Die neue Rundfunkgebühr ist durch, dennoch sind die politischen Lager in Deutschland gespalten. DIGITALFERNSEHEN.de sprach mit Parteimitgliedern von CDU, SPD, Grünen und FDP über die neue Haushaltspauschale und die Zukunft der Reform.
In einem sind sich die Politiker der verschiedenen Fraktionen einig: Der geltende Gebührensystem war reformbedürftig. Doch das ist schon so ziemlich der einzige Konsens, der sich über die Parteiengrenzen hinweg erkennen lässt. Geht es nach Thomas Jarzombek, dem medienpolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen, ist die neue Haushaltspauschale grundsätzlich eine gute Idee. „Wir hatten immer die Erwartung, dass die Schnüffelei nach ‚Schwarzsehern‘ aufhört und Gebühren eingespart werden, da Kontrollaufwand entfällt“, sagt Jarzombek. Außerdem sorge die Haushaltsabgabe für Rechtssicherheit und letztendlich würden weniger „Schwarzseher“ von der zahlenden Mehrheit subventioniert .
Die neue Haushaltsabgabe bringe – und da sind sich SPD und Grüne einig – eine finanzielle Sicherheit und Stabilität für das öffentlich-rechtliche Programm. „Ich halte sie für ein gutes Fundament, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Weiterentwicklung im digitalen Zeitalter zu sichern“, erklärt Daniela Behrens, die medienpolitische Sprecherin der SPD Niedersachsen, gegenüber DIGITALFERNSEHEN.de. Insbesondere das Berechnungssystem sei für den Bürger einfacher geworden. Schließlich gebe es pro Haushalt nur noch eine Gebühr. Egal, wie viele Personen im Haushalt leben. Zudem seien alle Empfangswege abgedeckt – auch übers Internet, betonte Behrens.
Dem schließt sich die demografiepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Tabea Rößner, an. Denn die Zuschauer müssten nun nicht mehr einzelne Geräte anmelden. Auch beispielsweise unverheiratete Paare oder Wohngemeinschaften seien nicht mehr gezwungen, mehrere Geräte anzumelden. Zudem gebe es keine Unsicherheit mehr bezüglich der Definition von Erst- und Zweitgerät.
Ebenso wird nach Ansicht des CDU-Politikers Jarzombek die Rundfunkgebühr „nun vorbereitet für das Internet-Zeitalter“, da die jahrelange Debatte über die Computer mit der Haushaltsabgabe hinfällig werde. Ein weiterer Vorteil ist nach Ansicht der Grünen-Sprecherin, dass die Gebühr Unabhängigkeit von technischen Entwicklungen und neuen Geräten erlangt und es somit „keine Definitionsschwierigkeiten, wann was als Empfangsgerät gilt und wann nicht“ mehr gibt.
Ganz anders steht dem Burkhardt Müller-Sönksen, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, gegenüber: „Diese Reform ist eine Mogelpackung“. Für die FDP ist die neue Haushaltspauschale nur darauf ausgelegt, den „öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen“. Die Haushalts- und Betriebsstättenabgabe sei „nichts anderes als die bisherige GEZ-Gebühr erweitert auf alle Haushalte und Betriebsstätten“. Zudem schaffe das neue, „auf Grund der technischen Entwicklung dringend reformbedürftige“ System erhebliche neue Datenschutzprobleme, halte auf der anderen Seite jedoch für die wesentlichen Probleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keine Lösungen parat.Datenschutz: Gemachte Hausaufgaben oder Supermeldebehörde?
Gerade die datenschutzrechtlichen Defizite bietet Anlass für kontroverse Diskussionen. SPD und CDU zeigen sich überzeugt, dass die Haushaltsabgabe einer Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht stand hält. „Ich denke, dass die Hausaufgaben in dieser Hinsicht gut gemacht wurden“, erklärt der CDU-Mediensprecher Jarzombek seine Einschätzung. Dem pflichtet SPD-Frau Behrens bei. Die Abgabe sei sehr sorgfältig vorbereitet und intensiv diskutiert worden. „Es gab zahlreiche Rechtsgutachten, an denen wir uns orientiert haben. Das Fundament ist stabil“, untermauert sie ihre Aussage.
Für Grünen-Politikerin Rößner ist jedoch heikel, „dass die Rundfunkanstalten ihre Daten über die Gebührenzahler untereinander austauschen und auch bei den Vermietern danach fragen dürfen, obwohl sie bereits auf die Daten der Meldeämter zurückgreifen dürfen“. Die Liberalen befürchten zudem, dass die „GEZ zur zentralen Speicherstelle für fast alle personenbezogenen Daten aufgeblasen“ werde und somit zu „einer Art ‚Supermeldebehörde'“.
Daher fordert Müller-Sönksen die GEZ ersatzlos abzuschaffen, denn es sei so schon „schwer vermittelbar“, dass eine nicht-staatliche Stelle persönliche Lebensverhältnisse ausleuchte und die Daten archiviere. Darüber hinaus fallen die teils „haarsträubenden Methoden der sogenannten GEZ-Außendienstmitarbeiter“ letztlich auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Institution zurück. Die Akzeptanz des dualen Systems sinke damit weiter und verschärfe dessen Legitimationskrise. „Die ungeliebte GEZ umzubenennen, ist wie alter Wein in neuen Schläuchen“, warnt der FDP-Politiker.Mehreinnahmen: Die Vogel-Strauß-Politik
Kopfschmerzen bereitet den Liberalen darüber hinaus, dass die Reformierer, statt konsequent zu pauschalisieren, eine neue Abrechnungsbürokratie geschaffen hätten – „insbesondere durch die Betriebsstättenabgabe mit ihren Stufentarifen und der Kfz-Abgabe“. Müller-Sönksen erklärt, dass die Betriebsstättenabgabe zu einer erheblichen Mehrbelastung der Unternehmer führe, denn trotz einer „Vollerfassung aller Haushalte“ werde „auch noch an der Betriebsstätte abkassiert“. Das sei „nicht nachvollziehbar, weil jeder Mensch ja nur einmal Rundfunk empfangen kann“. Die Befürchtung liege nahe, dass die Unternehmen die Mehrkosten auf den einzelnen Arbeitsplatz umlegten.
Generell haben die Spekulationen um Mehreinnahmen – neben den datenschutzrechtlichen Bedenken – Stoff für Diskussionen geboten. „Wenn nun die Einnahmen steigen, weil mehr Haushalte einen Beitrag bezahlen als eine Gebühr, dann wird der Beitrag bei der nächsten Anmeldung für jeden einzelnen Haushalt abgesenkt“, gibt sich die Grünen-Abgeordnete Rößner diplomatisch.
Sie macht sich im Gespräch mit DIGITALFERNSEHEN.de jedoch gleichzeitig weiterhin für eine Befreiung von der Gebührenpflicht derjenigen Haushalte stark, in denen „das verfügbare Einkommen oder die Rente unterhalb der Armutsgrenze liegt“. Das betreffe unter anderem Empfänger von Sozial- oder Arbeitslosengeld II sowie BAföG-Empfänger. Aber auch Krankenhäuser oder Einrichtungen der Jugendhilfe sollten von der Abgabe befreit werden.
Burkhardt Müller-Sönksen geht sogar davon aus, dass es zu erheblichen Mehreinnahmen kommt, wenn die Beschränkung auf den Besitz eines Rundfunkempfängers entfällt und die Betriebsstättenabgabe erheblich erweitert wird. „Dadurch werden so viel Mehreinnahmen generiert, dass die Gebühr pro GEZ-pflichtiger Person bei gleichem Programmangebot um mindestens zehn Prozent gesenkt werden könnte“, orakelt der Medienpolitker, der mit Mehreinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe rechnet. „Dass hier die Ministerpräsidenten so tun als könnten sie dies nicht selbst beurteilen, ist kollektive Vogel-Strauß-Politik“.
Daniela Behrens von der SPD hält eine Steigerung der Einnahmen durch die neue Pauschale hingegen für eher unwahrscheinlich. „Angesichts der Entwicklung der Anzahl der Haushalte und der Vielzahl derer, die von der Gebühr befreit werden können, glaube ich nicht, dass es zu einer Steigerung der Einnahmen kommen wird“, begründet Behrens ihre Einschätzung. Aber letzlich sei die Entwicklung der Einnahmen reine Spekulation. Viel mehr hoffe sie, dass ein stabiles Fundament zur Finanzierung des wichtigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks entstehe.Die GEZ: Weniger Aufwand, weniger Personalbedarf
Weitgehend Einigkeit unter den Politiker herrscht jedoch bezüglich der Gebühreneinzugszentrale (GEZ). So schienen alle Sprecher überrascht, dass die GEZ bei einer Verschlankung des Bürokratieaufwandes neue Mitarbeiter einstellt. „Ich stelle mir jedenfalls die Frage, wofür die Viertelmilliarde jährlich bei der GEZ verwendet werden“, sagt Müller-Sönkensen, und auch Behrens erklärt: „Ich war erschrocken, als ich hörte, welchen zusätzlichen Personalbedarf die GEZ für die Gebührenumstellung benötigt“. Die Schaffung dieser zusätzlichen Stellen beim Gebühreneinzug sei nur für eine kurze Übergangszeit akzeptabel. Nach abgeschlossenem Umstellungsprozess müsse der Stellenplan bei der GEZ wieder deutlich reduziert werden.
„Ich halte dies für ein Unding. Die Begründung für die Haushaltsabgabe war doch immer, dass Kontrollaufwand entfällt“, sagt Jarzombek. Er könne niemandem erklären, warum jetzt nicht Stellen eingespart, sondern noch neue geschaffen würden, so der Mediensprecher. Ob es auch in Zukunft noch die Institution der GEZ geben werde, lässt Jarzombek jedoch offen. Die GEZ müsse sich beweisen. Wenn sie schlank und konkurrenzfähig die neuen Aufgaben erledige, werde sie eine Zukunft haben. In diesem Fall benötige sie aber ganz sicher einen neuen Namen, da der alte zu sehr mit dem Begriff „Schnüffelei“ in Verbindung gebracht werde.
Laut SPD-Politikerin Behrens wird die Gebühreneinzugszentrale nach der Umstellung weiter eine Existenzberechtigung haben. Die Arbeit der GEZ werde sich jedoch mit der neuen Haushaltsabgabe verändern. Wenn der Umstellungsprozess abgeschlossen ist, geht sie davon aus, dass die GEZ weniger Aufwand und damit weniger Personalbedarf hat. Das komme auch wieder den Gebührenzahlern zugute. „Wir werden weiterhin eine solche Anstalt brauchen – ob unter dem Namen GEZ oder unter einem anderen“, so Behrens.
Ganz anders sieht das die FDP, für die die Finanzämter als „Gebühreneinzugszentrale“ wesentlich unbürokratischer und datenschutzrechtlich unbedenklich wären. Dem widerspricht Tabea Rößner von den Grünen. Das Finanzamt könne die Aufgabe nicht übernehmen, „denn es wäre nicht staatsfern und hätte auch nicht die entsprechenden Daten – es müssten also viel mehr Daten erhoben werden, zu denen das Finanzamt bisher keinen Zugang hat“.
Die Liberalen bieten auch einen Gegenvorschlag zum aktuellen sowie kommenden Gebührenmodell: eine personenbezogene Medienabgabe als Finanzierungsmodell. In diesem sollen nur die einkommenssteuerpflichtigen Bürger belastet werden. „Ohne einkommenssteuerpflichtiges Einkommen wäre keine Medienabgabe zu zahlen“, beschreibt der medienpolitischer Sprecher den Gegenvorschlag. Um trotzdem die zur Erfüllung des Grundversorgungsauftrags erforderlichen Einnahmen zu erzielen, müsste geprüft werden, ob geringfügige Einkommen und sogenannte Transferleistungsempfänger eine Aufstockung in Höhe der Medienabgabe erhalten, stellt Müller-Sönkensen in den Raum.Thema des Monats: GEZ
Thema des Monats im Überblick
[Jana Skoupy und Marcel Hornburg]
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