Laut Grundgesetz ist Vorzensur in Deutschland verboten, somit dürfen auch FSK und BPjM nicht zensieren. Allerdings wird den Gremien immer wieder dieser Vorwurf gemacht – nicht ganz unberechtigt, führt die deutsche Freigabepolitik doch zu indirekten Zensurmaßnahmen auf Seiten der Verleiher und Vertriebe.
Wollen die Filmschaffenden vor allem bei heikleren Themen wirtschaftlich nicht auf die Nase fallen, bleibt oft nur der Weg der eigentlich unerwünschten und laut Grundgesetz illegalen Vorzensur. Sonst droht die Gefahr, dass das Budget für Produktions- und Werbekosten nicht wieder eingespielt wird. Denn einem Film ohne FSK-Freigabe droht das wirtschaftliche Aus, da die meisten Kinos den Streifen nicht aufführen und er bei Heimkinoveröffentlichung im Falle einer SPIO-Kennzeichnung „strafrechtlich unbedenklich“ beziehungsweise im Falle einer Indizierung nicht in den öffentlichen Verkaufs- oder Verleihregalen zu finden ist.
Die wenigsten Kunden fragen gezielt an der Ladentheke nach nicht freigegebenen oder indizierten Titeln. Versandhändler wie Amazon nehmen indizierte Titel gar nicht erst in ihr Programm auf. Und das, obwohl eine Indizierung durch die BPjM kein Verkaufsverbot darstellt, denn Erwachsene dürfen entsprechende Titel weiterhin käuflich erwerben. Die Listeneinträge sind daher nicht mit einer Zensur gleichzusetzen, auch nicht mit einer nachträglichen Form der Zensur, wie oftmals zu lesen ist.
Sie ziehen aber im Sinne des Jugendschutzes eine deutliche Verkaufsbeschränkung mit sich. Die unwirtschaftlichen Restriktionen sind vielen Händlern zu risikoreich. Zu groß scheint die Gefahr, dass ein indizierter Titel versehentlich offen ausliegt oder nach einer Beschlagnahmung immer noch zum Kauf angeboten wird.Die Kasse muss stimmen
Damit ein Film eine entsprechende Alterskennzeichnung erhält, entscheiden sich viele Verleiher und Vertriebe, vorher die Schere anzusetzen, um Gewaltspitzen, ganze Szenen oder heikle Dialoge beziehungsweise Handlungsstränge zu entfernen, die der FSK sauer aufstoßen könnten. Vor allem für die Heimkinoauswertung scheint dies eher die Regel, denn die Ausnahme. Doch nicht nur Filme für ein eingeschränktes Zielpublikum, allen voran härtere Horror- oder Actionstreifen, werden zur Kinoauswertung um die eine oder andere Szene erleichtert, um noch ein wirtschaftlich lukrativeres FSK-16-Logo zu erhalten.
Häufig sind es Titel, die auch für das jüngere Publikum gedacht sind, die noch vor Kinostart gekürzt werden. So wurden zum Beispiel die Fantasy-Verfilmung „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ und die beiden „Narnia“-Filme „Der König von Narnia“ und „Die Reise auf der Morgenröte“ in einigen Szenen geschnitten, um eine Altersfreigabe ab 6 Jahren zu erhalten. Zwar wären die ungekürzten Fassungen problemlos mit einer Einstufung ab 12 Jahren durch die FSK-Prüfung gekommen, doch der Markt der unter 12-Jährigen spült zusätzlich Geld in die Kassen und da möchte man der FSK die Entscheidung besonders leicht machen.
Der wirtschaftliche Zwang wird somit zur Selbstzensur. In beiden Fällen wurde ein Kampf mit einem Monster entschärft. Zumindest beim ersten „Narnia“-Streifen hatten Kinogänger noch die Wahl, da der Verleiher sowohl die FSK-12- als auch eine „zahmere“ FSK-6-Variante in die Lichtspielhäuser brachte.
Während „Harry Potter“ bei Heimkinoveröffentlichung ungeschnitten und mit einer FSK-12-Freigabe auf DVD erschien, lag im Falle von „Narnia“ bei Erscheinen nur die gekürzte Fassung in den Händlerregalen. Die unzensierte Version bleibt bislang Käufern eines Sony-3D-Gerätes vorbehalten, die den Streifen im Rahmen einer Bundleaktion als exklusive Beigabe erhalten – ein eher kurioser PR-Nebeneffekt.FSK 18 und der Steuerzwang
Mitte der 90er Jahre gab die Bundesregierung den Filmverleihern auswirtschaftlicher Sicht einen weiteren Grund, mit aller Macht eineFSK-18-Freigabe im Voraus zu verhindern. Für Kinofilme mit einer solchenAlterskennzeichnung musste die volle Mehrwertsteuer von damals 15Prozent entrichtet werden. Für Titel mit einer Altersfreigabe biseinschließlich FSK 16 wurde lediglich ein günstigerer Steuersatz von 7Prozent fällig. An dieser Differenzierung hat sich bis auf den mittlerweile auf 19 Prozent angehobenen vollen Steuersatz bis heute nichts geändert.
Da die in Frage kommenden Filme in der Regel ohnehinkeine massentauglichen Blockbuster darstellen, sondern vielmehr fürbestimmte Zielgruppen gedacht sind, bewegen sich auch die erwarteten Profite in einem engeren Rahmen. Unerwartete Erfolge wie der Schlitzerstreifen „Scream“ bilden die Ausnahme.
Vor allem Genre-Spezialisten gerieten so noch mehr unter finanziellen Druck, denn eine zusätzliche Steuerbelastung, welche nach Einschätzung der Verleiher den Wettbewerb verzerrt und die bereits überschaubare Gewinnspanne weiter schmälert, ist vor allem für kleinere Labels kaum tragbar. In der Folge setzten sowohl kleine, als auch große Anbieter immer häufiger die Schere an, um die höheren steuerlichen Abgaben zu vermeiden. Leidtragender des Schnittgemetzels ist der Kinogänger, der immer öfter verstümmelte Filmfassungen präsentiert bekommt – teilweise, ohne es zu wissen.
Profitiert von dieser Entwicklung haben vor allem in den 90ern Raubkopierer, die illegale Bootlegs indizierter Filme zu teilweise horrenden Preisen verkauften. Als Grundlage diente in der Regel die geschnittene deutsche Fassung, in welche die fehlenden Szenen einfach hinein kopiert wurden. Diese stammten meist von ungeschnittenen oder zumindest längeren englischen Versionen. Während die Filmindustrie sich an dem Drahtseilakt versuchte, mit verstümmelten Filmtorsos doch noch den erhofften Gewinn einzufahren, verdienten sich Bootlegger im Gegenzug eine goldene Nase. Mit dem Boom des Internets und dem erleichterten Kauf deutschsprachiger ungeschnittener Versionen via Import ebbte die Flut an Bootlegs ab.
DIGITAL FERNSEHEN stellt Ihnen an dieser Stelle immer amMontagvormittag das aus Sicht der Redaktion interessanteste Thema desMonats vor. Seit Anfang August beschäftigen wir uns mit Jugendschutzim Heimkino. In der kommenden Woche dreht es sich um die FSF, welche die Freigaben für das Fernsehen erteilt. Zum Artikel aus der vergangenenWoche geht es hier. Thema des Monats: FSK
Thema des Monats im Überblick
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