[Thema des Monats] FSK: Wer darf in Deutschland was schauen?

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Die seit 1. Dezember 2008 besonders prominent platzierte Altersfreigabe auf Blu-rays, DVDs und Spielen – der „Flatschen“ – sorgt für viel Unmut bei den Heimkinofans, genau wie viele Urteile der FSK. Grund genug, der Arbeit der Freiwilligen Selbstkontrolle im Thema des Monats auf den Grund zu gehen.

Die Freiwillige Selbstkontrolle (FSK) der Filmwirtschaft bewertet als unabhängiges Gremium Spielfilme, die vorher auf freiwilliger Basis zur Prüfung eingereicht werden. Ihre Existenzberechtigung begründet sich auf das in Deutschland im Grundgesetz verankerten Zensurverbot, welches der Kunst ihre Freiheit zugesteht und eine mögliche Vorzensur seitens des Staates unterbinden soll. Als Einrichtung der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO), dem Dachverband von derzeit 16 film- und videowirtschaftlichen Verbänden, arbeitet sie privatwirtschaftlich. Die Wirtschaftverbände haben sich dazu verpflichtet, nur von der FSK geprüfte Produkte zu veröffentlichen – eine Vereinbarung, die der Institution zusätzlichen Existenzschutz verschafft.
 
Auch wenn die FSK autonom arbeitet und es keine gesetzliche Vorlagepflicht gibt, ist es für die Filmbranche nachteilig, wenn diese ihre Produktionen der FSK nicht vorlegt. Dann werden die Medien automatisch als nicht jugendfrei eingestuft, was erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen nach sich zieht, da beispielsweise Versandhäuser wie Amazon den entsprechenden Film nur noch Erwachsenen verkaufen dürfen. Damit keine minderjährige Person den Streifen bestellt, muss eine Altersverifizierung bei der Übergabe durch den Post- oder Paketboten erfolgen. Viele Versandhändler nehmen ungeprüfte Titel ohnehin nicht in ihren Katalog auf, was den Verkaufserlös senkt. Darüber hinaus führen die meisten Kinos keine ungeprüften Filme auf.
 
Die FSK besteht derzeit aus über 250 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die jeweils für eine Dauer von drei Jahren ernannt werden. Die Prüfungsausschüsse setzen sich aus Vertretern der Politik, Kirchen und der Film- und Videobranche sowie Mitgliedern, die von der öffentlichen Hand bestimmt werden, zusammen. Dazu gehören Lehrer, Journalisten, Psychologen, Sozialarbeiter, Richter, Studenten oder Medienwissenschaftler.
 
Die heterogene Zusammensetzung soll die Meinungspluralität der Gesellschaft widerspiegeln und damit Stimmen aus verschiedenen sozialen Gruppen und Berufen vereinen. Über die jeweilige Alterskennzeichnung wird nach einer Mehrheitsabstimmung entschieden. Wie genau sich die Stimmen verteilen, bleibt aber geheim. Die Prüfverfahren sind nicht öffentlich.Das Prüfverfahren

 
Insgesamt gibt es drei Prüfungsausschüsse: den Arbeitsausschuss, den Hauptausschuss als Berufungsinstanz und den Appellationsausschuss. Wird ein Film der FSK zur Prüfung vorgelegt, entscheidet zunächst der Arbeitsausschuss. Ist der Antragssteller mit dem Urteil nicht einverstanden, wird die Berufungsinstanz tätig. Die Prüfer dieses Ausschusses dürfen nicht vorher im Arbeitsausschuss gesessen haben.
 
Weiterhin darf bei einem Berufungsantrag die angefochtene Entscheidung nicht nachteilig verändert werden. Das bedeutet, dass ein Film, der eine Freigabe ab 16 Jahren erzielt hat, durch die Berufungsinstanz keine FSK-18-Einstufung erhalten darf. Der Appellationsausschuss ist das höchste Gremium der FSK. Dieser tritt zusammen, wenn ein Bundesland nicht mit der Entscheidung der FSK einverstanden ist. Außerdem können auch die Spitzenverbände der Film- und Videowirtschaft eine erneute Prüfung verlangen.
 
Der Arbeitsausschuss besteht aus fünf Mitgliedern. Neben dem Vorsitzenden und einem Sachverständigen für Jugendschutz sind das zwei Vertreter der Film- und Videowirtschaft und ein Vertreter der öffentlichen Hand. Im Hauptausschuss sind zwei weitere von der öffentlichen Hand gestellte Mitglieder zu finden. Im Appellationsausschuss entscheiden neben einem Juristen und zwei Sachverständigen für Jugendschutz vier Vertreter der obersten Landesjugendbehörden über die Freigabe. Die Mitglieder werden ausschließlich von der SPIO und den Obersten Landesjugendbehörden gemeinsam gestellt. Der ebenfalls anwesende Vorsitzende verfügt als Ständiger Vertreter über kein Stimmrecht, was auch für den Hauptausschuss gilt.
 
Die Basis für jede Prüfung bilden zum einen das Jugendschutzgesetz, zum anderen die „Grundsätze der FSK“. Im ersten Absatz des 14. Paragraphen des Jugendschutzes heißt es: „Filme und andere Trägermedien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, dürfen nicht zur Vorführung vor oder zur Abgabe an ihre Altersstufe freigegeben werden“. Zu solchen Einschränkungen zählen laut Definition „Hemmungen, Störungen oder Schädigungen, die vom vorliegenden Film oder Trägermedium ausgehen können“.
 
Filme, welche „die Nerven überreizen, übermäßige Belastungen hervorrufen, die Phantasie über Gebühr erregen, die charakterliche, sittliche (einschließlich. religiöse) oder geistige Erziehung hemmen, stören oder schädigen (…)“, können die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten beeinträchtigen. Während des Verfahrens gehen die Prüfer jeweils vom jüngsten Jahrgang einer Altersgruppe aus.
 
Mit den von der Grundsatzkommission der FSK formulierten Maßstäbe will die Prüfstelle die „im Grundgesetz verankerte Meinungs- und Informationsfreiheit, insbesondere die Presse- und Kunstfreiheit, in Abwägung mit anderen Grundrechten, wie dem Grundrecht von Kindern und Jugendlichen auf körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit“ durchsetzen. Formuliert werden die Grundsätze von Vertretern der Film- und Videowirtschaft, der öffentlichen Hand sowie den Fernsehveranstaltern. Zu letzteren gehören Mitglieder von ARD und ZDF sowie den Landesmedienanstalten.
 
Ausschlaggebend für die Beurteilung ist der gesamte Film. Werden einzelne Teile herangezogen, sind diese im Gesamtkontext des Streifens zu bewerten. Weiterhin verpflichten sich die Prüfer, „nicht unter Gesichtspunkten des Geschmacks oder der persönlichen Anschauung“ zu urteilen, heißt es in den Grundsätzen. Außerdem soll die Entscheidung über die Altersfreigabe auf „Fachwissen und Urteilsvermögen“ erfolgen. Unabdingbar dabei ist, dass die Prüfer über Erfahrungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen verfügen.Von FSK 0 bis „keine Jugendfreigabe“ – Die Alterseinstufungen

 
Insgesamt gibt es fünf Altersfreigaben in Deutschland: FSK 0, FSK 6, FSK 12, FSK 16 und FSK 18/keine Jugendfreigabe. Damit ein Film ohne Altersbeschränkung freigegeben wird, muss er auf „dunkle Szenen, schnelle Schnittfolgen oder eine laute und bedrohliche Geräuschkulisse“ verzichten, da diese bei Kindern unter sechs Jahren Ängste auslösen können. Diese Ängste können sie nicht allein bewältigen, da sie noch nicht über ausreichende kognitive Fähigkeiten verfügen, um jederzeit zwischen Film und Realität zu unterscheiden. Außerdem identifizieren sich Kinder von null bis sechs Jahren vollständig mit den Heroen auf der Leinwand. Daher sind Konfliktsituationen schnell und positiv aufzulösen, damit sie vom kindlichen Zuschauer verarbeitet werden können.
 
Wie bei allen Alterseinstufungen geht man auch in der Gruppe der sechs- bis 11-Jährigen von den Jüngsten aus. Während Neunjährige weitgehend zwischen Film und Wirklichkeit unterscheiden können, trifft das auf Sechsjährige nur bedingt zu. Zwar dürfen spannende und bedrohliche Momente enthalten sein, aber für eine FSK-6-Freigabe ist es weiterhin ausschlaggebend, dass entstehende Konflikte positiv aufgelöst werden. Für den Animationsfilm „Gnomeo & Julia“ lautete es zum Beispiet, dass Kinder ab sechs Jahren die „kurzen Spannungsmomente problemlos“ verarbeiten können. Weiterhin werden „dramatische Situationen“ schnell aufgelöst und stehen im „Wechsel mit humorvollen und entspannenden Szenen“. Weiterhin wirken die „liebevolle Charakterzeichnung“ als auch das „versöhnliche Happy End“ entlastend, „sodass keine emotionale Überforderung“ entsteht.
 
Für die Freigabe ab 12 Jahren gehen die Prüfer davon aus, dass die 12- bis 15-Jährigen problemlos zwischen Fiktion und Realität unterscheiden können und  in der Lage sind, die Ereignisse im Film rational zu verarbeiten. Größere Spannungsmomente können verkraftet werden. Da sich die Kinder dieser Altersgruppe in der Pubertät und damit in der Phase der Selbstfindung befinden, muss die Identifikationsfigur positive Werte vermitteln. Antisoziales Verhalten und härtere Gewaltdarstellung führen zur Verweigerung einer FSK 12. Analog zum amerikanischen Pendant PG dürfen auch jüngere Kinder in Begleitung ihrer Eltern FSK-12-Filme im Kino sehen.
 
Im Urteil zur FSK-12-Freigabe zu „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2“ heißt es dazu: „Der Film ist rasant und mit vielen effektreichen Sequenzen erzählt, wobei in der episodischen Struktur immer wieder ruhigere, dialog-orientierte Passagen die dramatischen Höhepunkte ablösen und für emotionale Entlastung sorgen“. Weiterhin seien „Gut und Böse überwiegend klar charakterisiert und zur Identifikation taugende Protagonisten stehen nachvollziehbar für das Gute“.
 
Zur Begründung, warum der Film keine wirtschaftlich lukrativere Einstufung ab sechs Jahren erhalten hat, heißt es: „Kleinere Kinder könnten durch die Dramatik und die düstere Atmosphäre überfordert werden. 12-Jährige und ältere sind hingegen in der Lage, belastende Szenen in den Kontext der Fantasy-Geschichte einzuordnen und zu verkraften“. Weiterhin federe das Happy End „die Wirkung der von Dramatik geprägten Filmpassagen solide ab“.
 
Bei den 16- bis 18-Jährigen geht die FSK von einer entwickelten Medienkompetenz aus. Dennoch bleibt man bei der Wertevermittlung skeptisch, vor allem, wenn es um Drogenkonsum, politischen Radikalismus oder Ausländerfeindlichkeit geht. Szenen, die Gewalt tendenziell verherrlichen oder „Sexualität auf ein reines Instrumentarium der Triebbefriedigung“ reduziert, werden für die Altersgruppe als ungeeignet betrachtet.
 
Zur Begründung des Gruselstreifens „Insidious“ entschied die FSK, dass der Film nicht auf explizite Gewaldarstellungen setzt, sondern seine „Gruseleffekte über Toneffekte,Schreckmomente und unheimliche Geschehnisse“ erzielt. Jugendliche ab 16 Jahren seien in der Lage, „diese genretypische Szenerie sowie die ebenso typischenGruseleffekte ohne nachhaltige seelische Beeinträchtigung zuverarbeiten.“ Auch, wenn der Horrorfilm auf hohen Realismus setze, könnten Zuschauer der Altesgruppe dies als „bewusstes Stilmittel durchschauen und die tatsächliche Fiktionalität derGeschehnisse erkennen“.FSK 18: Bei zu viel Gewalt droht „keine Jugendfreigabe“

 
Das FSK-18-Logo wird vergeben, wenn „keine einfache beziehungsweiseschwere Jugendgefährdung“ vorliegt. Bei DVD- undBlu-ray-Veröffentlichungen darf keine einfache Jugendgefährdungbestehen. Hat der betreffende Film von der FSK eine Alterseinstufungerhalten, darf er später von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdendeMedien (BPjM) nicht mehr indiziert werden. Für Filme mit derAlterskennzeichnung FSK ab 18/Keine Jugendfreigabe wird keineindividuelle Begründung erstellt. Stattdessen heißt es auch im Urteilzum Finale der nicht gerade zimperlichen „Saw“-Reihe, „Saw 3D -Vollendung“ standardgemäß, dass der Film „eine beeinträchtigende Wirkungauf Jugendliche“ ausübe.
 
Die verschärften Bestimmungen für Heimkinoveröffentlichung ergeben sichaus der Tatsache, dass Jugendliche unter 18 Jahren zu Hause eher in derLage sein sollen, einen nicht für ihre Altersgruppe freigegebenen Filmzu konsumieren. Deshalb reicht im Heimkinosektor eine einfacheJugendgefährdung aus, um dem Streifen eine Freigabe zu verweigern. Fürdie Kinoauswertung sind die Prüfer toleranter gestimmt, da es hierzumindest theoretisch einfacher zu kontrollieren ist, wer denentsprechenden Film sieht. Aus diesen Gründen ist es möglich, dass einFilm fürs Kino eine Freigabe von FSK 18 erhält, dem gleichen Streifenauf DVD und Blu-ray eine Freigabe aber verweigert wird.
 
DIGITAL FERNSEHEN stellt Ihnen an dieser Stelle immer amMontagvormittag das aus Sicht der Redaktion interessanteste Thema desMonats vor. Im Rahmen der Weltmeisterschaft stand im Juni vier Wochenlang der Frauenfußball im Mittelpunkt. An diesem Montag stehen dieZensoren beim Heimkino im Mittelpunkt. Im zweiten Teil wird die Frage geklärt, was passiert, wenn ein Film von der FSK abgelehnt wird. Zum Artikel aus der vergangenenWoche geht es hierThema des Monats: FSK

Thema des Monats im Überblick
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63 Kommentare im Forum
  1. AW: [Thema des Monats] FSK: Wer darf in Deutschland was schauen? Mit der USK bzw. der FSK haben die wenigsten Film- und Spielefreunde ein Problem. Da ist den meisten schon eher die Möglichkeit der Freigabeverweigerung inklusive anschliessender Indizierung und in manchen Fällen sogar die Beschlagnahmung ein Dorn im Auge, da hier der erwachsene Bürger, die Wirtschaft und der Handel sowie der Kunst- und Kulturschaffende teilwese sehr stark eingeschränkt wird. Jugendschutz sieht meiner Meinung nach anders aus!
  2. AW: [Thema des Monats] FSK: Wer darf in Deutschland was schauen? Dass Kirchen hier mitreden, ist eine Ungeheuerlichkeit. So fällt jede kritische Ausseinandersetzung mit dem Glauben, v.a. thematisiert in Horrorfilmen, dem Zensurstift zum Opfer. Wenn man die FSK zulässt, warum nicht gleich den Gottesstaat ausrufen?
  3. AW: [Thema des Monats] FSK: Wer darf in Deutschland was schauen? Witzig ist es doch, dass "Hoppelfilme" erst ab 18 sind. Ich meine heute hoppeln die Kids schon mit 13 (ob das jetzt gut ist?) - anderen dürfen sie erst nach 5 Jahren zusehen.
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