Beanstandung, Untersagung, Lizenzentzug: Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) hat diverse Mittel, um Programmveranstalter dazu zu bringen, den Rundfunkstaatsvertrag einzuhalten. Gerade die jüngsten „Respektlosigkeiten“ unter anderem von Das Vierte und Sport1 lassen das Gremium jedoch machtlos erscheinen – oder trügt der Schein?
„Die Programmveranstalter nehmen Beanstandungen und Ordnungswidrigkeitenverfahren durchaus ernst“, versichert ZAK-Sprecherin Frederike Grothe gegenüber DIGITALFERSEHEN.de. Dies würden unter anderem die zahlreichen Fälle zeigen, in denen Rechtsmittel eingelegt werden. So hat jüngst Sport1 Klage am Verwaltungsgericht München gegen die zuständige Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) erhoben und eine Beanstandung eingereicht (DIGITALFERNSEHEN.de berichtete). Grund: Der Glücksspiel-Staatsvertrag.
Verstöße gegen das Werbeverbot für Glücksspiel verlieren derzeit in der öffentlichen Diskussion nicht an Brisanz. So hatte sich der TV-Sender Das Vierte erst in der vergangenen Woche gegen die Beanstandung der ZAK hinweggesetzt und geplant, die SKL-Show „Tag des Glücks“ trotz Verbot auszustrahlen. Auch Sport1 sendet trotz Untersagung weiter Werbung für den Sportwettenabieter „bet-at-home.com“ . Grund dafür ist die unterschiedliche Auslegung der EuGH-Rechtsprechung. So könne das geltende deutsche Recht auf Grund der Urteile des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr angewendet werden – sagen die Programmanbieter. Die ZAK sieht die geltenden Gesetze in Bezug auf Werbung für Glücksspiel jedoch nicht von der EuGH-Rechtsprechung beeinflusst.Konsequentes Handeln nicht wirkungslos
Dennoch sei die ZAK, die sich aus den gesetzlichen Vertretern (Direktoren, Präsidenten) der 14 Landesmedienanstalten zusammensetzt, nicht machtlos. Im Gegenteil: gerade ein ähnlich angelegtes Thema, nämlich die Gewinnspiele, würden belegen, dass „konsequentes Handeln nicht wirkungslos bleibt“, so Grothe. „Hier konnten Programmanbieter durch zahlreiche Beanstandungen und parallele Bußgeldverfahren dazu bewegt werden, die rechtlichen Vorgaben des Rundfunkstaatsvertrags und der Gewinnspielsatzung der Medienanstalten anzuerkennen“. Gleichzeitig werde damit im Dienste von Nutzerschutz und Transparenz sichergestellt, „dass die ausgestrahlten Gewinnspiele nachvollziehbaren und verständlichen Regeln folgen“.
Im vergangenen Jahr hatte die ZAK, die neben der Kontrolle bundesweiter Rundfunkveranstalter Fragen der Plattformregulierung sowie der Entwicklung des Digitalen Rundfunks bearbeitet, gerade mit diesem Thema zu kämpfen. So wurden die meisten der 51 Beanstandungen im Jahr 2010 wegen Verstößen gegen die Gewinnspielsatzung ausgesprochen. Ebenfalls häufig wurde im vergangenen Jahr gegen die Werbebestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages und hier vor allem gegen das Gebot der Trennung von Werbung und redaktionellem Inhalt sowie gegen die Kennzeichnungspflicht von Werbung verstoßen.
Dabei gehört es zu den Aufgaben der Landesmedienanstalten, Beschwerden nachzugehen und dann ein Verfahren bei der ZAK einzuleiten. Dabei ist es egal, wer die Beschwerden vorbringt. So würden sich regelmäßig auch „Bürger mit Programmbeschwerden bei den einzelnen Landesmedienanstalten oder auf der Webseite www.programmbeschwerde.de melden. Selbstverständlich, so Frederike Grothe, werde darüber hinaus auch die öffentliche Debatte in der Prüftätigkeit berücksichtigt.Maßnahmen gegen Verstöße
Viel Aufsehen erregte in diesem Jahr jedoch ein ganz anderer Fall, mit dem sich auch das Gremium zu beschäftigen hatte. Im Sommer war bekannt geworden, dass der Kölner Privatsender RTL sinnentfremdend zusammengeschnittenes Material ausgestrahlt und so falsche Tatsachen vorgetäuscht hatte.
Zur Erinnerung: Moderatorin Vera Int-Veen kümmerte sich in einer Folge der Reality-Show „Mietprellern auf der Spur“ um eine angeblich bettlägerige Frau, die mit ihrem 17-jährigen Sohn zusammen wohnt. Dieser besuchte eine Schule für geistig Behinderte. In der ausgestrahlten Sendung wird der Eindruck erweckt, als gebe der Junge sein Einverständnis, dass dieModeratorin in der Wohnung filmen darf. Später veröffentlichte Originalaufnahmender Dreharbeiten zu der am 4. Juli ausgestrahlten Sendung (4,4 Millionen Zuschauer) zeigten jedoch, dass die Aussagen des Jungen nicht korrekt zusammengeschnitten wurden und er nicht damit einverstanden war, dass in der Wohnung gefilmt wird. Die ZAK sprach gegen RTL eine Beanstandung aus.
Angesichts des groben Verstoßes gegen journalistische Grundsätze scheint dieses Urteil ausgesprochen mild. Doch es gibt einen klaren Grund für die Entscheidung des Gremiums. Denn die Ahndung von Verstößen liegt bestimmten Richtlinien zu Grunde. So gibt der Rundfunkstaatsvertrag als mögliche Sanktionen die Beanstandung, Untersagung sowie die Rücknahme oder Widerruf der Lizenz vor. „Zudem kann die ZAK Bußgelder in Höhe von bis zu 500 000 Euro verhängen“, erklärt ZAK-Sprecherin Grothe. Eine unmittelbare „Absetzung“ von Programmen kann die Kommission jedoch nicht veranlassen, denn das würde der Rundfunkfreiheit im Land widersprechen. Dennoch „kann erwirkt werden, dass sich die Veranstalter in ihren Programmen an die geltenden Gesetze halten“.
Dabei ist der Entzug der Lizenz das härteste Mittel und kann nur eingesetzt werden, „wenn alle anderen Möglichkeiten, einen Programmveranstalter zur Rechtstreue zu bewegen, nicht gefruchtet haben“.
Das bedeutet auch, dass der Veranstalter „wiederholt schwerwiegend gegen seine Verpflichtungen aufgrund des Rundfunkstaatsvertrages und des Jugendmedienschutzstaatsvertrages [verstößt]“ und „die Anweisungen der zuständigen Medienanstalt innerhalb des von ihr bestimmten Zeitraums nicht befolgt“ haben muss, um einen Lizenzentzug zu rechtfertigen. Natürlich kann die Sendegenehmigung auch dann entzogen bzw. widerrufen werden, wenn ein Veranstalter falsche Angaben beim Lizenzantrag gemacht hat oder wenn die Lizenzvoraussetzungen entfallen.
Ähnlich verhält es sich mit den Bußgeldverfahren. Der Rundfunkstaatsvertrag definiert, welche Verstöße als Ordnungswidrigkeiten eingestuft und mit einem Bußgeld belegt werden können. „Bei der erstmaligen Feststellung eines Verstoßes wird häufig zunächst nur eine Beanstandung ausgesprochen, aber noch kein Bußgeld verhängt“, erläutert die ZAK-Sprecherin.
Im Fall der „Mietpreller“-Folge ist ein derartiger Verstoß in diesem Sendungsformat zum ersten Mal beanstandet worden. Zudem hatte RTL sein Vergehen eingestanden und Konsequenzen für die Produktion der Sendung gezogen -die zuständige Produktionsfirma hat den Schnitttechniker entlassen. In den Augen des Gremiums hat „die Beanstandung folglich gewirkt und beugt der Wiederholung eines solchen Verstoßes vor“.
Dieses konkrete Beispiel ging jedoch über den rein medienrechtlichen Verstoß hinaus. So könnte Vera Int-Veen durchaus vorgeworfen werden, Hausfriedensbruch begangen zu haben. Zwar meldet die ZAK strafrechtlich relevant Fälle, „wie etwa pornographische Angebote im Rundfunk“, direkt an die Staatsanwaltschaft, doch könne andere Straftatbestände, wie in dem Fall der Hausfriedensbruch, nur verfolgt werden, wenn der oder die Betroffene Strafantrag stellt, so Frederike Grothe.
Ist die ZAK damit als Aufsichtsgremium über den privaten Rundfunk machtlos? Oder greift hier auch eine moralische Selbstkontrolle und -verpflichtung der Programmveranstalter mit der ZAK als Kontrollorgan?
Fest steht, dass die Kommission in Rahmen ihrer Befugnisse Verstöße gegen den Rundfunkstaatsvertrag sowie den Jugendmedienschutzstaatsvertrag ahndet und bestraft. Eine Ausweitung der Maßnahmen ist demnach nur möglich, wenn die Gesetze weitere Sanktionsmittel – oder möglicherweise weitere juristische Instanzen – vorsehen würden. Um härtere Strafen zu verwirklichen, müsste also der geltende Rundfunkstaatsvertrag, um die Gesetze erweitert werden. Eine solche Gesetzesänderung würde jedoch gleichzeitig die Frage der Rundfunkfreiheit und Zensur auf den Tisch bringen.
Womit erneut die Frage aufgeworfen werden kann: Ist die derzeitige Medienaufsicht eine effektive, wirkungsvolle Kontrollinstanz oder doch nur ein zahnloser Tiger?Thema des Monats: Medienaufsicht
Thema des Monats im Überblick
[Jana Skoupy]
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