Es begann als Studienprogramm: Vor 50 Jahren ging das Bayerische Fernsehen auf Sendung – Auftakt für die „Dritten Programme“. Nach einem halben Jahrhundert sehen Medienwissenschaftler Reformbedarf.
Das Fernsehprogramm von damals ist heute kaum vorstellbar: Als das „Studienprogramm“ des Bayerischen Rundfunks am 22. September 1964 zum ersten Mal auf Sendung ging, meldete sich erst einmal die Politik zu Wort. Zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr liefen – nach einer Ansprache des Intendanten Christian Wallenreiter über Aristoteles – Reden von Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU) und niemand geringerem als Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU). Richtig los ging es dann mit einer Dokumentation von Golo Mann. Der Titel: „Der Weg in die Teilung“. Das „Studienprogramm“ des BR wurde damit zum ersten der sogenannten „Dritten Programme“ in Deutschland. Wenige Wochen später folgte der Hessische Rundfunk (HR/5. Oktober 1964), NDR und WDR kamen 1965 dazu.
„Gedacht waren sie als eine Art Spezialergänzung – mittlerweile sind sie durchweg Vollprogramme mit höherem Anteil der regionalen Information“, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Romy Fröhlich von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Als Zielgruppe sieht sie ein Publikum mit Interesse am Regionalen, an der Heimat, an Dokumentationen, Informationen und Kultur. „Weniger die Action-Spielfilm-Krimi-Klientel.“
Die ARD selbst beschreibt ihre „Dritten“ folgendermaßen: „Bis weit in die 70er Jahre hinein fungierten die Dritten Programme primär als Angebote für wechselnde, im Ersten oder Zweiten Programm kaum bedienbare Minderheiten (…). Mitte der 70er Jahre öffneten sie sich zunehmend breiteren Publikumsschichten, brachten auch Unterhaltung, Spielfilme.“ Heute sind die bekanntesten BR-Formate neben der „Abendschau“ das Bergsteiger-Magazin „Bergauf-Bergab“, die Heimat-Soap „Dahoam is dahoam“ oder die kultige „Space Night“.
50 Jahre nach der Geburtsstunde des Bayerischen Fernsehens mit dem „Weg in die Teilung“ ist Deutschland nicht nur längst wiedervereinigt, auch das Erscheinungsbild des Bayerischen Fernsehens hat sich entscheidend verändert. Im Jahr 1973 schaltete der BR sich aus dem Programm, als die restlichen ARD-Anstalten Rosa von Praunheims „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ zeigte. Vier Jahre später boykottierte er die Erstausstrahlung des Films „Die Konsequenz“ über eine große, schwule Liebe. Auch der Kabarettist Dieter Hildebrandt wurde wegen „nicht gemeinschaftsverträglicher“ Elemente schonmal aus dem Programm ausgeblendet.
So etwas wäre heute wohl undenkbar, auch wenn der BR mit seinem Intendanten Ulrich Wilhelm, dem ehemaligen Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel(CDU), immer noch als tendenziell konservativ gilt. Mit Programmen wie „Quer“ oder „Kontrovers“ präsentiert sich das Bayerische Fernsehen aber heute hier und da betont offen, betont modern. „Kontrapunkte“ nennt das Ralf Hohlfeld, der an der Uni Passau den Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft innehat. „Diese ideologischen Kampflinien gibt es nicht mehr. So viel Bewusstsein ist im Sender da.“
Heute hat das Bayerische Fernsehen aber ein anderes Problem. Seit Jahrzehnten sind die Quoten zwar weitgehend konstant. So lag der Marktanteil in Bayern im Jahresschnitt 2013 bei 7,3 Prozent (1993: 7,0). „Die Dritten Programme sind schon Quotengaranten – das ältere Publikum wird dort stark abgeholt“, sagt dazu Hohlfeld. Das Alter des Publikums aber dürfte etwas Sorge machen. Der Durchschnitts-Zuschauer ist nach Senderangaben nämlich 64 Jahre alt, so alt wie bei keinem anderen Sender in Deutschland. „Der BR ist – genau so wie alle anderen – gut beraten, sich neue Seherschaften heranzuziehen“, sagt Hohlfeld. Und: „Bei unterhaltsam verpackten Formaten, beim Infotainment könnte ich mir noch mehr Experimente vorstellen.“[Britta Schultejans]
Bildquelle:
- Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com