Thema des Monats: Solidarprinzip Haushaltspauschale [Kommentar]

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Mogelpackung oder solidares Finanzierungsmodell? Die neue Haushaltspauschale muss bereits vor ihrer Einführung im kommenden Jahr mit Kritik und kontroversen Diskussionen leben. Dabei ändert sich für viele Menschen erstmal gar nichts. Die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kann jedoch auch eine haushaltsgebundene Abgabe nicht erhöhen.

Eigentlich ist die Haushaltspauschale eine gute Idee. Statt Streit über die Anzahl der Empfangsgeräte und darüber, was eigentlich eine Empfangsgerät ist, zahlt nun jeder Haushalt einmal – egal, ob die Bewohner verheiratet sind bzw. eine Lebensgemeinschaft darstellen, oder nur aus finanziellen Gründen eine Wohnung teilen.
 
Wenn es so einfach wäre, dann wäre die Haushaltspauschale tatsächlich eine gute Sache, denn sie würde jede Menge Bürokratieaufwand ersparen. So hat die GEZ beispielsweise auch bei meinen Eltern nachgefragt, ob ich denn angemeldet bin, obwohl ich bereits vor vielen Jahren meinen Wohnort gewechselt und mich dort angemeldet habe. Zudem hätten diese lästigen Hausbesuche der Außenmitarbeiter ein Ende, die natürlich nur in beratender Funktion unterwegs sind, genauso wie die elendige Diskussion, ob ein PC oder ein Laptop nun ein Empfangsgerät ist oder nicht – zum Glück bleiben wir von der Ausweitung der Debatte auf Smartphones und Tablets verschont.

Es könnte also alles so einfach sein. Doch in Deutschland scheint das nie der Fall. Auch die Haushaltspauschale hat ihre Ecken und Kanten und scheint erneut nicht von vorn bis hinten durchdacht. Prägnant dafür war der Diskurs über das Gartenlauben-Problem, dass sich erst lösen ließ als die Medien Druck machten.
 
Hintergrund: Gartenlauben bis zu 24 Quadratmeter gelten nicht als eigener Haushalt. In den neuen Bundesländern gab es zu DDR-Zeiten diese Größenbeschränkung jedoch nicht, so dass es durchaus noch Kleingärten gibt, die größer sind als 24 Quadratmeter. Laut Gesetz würden diese als eigener Haushalt gelten. Da sind Diskussionen vorprogrammiert. Ergebnis: Keine GEZ für Gartenlauben. Beziehungsweise: In der Haushaltsabgabe sind Kleingärten inbegriffen. Immerhin, denn wer ist schon gleichzeitig im Garten und in der eigenen Wohnung?

Aber trifft nicht eigentlich dasselbe für Zuschauer mit einer Zweitwohnung zu? Es gibt genügend Familien in Deutschland, in denen ein Partner unter der Woche in einer Zweitwohnung oder einem Campingwagen wohnt. Sind das dann eigene Haushalte, wenn der Lebensmittelpunkt doch eigentlich ganz woanders liegt? Oder zählt der Arbeitsort mittlerweile als Lebensmittelpunkt?
 
Noch kritischer ist die Sache bei Haushalten, die sich bewusst gegen jeglichen Rundfunk im Haushalt entscheiden. Konnten diese sich im alten System befreien lassen, ist das mit der neuen Abgabe nicht mehr möglich. Laut statistischem Bundesamt sind davon rund 2 Prozent der Bevölkerung betroffen. Ein notwendiges Übel?
 
Während die 2 Prozent der Bevölkerung nun zum Zahlen gezwungen werden, können sich Zuschauer, die unter dem Existenzminimum leben (z.B. Hartz-4 Empfänger), Auszubildende, BaFög-Empfänger, und Menschen mit körperlichen oder geistigen Defiziten weiterhin befreien lassen. Ist das fair? Oder solidarisch, wie SWR-Justiziar und Gebührenexperten Hermann Eicher es nennt? Oder wird einem damit nicht das Recht auf Selbstbestimmung genommen? Immerhin steht mir als Bundesbürger zu, selbst zu entscheiden, ob ich den Rundfunk und das Internet nutze oder nicht. Muss ich dann auch dafür zahlen? Im Rahmen des Solidarprinzips lautet die Antwort selbstverständlich ja – ich zahl‘ ja auch für jene, die nicht arbeiten können, oder die schwer erkrankt sind. Zumal sich mir die Frage stellt, ob es tatsächlich Haushalte gibt, in denen weder Fernseher, Computer, Radio oder Smartphone vorhanden ist.

Schwieriger ist für mich da die alles beherrschende Frage, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk eigentlich mit den vielen Geldern macht. Denn die anhaltende Diskussion um das neue System wird nicht zuletzt auf Grund der hohen Ausgaben der Sender angefacht.
 
Seien es nun Digitalkanäle oder Sportrechte. Die Frage bleibt: Bieten die Öffentlich-Rechtlichen ein Programm, für das monatlich 17,98 Euro gerechtfertigt sind? Das ist wahrscheinlich eine Frage, an der sich die Geister ewig scheiden werden – ich persönlich finde mich nur selten im Programmangebot wieder, würde aber nicht auf die Öffentlich-Rechtlichen verzichten wollen.
 
Fest steht für mich, dass die Transparenz der Sender zu wünschen übrig lässt und es sicher besser wäre, wenn mehr Klarheit darüber geschaffen würde, wofür die Gebühren ausgegeben werden. So wäre es in meinen Augen nur fair, wenn das ZDF nicht um den heißen Brei herumreden würde, sondern klar sagen würde, wie viel Geld die Sendeanstalt für die Champions League geboten hat. Immerhin zahlen ab 2013 rund 40 Millionen Haushalte für diese TV-Rechte. Aktiengesellschaften müssen schließlich ebenfalls einen Rechenschaftsbericht vor ihren Aktionären ablegen.
 
Eine offenere Finanzpolitik der öffentlich-rechtlichen Sender würde zwar einerseits zu Programmdiskussionen führen, könnte andererseits aber sicher auch die Akzeptanz des Systems erhöhen. Nämlich dann, wenn ARD und ZDF Kritik aufnehmen und ihr Programm an den Zuschauern und ihrem Rundfunkauftrag ausrichten würden.

Letzter großer Streitpunkt über die Rundfunkgebühren war bisher immer die Gebühreneinzugszentrale. Der nicht-staatliche Dienstleister hatte bisher zur Aufgabe, Zuschauer über die Gebühren zu beraten, Anmeldungen durchzuführen und natürlich das Geld einzuziehen. In der Kritik stand das Unternehmen vor allem wegen seiner Praktiken der Außenmitarbeiter, die regelmäßig auf „Schwarzseher-Suche“ waren. Ebenfalls sehr beliebt war es, Angaben darüber, dass kein „Empfangsgerät“ zur Verfügung stehe, einfach zu ignorieren – wie es mir zu Beginn meiner Studienzeit passiert ist.
 
Die neue Haushaltspauschale braucht eine Institution wie die GEZ nicht mehr. Natürlich besteht noch immer der Aufwand, die Abgabe einzuziehen, doch es kann größtenteils auf Außenmitarbeiter verzichtet werden. Sicherlich ist es ab 2013 auch nicht mehr nötig, jedes Jahr mindestens zwei Briefe an mögliche Schwarzseher zu verschicken, um sie zur Anmeldung zu bewegen (die Umwelt freut’s).
 
Der Bürokratieaufwand der Institution sollte damit erheblich sinken – und so auch die finanziellen Mittel. Das könnte im Umkehrschluss ebenfalls zu einer Gebührenentlastung führen, denn immerhin sind 2010 160,5 Millionen Euro in das Unternehmen selbst geflossen, was 2,13 Prozent der 7,54 Milliarden Euro Rundfunkgebühren ausmacht. Der Prozentsatz sollte mit der neuen Haushaltspauschale ebenfalls sinken.
 
Besonders erstaunlich scheint es demnach, dass die GEZ zum Modell-Wechsel etwa 400 neue Mitarbeiter einstellt. Angeblich sei der Aufwand der Umstellung zu groß und die neuen Mitarbeiter seien auf maximal zwei Jahre befristet. Mehraufwand bevor es eine wirkliche Entlastung geben kann? Und wie groß kann der Aufwand sein, wenn sich doch für etwa 90 Prozent der Bevölkerung gar nichts ändert, da sie bereits als Haushalt nur einmal zahlen?

Fakt ist und bleibt, das neue Gebührenmodell kann nur dann funktionieren, wenn sich auch die Rundfunk-„Umwelt“ wandelt. Deutschland hat eines der vielfältigsten Free-TV-Angebote der Welt – und das vor allem aufgrund der Öffentlich-Rechtlichen. Denn nur durch die große Senderauswahl haben die Privaten einen Konkurrenten, der sie im Free-TV hält (auch wenn HD Plus eindeutig in eine andere Richtung tendiert).
 
Dieses duale System sollte auch zukünftig aufrecht gehalten werden, denn es garantiert ein frei empfangbares Unterhaltungs- und Informationsprogramm. Dafür eine Abgabe zu zahlen, ist durchaus angemessen – man beachte allein das internationale Korrespondentennetz der ARD, das nicht nur die öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radioanstalten mit Berichten und Informationen aus vielen Teilen der Welt versorgt.
 
Klar ist jedoch, dass ARD und ZDF sich auch durch ihre Programmgestaltung immer wieder selbst der Kritik aussetzen und aussetzen müssen. Sie sollten jedoch auch auf die Kritiker hören und nicht nur stur durchsetzen, was sie für das Beste halten. Das Programm ist lebendig und lebt von Veränderungen der Gesellschaft und der Ansprüche. Wie jedes Aktienunternehmen haben sich die Öffentlich-Rechtlichen ihren Investor – dem Deutschen Bundesbürger – zu stellen. Ob mit Haushaltspauschale oder TV-Gebühr: über die Akzeptanz entscheidet der Inhalt.Thema des Monats: GEZ
Thema des Monats im Überblick
[Kommentar von Jana Skoupy, Redakteurin DIGITALFERNSEHEN.de]

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  • Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
21 Kommentare im Forum
  1. AW: Thema des Monats: Solidarprinzip Haushaltspauschale [Kommentar] Eine "Zwangsabgabe" kann niemals "solidarisch" sein - Solidarität beruht IMMER auf Freiwilligkeit...
  2. AW: Thema des Monats: Solidarprinzip Haushaltspauschale [Kommentar] Wenn mehr Leute zahlen, muss die Gebühr folgerichtig drastisch sinken. Korrekt?
  3. AW: Thema des Monats: Solidarprinzip Haushaltspauschale [Kommentar] Richtig, oder das Programm komplett von Werbung befreit, wa sich bevorzugen würde. Aber es kann heute keiner sagen, wieviel durch die Abgabe reinkommt. Viele versteifen sich immer auf "es zahlen mehr", dabei werden aber auch viele nichts mehr bezahlen, die in einem Haushalt bisher doppelt bezahlt haben.
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