Thema des Monats: GEZ Adieu: Eine Wohnung – ein Beitrag

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Es war ein harter Weg durch die Länderparlamente, den die sogenannte Haushaltspauschale genommen hat. DIGITALFERNSEHEN.de sprach mit dem SWR-Justiziar und Gebührenexperten Hermann Eicher über das neue Gebührenmodell, dessen Umsetzung und die neue Gerechtigkeit, die damit ab 2013 Einzug in deutschen Haushalten Einzug halten soll.

Mit dem Jahr 2013 wird in Deutschland eine Kehrtwende eingeleitet. Ein seit mehr als fünfzig Jahren verstaubtes Gebührenmodell wird auf neue und aktualisierte Rechtsgrundlagen gestellt. Insbesondere die Einfachheit, die Kostensenkung und die Stabilität des öffentlichen Rundfunks standen dabei im Mittelpunkt. Mit dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird demnach erstmals von einer an das Gerät gebundenen Gebühr abgesehen.

„Für Bürgerinnen und Bürger gilt ab 2013 die Regel: Eine Wohnung – ein Beitrag“, brachte Eicher die Neuregelung gegenüber DIGITALFERNSEHEN.de auf den Punkt. Die mehr als 50 Jahre alte Regelung sah noch vor, dass Gebühren nur diejenigen zahlen müssten, die tatsächlich ein Fernsehgerät besitzen. Im Laufe der Jahre wurde auf Grund von technischen Neuerungen wie dem Internet und Mobiltelefonen mit der Geräte-Grundformel experimentiert und durch umständliche Regelungen häufig für Verwirrung in der Bevölkerung gesorgt.

Mit dem juristisch definierten Bereich einer Wohnung wird jetzt vieles klarer. Keine Fragen mehr nach der Anzahl der Radios, Fernseher und internetfähigen Mobiltelefonen sowie Computern in einem Haushalt. Keine Fragen mehr nach den gesellschaftlichen Beziehungen der Personen untereinander und auch keine Fragen mehr zum Einkommen der Mitglieder einer Wohnung, sobald diese über einem gesellschaftlichen Existenzminimum liegt. Für mehr als 90 Prozent der Bevölkerung bleibt dabei in der kommenden Gebührenperiode allerdings alles beim Alten.Keine Kostensteigerung in den nächsten vier Jahren

„Der neue Rundfunkbeitrag bleibt voraussichtlich stabil bei 17,98 Euro monatlich“, sagte Eicher. Vereinzelt zahlen einige der 90 Prozent sogar weniger als vorher. Die Höhe des Beitrags wird auch in Zukunft von der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) ermittelt und den Länderparlamenten vorgeschlagen. Diese entscheiden dann, ob der von der KEF vorgeschlagene Betrag rechtskräftig dem Bürger auferlegt werden soll.

Insbesondere große Familien, Wohngemeinschaften und nicht eheliche Lebensgemeinschaften wurden nach der alten Reglung je nach Anzahl der Mitglieder eines Haushaltes teilweise mehrfach belastet. Der neue Beitrag hingegen deckt sowohldas private Auto als auch die Gartenlaube mit ab. Anders sieht es bei einer Minderheit der Bevölkerung aus. Wer bisher nur einen Computer oder ein Radio angemeldet hatte, wird ab 2013 mehr zahlen als bisher. „Das ist im Einzelfall nicht immer leicht, in der Summe aber gerecht“, erklärte Eicher.

Neben den regulärenZahlern werden im Sinne des Sozialstaatsprinzips auch weithin einkommensschwachere Bevölkerungsschichten und Menschen mit körperlichen oder geistigen Defiziten von der Haushaltspauschale befreit. Dazu zählen Empfänger von Hartz IV (Arbeitslosengeld II) und Auszubildende sowie Studierende, die gemäß Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) staatliche Unterstützung erhalten.
 
Des Weiteren leisten Menschen mit Behinderung, denen das Merkzeichen „RF“ zuerkannt wurde, einen auf ein Drittel ermäßigten Beitrag – es sei denn, sie sind nach anderen Vorschriften ganz zu befreien. Taubblinde Menschen sind ebenfalls, wie bereits beim alten Gebührenmodell, von der Zahlungspflicht entbunden. Der neue Rundfunkbeitrag sei damit solidarisch, weil er einzelne Personengruppen entlaste, findet Eicher.Gerecht für die Gemeinschaft – doch auch fair für den Einzelnen?

Dabei galt es im Vorfeld durchaus die eine oder andere Unschärfe zu beseitigen. Gerade bei Gartenlauben, die der Definition nach keine Wohnungen sind und sein dürfen, tauchten in den neuen Bundesländern schnell Probleme auf. Dürfen die Kleingärten im „Westen“ nicht größer als 24 Quadratmeter sein, wachsen ihre Gegenstücke in behördlichen Stillschweigen gerne etwas über diese Größe hinaus, da die Maximalgröße von 24 Quadratmeter in der früheren Deutschen Demokratischen Republik nicht vorgesehen war und eine Umstellung oder Verkleinerung ein starker Eingriff in das Privateigentum der Bürger gewesenen wäre.

Erst nach einem Diskurs in den Medien wurde nachgebessert und bestätigt, dass die Großlauben im Osten und Nordosten Deutschlands nicht anders als die kleineren Lauben im Rest der Republik behandelt werden. Demnach fällt keine Haushaltspauschale an, soweit diese gemäß dem Bundeskleingartengesetz ihrer Ausstattung und Einrichtung nach „nicht zum dauernden Wohnen geeignet“ sind.

Bei Ferienwohnungen sieht es da schon anders aus. Speziell diese können dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt werden. „Für eine Zweitwohnung oder Ferienwohnung ist ein eigener Beitrag zu zahlen“, betont Eicher. Schwieriger wird die Begründung schon, wenn in Zukunft Geld von Menschen verlangt wird, die weder Fernseher, noch Radio oder anderes internetfähiges Mobiltelefon beziehungsweise Computer besitzen und somit keine direkten Konsumenten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind.
 
Grundsätzlich gehört die öffentlich-rechtliche Berichterstattung mit einer hohen Staatsferne zu einer der Säulen der Demokratie. Von der lokalen bis zur weltweiten Berichterstattung muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk viele Aufgaben wahrnehmen und dabei stets die Richtlinien der Ausgewogenheit und Unabhängigkeit wahren.Einnahmen durch die neue Haushaltspauschale sind noch spekulativ

„Die geänderte Finanzierungsgrundlage weg von den Rundfunkgeräten, hin zu Wohnungen und Betriebsstätten als Anknüpfungspunkt kann für einige wenige zu einer Mehrbelastung führen, ist insgesamt aber gerechter“, so der SWR-Justiziar weiter. Das Ziel, einfachere Regeln für alle zu schaffen und gesamtgesellschaftlich eine gerechtere Verteilung zu erreichen, habe Priorität. In einer Gesellschaft mit pluralen Interessen sei es nur schwer möglich, eine Lösung zu finden, die auch jeder Einzelne als gerecht empfinde, gab der Experte zu verstehen.

Ein weiterer schwieriger Aspekt ist derzeit die Abschätzung der Einkünfte der öffentlich-rechtlichen Sender insbesondere in der Zeit der Umstellungsphase. Ziel der Umstellung sei es zudem nicht Mehreinnahmen zu generieren, sondern zur Stabilisierung des Finanzhaushaltes der Öffentlich-Rechtlichen beizutragen. „Tatsächliche Mehr- oder Mindereinnahmen durch das neue Finanzierungsmodell lassen sich erst ermitteln, wenn diese weitreichende Reform umgesetzt ist“, so Eicher.

Derzeit gehen die ARD, das ZDF und Deutschlandradio davon aus, dass sich die Beitragseinnahmen in den nächsten vier Jahren ab 2013 auf dem Niveau der erwarteten Gebührenerträge für 2009 bis 2012 bewegen werden. Mit dieser Auffassung stehen die öffentlich-rechtlichen Sender nicht allein da. Auch die Experten der KEF prognostizieren Einnahmen auf dem Niveau der Vorjahre. Die Kommission weist allerdings stets daraufhin, dass eine genaue Prognose nicht möglich sei. Will heißen, erst nach der Einführung und Stabilisierung der Einnahmen kann eine genaue Anpassung der Pauschalen, je nach Bedarf der Sender, vorgenommen werden.Das Versprechen von mehr Effizienz und ein neuer Name für die GEZ

Um eine möglichst reibungsfreie Übergang zu gewährleisten, werden zwischen 2012 und 2014 weitere Mitarbeiter für die Datenbearbeitung und Haushaltserfassung beschäftigt. Von Dauer sind diese Arbeitsplätze jedoch nicht. „Alle zusätzlichen Kapazitäten sind befristet und werden bis 2015 wieder vollständig abgebaut sein“, versicherte Eicher.
 
In der Summe führt das in der Anfangszeit natürlich zu höheren Ausgaben innerhalb der Gebührenanstalt, hat allerdings zum Ziel, eine effizientere und wirtschaftlichere Anstalt zu schaffen. Im Jahr 2010 benötigte die GEZ einen Anteil von 2,13 Prozent der Gebührenerträge. „Durch das neue Beitragsmodell wird dieser Anteil noch einmal spürbar reduziert werden können“, erklärte Eicher. Bereits 2014 sollen die Gesamtkosten des Beitragseinzugs unter den Kosten vor der Modellumstellung liegen. Erklärtes Ziel sei es letztlich, innerhalb der nächsten vier Jahre die Kosten um ein Fünftel zu senken.

Ein Teil der Kosten wird dabei bei den freien Rundfunkberatern, im Volksmund „Gebührenfahnder“ genannt, eingespart. Da der künftige Rundfunkbeitrag nach klaren Regeln funktioniert, sei aus heutiger Sicht eine Sachverhaltsklärung oder Beratung im direkten Kontakt mit dem Bürger in der Wohnung oder dem Haus allenfalls im Ausnahmefall notwendig. Gleiches gilt für Unternehmen und Institute: Der Beitrag hängt von der Anzahl der Betriebsstätten, Beschäftigten und Kraftfahrzeuge ab.

Dennoch werde es auch in der Zukunft einen gewissen Grad an Komplexität in Bezug auf die konkrete Berechnung der Beitragshöhe oder mögliche Ausnahmetatbestände geben, so Eicher. In diesen Fällen werde eine Klärung des Sachverhalts oder eben auch eine direkte Beratung bei den Unternehmen durchgeführt. Dieser Weg werde jedoch ausnahmslos nur dann gewählt, wenn die vorausgegangenen schriftlichen oder telefonischen Klärungsbemühungen nicht erfolgreich verlaufen seien.

Obwohl sich viele Aufgaben der jetzigen Gebühreneinzugszentrale ändern werden, bleiben viele bereits jetzt nötige Aufgaben erhalten. Die Teilnehmerkontenverwaltung und der neue Beitragseinzug werden auch nach der Umstellung auf das neue Beitragsmodell fortbestehen. Eine Institution wie die GEZ wird demnach auch in der Zukunft notwendig sein. „Der Name ‚Gebühreneinzugszentrale‘ wird allein aufgrund der Tatsache, dass zukünftig keine Gebühren mehr erhoben werden, nicht beibehalten werden können“, stellte Eicher eine Umbenennung in Aussicht.Thema des Monats: GEZ

Thema des Monats im Überblick
[Marcel Hornburg]

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58 Kommentare im Forum
  1. AW: Thema des Monats: GEZ Adieu: Eine Wohnung - ein Beitrag Ich weiß nicht, ob ich darüber lachen oder weinen soll ... Da ist selbst Poker mit gezinkten Karten gerechter.
  2. AW: Thema des Monats: GEZ Adieu: Eine Wohnung - ein Beitrag Gerechtigkeit im Sinne der GEZ und des ÖR. Vielleicht erhöht sich die Zahl der Wohngemeinschaften ab 2013. Wie der Typhus von der GEZ über Gerechtigkeit redet,ist genauso als würde Putin über Demokratie reden....kommt Satire nahe....
  3. AW: Thema des Monats: GEZ Adieu: Eine Wohnung - ein Beitrag ...und die erfinden dann kein neues Modell?
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