Totalausfall bei einer Live-Sendung – der Albtraum für die Macher der Sendung. Um sich gegen diesen Notfall zu rüsten, produzieren immer mehr TV-Sender Notfallproduktionen.
Fatma Mittler-Solak steht im Fernsehstudio und moderiert. „Herzlich willkommen, liebe Zuschauer“, sagt sie in die Kameras. Wenn alles gut läuft, wird diese Sendung niemals ausgestrahlt. Es ist eine Ausgabe der Mittagssendung „ARD-Buffet“. Auf den Bildschirm kommt sie nur im „Havariefall“. Mit solchen Notproduktionen rüsten sich Sender für den Fall, dass live plötzlich nichts mehr geht – wenn es zu Ausfällen oder gar Angriffen kommt. Denn das Risiko bei Live-Sendungen im Fernsehen ist groß.
„Ich moderiere diese Ausgabe wie jede andere Sendung auch“, sagt Mittler-Solak der Deutschen Presse-Agentur. Die 38-Jährige ist seit fast sechs Jahren eine der vier Moderatoren von „ARD-Buffet“. Die Koch- und Ratgebersendung läuft jeden Werktag von 12.15 bis 13.00 Uhr im Ersten. Sie kommt live aus Baden-Baden, aus den dortigen Studios des Südwestrundfunks (SWR). Die Ausgabe für den „Havariefall“ geht nicht auf den Bildschirm. Sie bleibt in der Schublade. Und wird erst gestartet, wenn die Live-Sendung plötzlich nicht mehr möglich ist.
„Wir produzieren für den Notfall“, sagt der Redaktionsleiter der ARD-Sendung, Claus Kober. Denn kommt es unerwartet zu einem Sendeausfall, soll dies am Bildschirm möglichst niemand mitbekommen. „Mit dem Testbild, mit dem Generationen groß geworden sind, gibt sich heute kein Fernsehzuschauer mehr zufrieden“, sagt Kober: „Auch der Hinweis, dass es eine Störung gibt und wir um etwa Geduld bitten, ist nicht mehr zeitgemäß.“ Der Sender müsste drauf reagieren. Sonst würden die Zuschauer am Bildschirm einfach umschalten.
Kober und seine Kollegen sprechen aus Erfahrung. Beim Live-Kochen, tragender Programmpunkt von „ARD-Buffet“, ging neulich der Brandmelder los, sagt Kober. Das Studio musste geräumt, die Sendung abgebrochen werden. Für Unruhe sorgten auch reihenweise Stromausfälle in der Region. Im Studio mit seinen mehr als 90 Scheinwerfern und der vielen Technik geht ohne Energie nichts. Das Risiko eines Blackouts steht, trotz Notstromaggregaten, immer im Raum.
Gefahr droht Studiosendungen ebenso wie Außenübertragungen. Es kommt vor, dass Technik versagt oder jemand vor der Kamera Probleme bekommt: Wie vor einem Jahr, als die Sprecherin der Schweizer „Tagesschau“ während der Sendung ohnmächtig wurde oder 2001 vor laufender Kamera die ZDF-Moderatorin Babette von Kienlin, die damals vor ihrer Heirat noch Einstmann hieß. Auch die Gefahr von Hacker- oder anderen Angriffen oder Aktionen ist gegeben, sagt Kober, sowie andere Zwischenfälle: Nach dem Unfall von „Wetten, dass..?“-Kandidat Samuel Koch 2010 wurde die Live-Show vom Sender genommen. Und bei einer TV-Debatte zur Oberbürgermeisterwahl 1996 in Stuttgart durchtrennte ein Mann mit einer Axt die Stromkabel der Übertragungswagen und brach so die Live-Sendung ab.
„Der Zuschauer soll nicht merken, dass etwas außer Plan läuft“, sagt „ARD-Buffet“-Aufnahmeleiter Patrick Lammer: „Vor der Sendung haben wir das Studio daher komplett entschmückt.“ Die winterliche Dekoration flog raus, alles wurde neutral gehalten. Und auch die Moderatorin passt auf: „Ich muss so formulieren, dass es an jedem Tag im Jahr passt und gesendet werden kann.“ Aktuelle Bezüge sind tabu.
„Mit einer Havariesendung in dieser Größenordnung und mit diesem Aufwand sind wir in der ARD einzigartig“, sagt Redaktionschef Kober. Im Notfall werde schnell und einfach per Knopfdruck umgeschaltet, die Sendung ist komplett fertig. Für die Ewigkeit ist sie nicht. Im Jahresabstand wird künftig eine neue Notfallsendung produziert.
Parallel dazu wird weiter täglich live produziert. Das „ARD-Buffet“ sendet seit Januar 1998. Die Sendung erreicht nach Angaben des SWR pro Ausgabe 850.000 bis eine Million Zuschauer und einen Marktanteil von im Durchschnitt zehn Prozent. [Jürgen Ruf/kw]
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