Zum Ende seiner Amtszeit lässt es Telekom-Chef René Obermann darauf ankommen: Trotz heftiger Kritik von Seiten der Nutzer und Politik verteidigt er die Pläne zu Datenvolumen und Drosselung. Das kommt einem Kraftprobe mit den eigenen Kunden gleich.
Nach dem Schock mit der Tempo-Bremse hat Telekom-Chef René Obermann immerhin die Aufmerksamkeit der Kunden sicher. Seit Jahren klagt die Telekommunikations-Industrie über hohe Kosten für den Ausbau der Breitbandnetze, sinkende Erlöse und eine aus ihrer Sicht zu rigorose Regulierung aus Brüssel. Die Ankündigung von Daten-Obergrenzen auch im Festnetz ist der nächste Eskalationsschritt in einem jahrelangen Tauziehen zwischen Telekom, Aufsehern und Politikern – nur dass diesmal Verbraucher zur Kasse geben werden sollen.
Und die sind alles andere als begeistert. Online-Foren sind seit einer Woche voll empörter Kommentare. Eine Internet-Petition gegen die Pläne fand bereits mehr als 100 000 Unterstützer. Beim Internet-Kurznachrichtendienst Twitter hat der Satire-Account „@drosselkom“ mehr als 6000 Abonnenten. Die Scherze schlagen alle in die gleiche Kerbe: „Halten Sie sich bitte an die Netzöffnungszeiten und hören sofort auf, über den Tatort zu twittern! Das sprengt uns die Leitungen!“ oder „Nutzen Sie bitte nicht Skype. Sie finden bestimmt einen Münzfernsprecher ganz in Ihrer Nähe!“. Alte Feindbilder leben auf: Die Erinnerung an die Zeiten, da die Telekom als behäbiger Service-Dinosaurier galt, ist noch frisch.
Ausgerechnet der scheidende Telekom-Chef René Obermann, der in den vergangenen Jahren viel dafür getan hat, das Image der Telekom zu verbessern, stößt jetzt die Kunden im wichtigen Heimatmarkt vor den Kopf. Auch angesichts der Entrüstung weicht er nicht zurück. „Die Alternative wäre eine Preiserhöhung für alle Kunden, die in unseren Augen weder klug noch gerecht wäre“, hakte Obermann in einem offenen Brief an Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ab.
Obermanns Argument: Die überwiegende Mehrheit der Kunden werde überhaupt keinen Unterschied merken. Erstens gelte die Daten-Kappung nur für neue Verträge. Außerdem sei das Datenvolumen der meisten Kunden drastisch niedriger als die angekündigten Obergrenzen. „Nach heutigem Stand wären von dieser Preisänderung nur ca. drei Prozent der Kunden betroffen“. Die Tempo-Bremse soll aber nicht sofort in Kraft treten, sondern erst 2016.
Das sind drei Jahre – in der Internet-Zeitrechnung eine kleine Ewigkeit. Onlinevideos oder Musikstreaming, bei denen besonders viele Datenpakete durchs Netz flitzen, sind auf dem Vormarsch. Genau dieses explodierende Datenvolumen nennt auch die Telekom schließlich als einen zentralen Grund für den Bedarf an leistungsstärkeren Netzen. Ob es 2016 immer noch nur drei Prozent der Kunden sind, die an den Telekom-Obergrenzen kratzen, ist also dahingestellt.
Obermanns setzt in seinem Brief auch einen Seitenhieb Richtung Politik. Einen Anspruch auf unbegrenztes Datenvolumen könne es nicht geben – „jedenfalls nicht, solange die nötigen Milliardeninvestitionen und der Betrieb der Netze privatwirtschaftlich zu erbringen sind“. Der Streit um die Kosten des Breitbandausbaus zwischen Politik und Telekom-Branche schwelt seit Jahren. Die Telekom-Konzerne fordern, dass ihre Branche weniger streng reguliert wird. Doch sie stießen damit immer wieder auf taube Ohren. Die EU-Kommission setzte eine drastische Reduzierung der einst zum Teil exorbitanten Roaming-Tarife fürs Telefonieren im Ausland durch. In Deutschland wurden die Netz-Entgelte im Mobilfunk immer wieder gekappt.
Die Telekom konnte sich nicht mit ihrer Absicht durchsetzen, ihr VDSL-Glasfasernetz in den ersten Jahren für sich zu behalten, um „Pioniergewinne“ einzustreichen. Zuletzt bekam sie weniger Geld als erhofft für die Durchleitung von Daten anderer Anbieter über die „letzte Meile“ zum Kunden-Anschluss. Die Wettbewerber verweisen darauf, dass der einstige Monopolist auf eine einst noch vom Steuerzahler finanzierte Infrastruktur zurückgreifen kann.
Zum Wettbewerb in der Branche gehört auch, dass die Konkurrenten die Telekom dezent im Shitstorm alleine stehen lassen. Vodafone und andere Anbieter betonten schnell, dass sie keine Obergrenzen dieser Art planen. Und der Geschäftsführer des Bundesverbandes Breitbandkommunikation (Breko), Stephan Albers, prognostizierte im „Focus“ gar, dass der Telekom „die Kunden in Scharen davonlaufen“ werden, wenn der Konzern an dem Modell festhalte. [Andrej Sokolow/hjv]
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