
Leipzig -Mit dem Verbot von Stand-by will Marco Bülow, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Energie sparen. DIGITAL FERNSEHEN sprach mit ihm über Energiesparen in der Unterhaltungselektronik.
„Leider finden politische Forderungen in punkto Energiesparen nach wie vor bei der breiten Bevölkerung keinen Widerhall, daher sollte Energieverschwendung gesetzlich verboten werden“, fordert Bülow. Zudem „müssen wir mit Hilfe von Mikrokrediten einen Anreiz schaffen, energieeffiziente Geräte zu kaufen, die zwar meist etwas teurer in der Anschaffung sind dafür aber langfristig gesehen weniger Strom benötigen“, so der umweltpolitische Sprecher.
DIGITAL FERNSEHEN: Es ist von EU-Seite eine sogenannte EuP-Richtlinie (Directive for energy using products) erlassen worden, die Rahmenbedingungen für umweltschonende und energiesparende Produkte installiert und ein sogenanntes „Eco-Design“ entworfen hat. Ist eine solche Richtlinie aus Ihrer Sicht sinnvoll?
Marco Bülow: Natürlich ist eine europaweit einheitliche Regelung zur Sicherstellung ökologischer Standards wie der EuP-Richtlinie sinnvoll. Das sogenannte Eco-Design orientiert sich daran, insbesondere schon den Entwicklungsprozess eines Produkts zu gestalten, damit es von der Herstellung bis zur Nutzung nachhaltig, ressourcenschonend und umweltfreundlich ist.
Aber aus meiner Sicht reicht die EuP-Richtlinie in der jetzigen Ausgestaltung noch nicht aus. Die EuP-Richtlinie legt zwar einen methodischen Rahmen fest, in dem Durchführungsmaßnahmen zu einzelnen Produktgruppen erlassen werden. Diese setzen voraussichtlich immer nur Mindesteffizienzstandards. Um wirklich Energieeffizienz zu erreichen, müssen wir weitere Maßnahmen gesetzlich verankern.
EU-weit müssen wir einen Top Runner Ansatz in Anlehnung an das entsprechende japanische Modell einführen, das heißt uns bei der Festlegung der Grenzwerte an den besten am Markt verfügbaren Produkten orientieren. Das japanische Top-Runner-Programm legt den maximalen Energieverbrauch für energieintensive Produkte fest, wodurch z.B. bei Videorekordern Energieeinsparungen von 59 Prozent und bei Computern von 83 Prozent erwartet werden sollen.
Der Top-Runner-Ansatz erhebt das beste am Markt befindliche Produkt zum Standard (z.B. Energieverbrauch eines Fernsehers), der von den anderen Produkten der Produktgruppe innerhalb einer bestimmten Frist (z.B. fünf Jahre) erreicht werden muss. Produkte, die dies nicht erreichen, dürfen dann nicht mehr auf den Markt gebracht werden.
Diese Festlegung müsste nach einem bestimmten Zeitraum von der EuP-Richtlinie als Mindeststandard adaptiert werden. Außerdem sollten wir das existierende verpflichtende Energieeffizienzlabel rasch überarbeiten, dynamisieren und erweitern.
DF: Was muss die Politik noch für energiesparende und umweltschonende Produkte aus der Unterhaltungselektronik noch tun?
Bülow: Ich denke, dass die Politik den Menschen zunächst das Thema Energieeffizienz noch näherbringen muss. Es ist Aufgabe der Politik und der Medien, die Menschen aufzuklären. Bei Vielen ist noch nicht angekommen, dass ein ineffizienter PC, der im Durchschnitt täglich acht Stunden läuft, bis zu 200 Euro pro Jahr an Stromkosten verschlingen kann.
Außerdem müssen wir mit Hilfe von Mikrokrediten einen Anreiz schaffen, energieeffiziente Geräte zu kaufen, die zwar meist etwas teurer in der Anschaffung sind, dafür aber langfristig gesehen weniger Strom benötigen. Mit dem Label „Energy Star“ gibt es bereits eine Kennzeichnung für stromsparende Bürogeräte. Allerdings bin ich der Meinung, dass dieses oder auch das europäische „Eco-Label“ noch verbraucherfreundlicher gestaltet werden müsste. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollten schnell und einfach überblicken können, wie viel Strom das Gerät verbraucht, das sie sich anschaffen wollen.
Leider finden politische Forderungen in punkto Energiesparen nach wie vor bei der breiten Bevölkerung keinen Widerhall, daher sollte Energieverschwendung gesetzlich verboten werden. Um höhere Energieeffizienz zu erreichen, sollten alle Stand-by-Schaltungen verboten werden.
DF: Welche Anstrengungen müssen die Hersteller unternehmen, um umweltverträgliche Produkte auf den Markt zu bringen?
Bülow: Die Herstellung von energieeffizienten Geräten muss in Zukunft eine Selbstverständlichkeit sein. Schon bei der Herstellung von Computern und anderer Unterhaltungselektronik muss auf die Umweltverträglichkeit insbesondere auf die Energieeffizienz geachtet werden. Ein Computer muss zum Beispiel mit Stromsparfunktionen ausgestattet sein. Das heißt, nach 15 Minuten Inaktivität sollte der Bildschirm abgeschaltet werden und nach 30 Minuten müsste das Gerät in den Ruhemodus übergehen.
Nicht zuletzt wegen der immer weiter steigenden Energiepreise wollen die Verbraucherinnen und Verbraucher mehr informiert werden über kostensparende (und klimafreundliche) Geräte. Das muss ein Anreiz für die Hersteller sein. Dadurch muss auch ein Wettbewerbsdenken bei den Herstellern entstehen: Wer produziert und verkauft den energiesparendsten und günstigsten Computer?
DF: Was wird die Politik tun, wenn die Hersteller nicht freiwillig den Weg des Energiesparens gehen wollen? Welche Sanktionsmöglichkeiten können Sie sich vorstellen?
Bülow: Es ist Aufgabe der Politik, ambitionierte Energiestandards einzuführen. Das heißt, es muss gesetzliche Maßnahmen geben, die die Hersteller zurechtweisen, wenn sie keine energieeffizienten Geräte auf den Markt bringen. Nur so können wir langfristig etwas erreichen.
DF: Set-Top-Boxen, Fernseher und DVD-Player laufen bei Verbrauchern oft rund um die Uhr. Eine Studie der Deutschen Energie-Agentur hat ergeben, dass sich in Deutschland 140 Millionen Euro Elektroenergie einsparen lassen würden, wenn nur die Hälfte der 39 Millionen Haushalte in Deutschland während einer zweiwöchigen Urlaubsreise die unnötigen Geräte vom Netz nehmen würde. Wie können Verbraucher Ihrer Meinung nach den Energieverbrauch von solchen Elektrogeräten langfristig reduzieren?
Bülow: Sie haben Recht, das mögliche Einsparpotential von Privatleuten und Unternehmen ist enorm. Wenn sämtliche Stand-by-Schaltungen in deutschen Büros und Privatwohnungen verschwinden würden, könnten ein bis zwei Kernkraftwerke abgeschaltet werden. Das wäre ein Einsparpotential von etwa 3,3 Milliarden pro Jahr.
Am meisten Energie und Geld lässt sich sparen, wenn in Zukunft sowohl Privatleute als auch Unternehmen ihre alten Rechner, Drucker, Faxgeräte, Scanner etc. nach und nach durch neue effizientere Geräte ersetzen. Zudem sollten, wie bereits erwähnt, in betriebslosen Zeiten alle Geräte mit einer Abschaltleiste ganz vom Netz genommen werden.
DF:Herr Bülow, vielen Dank für das Interview. [ar]
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