Serien, welche in Übersee große Erfolge feiern, müssen nicht zwangsläufig auch in Deutschland hoch in der Gunst der Zuschauer stehen. Welche Überlegungen die Sender treffen, um schwächelnden Formaten auf die Sprünge zu helfen und wie sich die Konkurrenzsituation zwischen den TV-Anbietern gestaltet, beleuchtet DIGITALFERNSEHEN.de.
Natürlich befinden sich die verschiedenen Sender beim Erwerb von TV-Rechten neuer Serien in einer intensiven Konkurrenzsituation. Der Wettbewerb von Privatsendern und den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten nimmt dabei einen besonderen Platz ein, schließlich buhlen hier nicht zwei rein werbefinanzierte Anbieter um neue Produktionen, sondern gebührenfinanzierte Instanzen und Anbieter, welche sich durch Werbung und Abo-Gebühren unterhalten. Das finanzielle Missverhältnis schlägt sich auch Produkteinkäufe nieder.
Wie schwierig es ist, in Konkurrenz zu den Privaten die Rechte für internationale Filme und Serien zu erwerben, erläutert Agnes Toellner von der Programmdirektion des Ersten. Sie weist darauf hin, dass ein Großteil von Filmen und Serien nur unter sehr hohen Kosten zu erwerben ist. Zum einen, „da sie nicht frei beziehungsweise einzeln gehandelt werden, sondern in umfangreichen, so genannten Output-Deals“, und wie Toellner erklärt, das bereits häufig noch vor der eigentlichen Fertigstellung der Produktion. Zum anderen sind die Preise aufgrund der Konkurrenzsituation mit den kommerziellen Sendern in den vergangenen Jahrzehnten „überproportional stark gestiegen“, so Toellner weiter.
Zwar braucht das ZDF große, erfolgreiche Kinoproduktionen, wie Jörg Berendsmeier von der Pressestelle des ZDF betont, aber nicht „flächendeckend, sondern gut dosiert und konzentriert auf bestimmten Profil- oder Event-Terminen“. Das treffe auch auf US-Serien zu, vor allem in Hinblick auf den Digitalsender ZDFneo. „Für das ZDF besteht das Kunststück also darin, durch kleine Output-Deals mit US-Major-Studios Zugang zu ausgewählten Studio-Filmen und -Serien zu bekommen, ohne gleichzeitig so viele Produkte abnehmen zu müssen, wie in der ZDF-Familie weder inhaltlich noch mengenmäßig verwendbar wären“, umreißt er die Strategie des öffentlich-rechtlichen Senders.
Vor allem der digitale Ableger ZDFneo etabliere sich mehr und mehr als eigenständige Marke für Serienfans. „ZDFneo hat trotz oder gerade wegen seiner nicht flächendeckenden, sondern handverlesenen Beschaffung aus seinen internationalen Serien eine eigene Qualitätsmarke gemacht“, freut sich Berendsmeier entsprechend.„Konkurrenzbeobachtung findet immer statt“
Ist die teure Serienware einmal eingekauft, stellt sich natürlich die Frage, wann sie im Fernsehen zu sehen sein wird. Erneut spielt die Konkurrenzsituation der Sender eine nicht unerhebliche Rolle, denn bei der Programmplanung wird auch das Angebot der Mitbewerber berücksichtigt.
„Konkurrenzbeobachtung findet immer statt“, stellt Jens Berendsmeier klar. „Jeder einigermaßen wichtige Sendeplatz wird so bestückt, dass er zur Konkurrenz in einem wie auch immer gearteten Wettbewerbsverhältnis steht“. Ziel sei es, die verschiedenen Sehbedürfnisse der Zuschauer zu erkennen und abzudecken, um das größtmögliche Potential der sehbereiten Zuschauer für das ZDF zu gewinnen.
Die Berücksichtigung der Programmgestaltung der Konkurrenz fällt für die ARD unterschiedlich aus, da sich die Sender nicht immer in die Karten schauen lassen wollen. „Die Planungstransparenz der anderen Sender ist sehr unterschiedlich“, weiß Agnes Toellner und führt weiter aus, dass die Programmplanung anderer Sender aber mit in das eigene Sendeschema einfließt, insofern bekannt ist, was wann wo läuft.
„Wir schauen uns natürlich genau an, wie die Konkurrenz programmiert, sowohl im Free-TV als auch im Pay-TV“, bestätigt auch Mirjam Laux, Managing Director von Fox International Channels Germany. „Dabei versuchen wir unsere Themenabende komplementär zu den stärksten Programmierungen am Markt aufzustellen“. Zu kurzfristigen Verschiebungen der Sendeplätze aufgrund der Konkurrenz käme es beim Pay-TV und hier vor allem bei Serien aber kaum. Stattdessen verfolge Fox die Strategie, seine Serien abseits des Quotendrucks Zeit zur Entfaltung zu geben, um damit eine Stammseherschaft an die jeweilige Produktion und damit an den Sender zu binden.Keine Geheimformel für Erfolg
Bei Senderfamilien wie der ARD oder dem ZDF muss auch darüber entschieden werden, welche Serie auf welchem der eigenen Kanäle zu sehen sein wird. Bei der ARD legen die Programmdirektion und die in die Koordination Fernsehfilm eingegliederte ARD-Gemeinschaftsredaktion Serien sowie die einzelnen Rundfunkanstalten und ihre Produktions- und Lizenzkaufstochter Degeto fest, welches Format wo läuft.
Dass die Beschaffung von Serien und das Marketing der eingekauften Produktionen sich nicht zwangsläufig gegenseitig bedingen, darauf weist ZDF-Sprecher Jörg Berendsmeier hin. Das Einkaufsverfahren gestaltet sich aber ähnlich dem der ARD. Zunächst wählen die jeweiligen Fachredaktionen passende Formate aus. Anschließend wird die ZDF-Tochterfirma ZDF Enterprises mit dem Erwerb beauftragt. Mit dieser Struktur ist letztlich auch klar, welche Serie auf welchem Sender ihren Platz findet, nämlich bei dem Sender, der das Programm ausgewählt hat. Auch das Marketing hängt vom jeweiligen Sender ab. Für Kanäle mit einer jüngeren Zielgruppe, also die beiden Digitalkanäle ZDFneo und ZDFkultur, erfolge eine entsprechend anders ausgerichtete Bewerbung.
Für Fox gestaltet sich die Programmbeschaffung einfacher, da der Pay-TV-Sender nicht Teil einer Senderfamilie ist und damit gezielt Programme für seine Zielgruppe einkaufen kann, welche der Anbieter hauptsächlich in den serienbegeisterten 25- bis 49-Jährigen sieht. „Die Zuschauer sehen bei uns 250 Stunden deutsche Erstausstrahlungen im Jahr mit mindestens sechs Monaten Vorlauf vor dem Free-TV – wie das gesamte Programm immer auch in Originalfassung, ohne Werbeunterbrechungen und zu über 80 Prozenten in nativem HD“, benennt Laux die Vorzüge ihres Senders.
Landet ein US-Sender mit einer Serie einen Hit, weckt das natürlich besonders das Interesse der deutschen Programmanbieter. Allerdings bedeutet Erfolg nicht gleich Erfolg – einige Produktionen, die in den Staaten bestens funktionieren, lassen deutsche Zuschauer kalt. Eines der bekanntesten Beispiele dafür sind die „Sopranos“, die in den USA schnell eine große Fangemeinschaft vorweisen konnten, sich beim ZDF – nicht zuletzt auch dank undankbarer Sendezeiten – nie wirklich durchsetzen konnten.
So weiß auch die Fox-Sprecherin, dass der Erfolg von US-Serienhits in Deutschland schwer vorherzusagen ist. „Wenn es da eine Geheimformel geben würde, gäbe es mit Sicherheit nur erfolgreiche Titel im deutschen Fernsehen“, bestätigt Laux und führt weiter aus: „Die Resonanz hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, die teilweise gar nichts mit dem Inhalt zu tun haben“.
Dazu zählten zum Beispiel „der Sendeplatz, wie sehr die Serie zu einem Sender passt, die Marketing- und PR-Anstrengungen im Vorfeld, die Nachrichtenlage, das Wetter etc.“. Doch nicht nur außerfilmische Faktoren beeinflussen den Erfolg der Produkionen maßgeblich, sondern natürlich auch die Inhalte selbst. Schwierig werde es, wenn „das Programm eine sehr einseitige amerikanische Weltsicht propagiert oder die Story generell keine universell zugänglichen Themen bietet“.Video-on-Demand und Eventprogrammierung – Mittel zum Zweck
Um neue Zuschauer anzulocken, testen die Sender neue Verbreitungswege, beispielsweise die Erstausstrahlung im Internet. „Über eine Erstausstrahlung via Video-on-Demand kann man es definitiv schaffen, eine spezielle Zielgruppe anzusprechen – dennoch fällt es bei den Nutzerzahlen und der Zahlungswilligkeit in Deutschland derzeit noch schwer, eine Serie kommerziell erfolgreich ausschließlich über VoD zu platzieren“, erklärt Laux die Vor- und Nachteile neuer Ausstrahlungsmittel.
Für Das Erste kommt eine Premiere als Video-on-Demand-Angebot allerdings nicht infrage, wie Agnes Toellner erklärt. Vielmehr ist es dem Sender wichtig, „die Exklusivität der Erstausstrahlung im Free-TV zu schützen“. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass sich die ARD prinzipiell VoD-Angeboten verweigert. Eine Vermarktung als digitales Produkt ist für den Anbieter durchaus eine Möglichkeit, allerdings müssen vorher, so Toellner, die zu erwartenden, kostenreduzierenden Einnahmen und die Attraktivitätsauswirkungen auf die Ausstrahlung im Ersten in Betracht gezogen werden.
Ebenfalls ein Mittel, um zumindest kurzfristig hohe Zuschauerzahlen zu generieren, sind Eventprogrammierungen. Die Ausstrahlung der ersten Staffel der Fantasy-Serie „Game Of Thrones“ an einem einzigen Wochenende war für RTL2 ein voller Erfolg. Die Quoten blieben weitgehend stabil und das Wichtigste – sie lagen über dem Senderdurchschnitt. Grund genug, um mit der Horror-Produktion „The Walking Dead“ ab 11. Mai den gleichen Weg einzuschlagen.Schwächelnde Formate – Sendeplatzverschiebung bleibt „Extremfall“
Und was unternehmen die Sender, wenn die teuer eingekauften Produktionen beim deutschen Publikum schwächeln? „Wenn ein Format schwächelt, gibt es verschiedene Wege: man setzt Marketing, PR und besonders On-Air noch gezielter ein“, weiß Mirjam Laux von Fox. Hilft die Marketing-Offensive nichts, stehe letztlich aber der Sendeplatz zur Disposition. Doch auch hier sieht sich der Pay-TV-Anbieter im Vorteil gegenüber den Free-TV-Konkurrenten. „Im Pay-TV erlauben wir uns mehr Durchhaltevermögen und Geduld mit unseren Formaten – was sich unsere Zuschauer auch oft wünschen“.
„Wir betreiben intensive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und setzen auf Crosspromotion in Hörfunk und Fernsehen“, bestätigt auch ARD-Mitarbeiterin Agnes Toellner die Vorgehensweise bei Formaten, die bei den Zuschauern nicht zünden wollen. Die Veränderung des Sendeplatzes bleibt aber der „Extremfall“, der als letzte Option genutzt wird, fügt Jörg Berendsmeier vom Zweiten Deutschen Fernsehen an.
Bestimmte Serien werden in der Wahrnehmung des Publikums besonders eng mit einem Sender verknüpft und nehmen eine identitätsstiftende Position im Programm ein. Sie erhöhen den Wiedererkennungswert der Kanäle erheblich. Seien es „Dr. House“ bei RTL, die „Desperate Housewives“ bei ProSieben oder „The Walking Dead“ sowie die „Mad Men“ auf Fox. „Dennoch sollte man den Erfolge eines Senders nie nur an einzelnen Formaten festmachen – das Gesamtkonzept muss stimmen“, betont Laux, für die neben den erwähnten Formaten auch der UK-Hit „Dr. Who“ oder „Shameless“ eine besondere Stellung im Programm von Fox einnehmen.
Das einzelne Serien sowie die bei den Zuschauern beliebten, eigenproduzierten Krimiformate für die ZDF-Familie stilbildend und entscheidend für das Image sind, bestätigt auch Berendmeiser. Daher sei der Wiedererkennungswert durch Serien also nicht zu unterschätzen. „Allerdings ist es eher der Faktor ‚Eigenproduktion‘, über den sich ein Sender hauptsächlich definiert, begründet er die Wichtigkeit der eigenen Formate gegenüber internationaler TV-Ware. „Das können eigenproduzierte Shows, eigenproduzierte Nachrichtenformate oder eben auch eigenproduzierte Serien sein“.
Besonders selbstbewusst gibt sich die ARD wenn es darum geht, ein Format mit der Identität des Senders zu verbinden: „Die erfolgreichste Serie im deutschen Fernsehen, ‚Um Himmels Willen‘, steht nicht nur für Quote, sondern auch für Qualität – wie Das Erste“.Thema des Monats: Digitales Fernsehen – Vorteile, Sender, Empfang
Thema des Monats im Überblick
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