[Thema des Monats] Umbau im September: Neues ARD-Programm

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Ein Mann hat im Alleingang das komplette ARD-Programm durcheinander gebracht und eine Reform des Sendeablaufs sowie Diskussionen über den Informationsauftrag der öffentlich-rechtlichen TV-Anstalt angestoßen: Günther Jauch. DIGITAL FERNSEHEN nimmt sich im aktuellen „Thema des Monats“ das neue ARD-Programmschema im Detail vor.

Jauch: „Evolution, aber keine Revolution“

 
Am 30. November 2010 ist die Entscheidung gefallen: Die ARD-Intendanten verabschiedeten während ihres Zusammentreffens in Berlin in großer Runde das neue Programmschema für das ARD-Hauptprogramm. Resultat ist unter anderem eine Rochade der ARD-Talker; Grund ist Publikumsliebling Günther Jauch (55).
 
Die „Wer wird Millionär?“-Ikone wird ab 11. September eine eigene Talksendung im Ersten moderieren. Jauch wird nach dem „Tatort“ um 21.45 Uhr mit „interessanten Gästen aus Politik und Gesellschaft“ 60 Minuten über das Thema der Woche diskutieren. Die ARD plant erst einmal drei Jahre mit dem Moderator, so Günther Jauch am Montag in Berlin. Gleichzeitig kündigte er an, dass er 10, 20 oder 30 Ausgaben Zeit brauche, um am Konzept zu feilen. Es werde eine „Evolution, aber keine Revolution“ geben.
 
Trotzdem präsentiert der Moderator weiterhin die RTL-Quizshow „Wer wird Millionär?“ beim privaten Konkurrenten. Das ist in sich ein kleines Novum. Immerhin dürfen sogenannte programmprägende Persönlichkeiten der ARD in der Regel nicht bei anderen Sendern zum Einsatz kommen.Piel: „Wanderer im System“

 
Doch die ARD-Vorsitzende Monica Piel hatte Anfang des Jahres in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa überraschend eingestanden, dass dies mittlerweile anders sei. „Es gibt Wanderer im System“, erklärte die WDR-Intendantin. Die Aufweichung von Unterscheidungsmerkmalen finde schon im Internet statt. Die Marke sei der einzelne Mensch, weniger der Sender. „Das gilt für die Unterhaltung, wohlgemerkt. In der Information sehe ich das anders“, ergänzte Piel, die deshalb keinen Konflikt zwischen Polittalk im Ersten und der parallelen Quizshow-Gastgeberrolle ihrer Neuverpflichtung bei den Privaten sieht.
 
Das langjährige RTL-Sendergesicht, das im Zuge seiner Verpflichtung bei der ARD seine Moderation von „Stern TV“ abgegeben hatte, ist damit der fünfte Talker im Ersten. Befürchtungen, es könnte zu zu vielen Wiederholungen und doppelten Gästen kommen, sollen durch eine redaktionsübergreifende Gästedatenbank aus der Welt geschafft werden, über die unter anderem die eingeladenen Gesprächspartner besser koordiniert werden – etwa, um Paralleleinladungen zu vermeiden.Mehr Orientierung und Hintergrund

 
Am Montag talkt zukünftig Frank Plasberg. Der 54-jährige Journalist muss sich heute (5. September) zum ersten Mal mit seiner Gesprächsrunde „Hart aber fair“ um 21 Uhr beweisen. Anne Will, die bisher mehr oder weniger die Flaggschiff-Position nach dem Sonntagskrimi inne hatte, ist auf den Mittwoch umgezogen. 15 Minuten länger talkt die Gastgeberin ab 22.45 Uhr.
 
Donnerstags steht um 22.45 Uhr dann ebenfalls für 75 Minuten Reinhold Beckmann auf der Matte und diskutiert in intensiven Einzelgesprächen mit „außergewöhnlichen Persönlichkeiten“, so das Selbstverständnis der Redaktion. Damit tritt der alteingesessene Talker in Konkurrenz zur ZDF-Moderatorin Maybritt Illner. Die einzige für die alles beim Alten bleibt, ist Sandra Maischberger. Dienstags um 22.45 Uhr treffen „Menschen bei Maischberger“ eineinviertel Stunden lang aufeinander und debattieren über gesellschaftspolitische Themen.
 
Mit dem neuen Programmschema werden „Nachrichten- und Gesprächssendungen im programmlichen Ablauf nun noch enger miteinander verbunden“, erklärt Burchard Röver, ARD-Sprecher Presse und Information. Damit würde dem Zuschauer mehr Orientierung und Hintergrund geboten. „Die steigenden Zuschauerzahlen, die die Talkformate im Ersten seit längerem registrieren, zeigen, dass sie als adäquates Forum für politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder soziale Inhalte vom Publikum wahrgenommen werden“, so Röver. Dabei habe die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt alle Zielgruppen im Auge.250 Sendeplätze für Dokumentationen

 
Die veränderten Sendeplätze der Talker haben nachhaltige Konsequenzen für die übrige Programmgestaltung. Erste grundlegende Änderung ist der nach jahrelangen Plädoyers der Redaktion endlich etablierte Stammsendeplatz für die „Tagesthemen“. Die Nachrichtensendung wird künftig montags bis donnerstags einheitlich um 22.15 Uhr aufgestrahlt und soll so ähnlich wie das konkurrierende ZDF-„heute journal“ als feste Informationsinsel im Sendeablauf etabliert werden.
 
Das Wirtschaftsmagazin „plusminus“ bekommt mit einem früheren Start um 21.45 Uhr fünf Minuten mehr Sendezeit und „die politischen Magazine haben auf ihrem neuen Sendeplatz am Dienstag nach den erfolgreichsten Serien im deutschen Fernsehen einen prima Vorlauf“, so Burchard Röver in Anspielung auf Dauerbrenner wie „In aller Freundschaft“, „Um Himmels willen“ und „Glück dieser Erde“.
 
Die Dokumentationen büßen dagegen ihren angestammten Mittwochstermin am Spätabend um 23.30 Uhr ein und starten künftig montags nach den „Tagesthemen“ schon etwas früher um 22.45 Uhr. Für entsprechende Beiträge erhalten bleibt zudem der deutlich zugkräftigere Programmplatz am Montag um 20.15 Uhr, auf dem zuletzt sehr erfolgreich die Reihe „Wildes Skandinavien“ lief.
 
Die Veränderung der angestammten Dokumentations-Sendeplätze hatte im Vorfeld viel Kritik ausgelöst. Röver beschwichtigt noch einmal, dass keinesfalls die Anzahl der Dokumentationen verringert werde. „Schließlich sind Dokumentationen und Reportagen eines unserer Markenzeichen und wir legen großen Wert auf diese Informationskompetenz“, so der Sprecher.
 
Insgesamt seien weiterhin 250 Sendeplätze im Jahr vorgesehen, bekräftigte ARD-Programmchef Volker Herres. Burchard Röver fügt hinzu: „Wir haben auch jetzt schon über das ganze Jahr hinweg Möglichkeiten, im Vertrauten auch mal unkonventionell zu programmieren, und das wollen wir künftig verstärken“. So lief Ende August beispielsweise das Spielfilm-Experiment „Dreileben„, bei dem sich drei Regisseure in drei Beiträgen zu einem Leitthema verwirklichen konnten, im Rahmen einer Viereinhalb-Stunden-Mammutstrecke.„Heiter bis tödlich“

 
Nicht nur in der Primetime schickt sich die ARD an, Veränderungen vorzunehmen. Der ungeliebte Vorabend, den Programmdirektor Herres zuletzt in einem „Spiegel“-Interview als „verfluchten Sendeplatz“ bezeichnet hat, bekommt ebenfalls ein kräftiges Facelifting. Montag bis Donnerstag ist der 18- bis 20-Uhr-Termin fortan überwiegend Krimi-Serien vorbehalten.
 
Das „Großstadtrevier“, das in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag feiert, bleibt montags um 18.50 Uhr auf Streife. Ab 24. Oktober sind auch bei Dirk Matthis und Co. neue Folgen zu sehen. Burchard Röver legt den weiteren Fahrplan vor: „Am Dienstag, 25. Oktober, folgt die neue Serie ‚Heiter bis tödlich in Husum‘ und am 2. November beginnt auf dem Mittwochsplatz ‚Heiter bis tödlich in Oberbayern‘, am Donnerstag, 10. November, dann ‚Heiter bis tödlich in Büdringhausen'“. Die neuen Serien unter der Dachmarke „Heiter bis tödlich“ sind an die Struktur des „Tatorts“ angelegt und sollen als humorvolle Krimiserien mit regionalem Touch ihr Publikum finden.
 
Am Freitag versucht es Das Erste zukünftig mit Kai Pflaume und der Quizshow „Drei bei Kai“. In der 45-minütigen Familien-Quizshow treten drei Generationen gegeneinander an und spielen um 300 000 Euro. Ein genauer Termin für die Auftaktsendung ist bislang noch nicht bekannt.
 
Neben Pflaume und Jauch wird ab Januar ein weiteres neues Gesicht bei der ARD aufschlagen. Talkmaster Thomas Gottschalk wird ab Januar montags bis donnerstags um 19.30 Uhr die Tagesereignisse auf witzige Art Revue passieren lassen. Dabei werde er „den ganzen normalen Wahnsinn aufs Korn nehmen“, für den er zukünftig zuständig sei, so der 61-jährige Entertainer. Die ARD erwartet sich eine hohe Aufmerksamkeit der Zuschauer von der Neuverpflichtung. ARD-Sprecher Röver erklärt: „Eine knappe halbe Stunde informative Unterhaltung vier Mal die Woche im Vorabend des Ersten: Dafür ist Thomas Gottschalk wie geschaffen“.
 
DIGITAL FERNSEHEN stellt Ihnen an dieser Stelle immer am Montagvormittag das aus Sicht der Redaktion interessanteste Thema des Monats vor. Im August stand das Thema Jugendschutz in Heimkino und Fernsehen im MittelpunktIn diesem Monat widmen wir uns dem neuen ARD-Programm. Nach dem heutigen Überblick liegt im zweiten Teil der Fokus auf den viel diskutierten Talks. Thema des Monats: ARD-Programmschema

Thema des Monats im Überblick
[Jana Skoupy]

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