zur absoluten Enttäuschung und sackte am Anfang dieser Woche mit 690 000 Zuschauern auf einen neuen Tiefpunkt. „Was Thomas Gottschalk angeht: Seine Popularität ist, denke ich, ungebrochen», sagt Herres. Aber: „Bei seinem Vorabend-Experiment ist einfach zu Vieles schief gelaufen, wurde zu sehr on-air ausprobiert.“ Gottschalk hatte jüngst beklagt, er habe Gäste einladen müssen, die nicht in seinem Sinn gewesen seien.
Die Neuordnung der Talkshows am späten Abend hat der ARD nicht unbedingt die besten Erfahrungen beschert: Der Einkauf von Günther Jauch als neuer Sonntagabendtalker fiel spektakulär aus, vergleichbar dem Wechsel von Torwart Manuel Neuer von Schalke 04 zu Bayern München. Die Quote des Sonntagabendtalks bewegt sich jedoch im Vergleich zu Anne Wills Vorläufer-Format in derselben Größenordnung.
Reinhold Beckmann musste auf seinem neuen Sendeplatz am Donnerstagabend starke Einbußen hinnehmen. Wird einer der fünf Talks nun fallen? „Unsere Gesprächssendungen sind erfolgreich und mit allen Moderatoren haben wir laufende Verträge“, sagt Herres. „An Spekulationen, was die Zukunft hier bringen wird, will ich mich nicht beteiligen.“
Schleichend hat sich auch der Donnerstagabend zur Problemzone entwickelt, denn nur noch wenige Shows erreichen das Quoten-Niveau, das einst Jörg Pilawa mit sechs bis sieben Millionen Zuschauern vor seinem Wechsel zum ZDF schaffte. Neuzugang Matthias Opdenhövel schlug mit rund 3,2 und 2,6 Millionen Zuschauern bei seinen ersten beiden Shows hart auf dem Boden der Tatsachen auf.
„Matthias Opdenhövel ist ein echter Gewinn für Das Erste und hat das auf verschiedenen Sendeplätzen in verschiedenen Formaten unter Beweis gestellt“, sagt Herres, der noch einräumt: „Unterhaltungssendungen tun sich derzeit gegen starke fiktionale Konkurrenz schwer und da ist bei uns besonders der Donnerstagabend betroffen.“ Auch der Grand-Prix-Vorentscheid und „Der Echo“ seien enttäuschend verlaufen.
Und was ist jetzt mit der angepeilten Marktführerschaft? „Das Erste ist Marktführer in der Primetime von 20.00 bis 23.00 Uhr, also der zuschauerstärksten Zeit des Tages“, sagt Herres. „Und das Erste ist, ganz gleich wer die entsprechende Umfrage in Auftrag gibt, nach wie vor das unverzichtbarste Programm für das Fernsehpublikum. Mit diesen beiden Titeln kann die ARD sehr gut leben. Das Triple streben wir nicht mit Gewalt an, aber wir wollen weiter vorn mitspielen – vor allem in der Qualität.“ Und dabei setzt Herres vor allem auf altbekannte Formate: die „Tagesschau“, den „Tatort“-Krimi. Hoffnungsträger sind aber auch Neuerfindungen wie die „Markenchecks“ am Montag.
Die Hoffnung stirbt zuletzt: Mit Sicherheit wird die Fußball-EM dem Ersten wieder Zuwachs bescheren, auch wenn es sich beim Sport nicht um selbst geschöpfte TV-Formate handelt. Ein Trost dürfte auch sein, dass Marktführer RTL seit einiger Zeit schwächelt. [Carsten Rave/fm]
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