Mehr Olympia in HD? Nicht ganz. ARD und ZDF verzichten bei den Sommerspielen 2012 in London auf die bewährte Praxis, parallele Wettkämpfe auf ihren digitalen Spartenkanälen zu zeigen. Die zusätzlichen Berichte sind ausschließlich im Internet zu sehen, zum Teil sogar unkommentiert. Immerhin: Rund 260 Programmstunden umfasst die klassische TV-Berichterstattung vom 27. Juli bis zum 12. August.
Mehr als doppelt so umfangreich ist hingegen das Angebot an bewegten Bildern, das die beiden öffentlich-rechtlichen Sender im Internet zeigen. „Die Live-Streams ersetzen das Angebot in den Digitalkanälen bei früheren Olympischen Spielen“, sagte ARD-Teamchef Walter Johannsen am Donnerstag in Hamburg und bemühte sich, den Sparkurs schönzureden: „Das Angebot im Internet bietet dem Publikum eine bislang nicht gekannte Vielfalt.“
Mit sechs parallelen Livestreams auf den Online-Seiten bieten das Erste und das Zweite ein umfangreiches Programm wie noch nie. An manchen Tagen sind es bis zu 60 Stunden zusätzlich. Die Produktion für das Internet sei sogar günstiger als für Digitalsender wie Eins Plus oder ZDFinfo, räumte der ARD-Teamchef freimütig ein. „Ziel beider Sender ist es, kostenbewusst einen Mehrwert für die sportinteressierten Zuschauer zu schaffen“, heißt das in der gemeinsamen Sprachregelung der Sendeanstalten.
Der Sport war schon häufig ein Treiber bei technischen Neuerungen, etwa bei der Einführung des Farbfernsehens oder beim Pay-TV. Nun wird es bei Olympia soviel Berichterstattung im Internet geben wie noch nie von einem Sport-Ereignis. „Wir werden eine neuen Höhepunkt in der Nutzung erleben“, prognostizierte ZDF-Chefredakteur Peter Frey. Abrufbar sind die Streams über Computer, Smartphones und Tablet-PCs.
ARD und ZDF bieten die gleichen Livestreams an. Nur das Hauptprogramm, das auch im klassischen Fernsehen läuft, wird ausschließlich auf den eigenen Internetseiten angeboten. An ARD-Sendetagen übernehmen die Reporter des ZDF die Kommentierung des Livestreamings, an ZDF-Sendetagen sind die ARD-Reporter an der Reihe – meistens jedenfalls. „Es kann auch mal passieren, dass wir nur Bilder zeigen und der fachkundige Zuschauer sich auch den Kommentar machen muss“, erklärte der ZDF-Chefredakteur.
Es gibt im Internet keine Anmoderation und auch keine Interviews, sondern „den puren Sport“, wie es Anke Scholten nennt, die ZDF-Programmchefin bei Olympia. „Das ist das Event eins zu eins, etwas für echte Sportfreaks“. Die Produktion mache nicht weniger Arbeit als die bisherige Aufbereitung für die Digitalkanäle, aber „es ist weniger kompliziert“.
„Man kann sein eigener Programm-Direktor sein“, warb ZDF-Moderatorin Kathrin Müller-Hohenstein für die Änderung. Durch den Wechsel von den digitalen Kanälen ins Internet bietet sich für den Zuschauer auch die Möglichkeit, das Angebot zeitversetzt zu nutzen. Durch das sogenannte Timeshifting-Verfahren kann jeder Stream angehalten und später wieder gestartet werden. Zusätzlich sind Highlight-Videos auch mehrere Tage später noch abrufbar.
Das neue Angebot hat allerdings einen kleinen Haken. Zuschauer ohne Internetzugang oder ohne ausreichende Bandbreite können die Streams nicht sehen. Das dürfte etwa ein Viertel aller deutschen Haushalte betreffen. „Um das Streaming in einer zufriedenstellenden Qualität zu empfangen, sollten ein DSL-Anschluss mit einer Datenübertragungsrate von mindestens 2 Mbit/s zur Verfügen stehen“, heißt es in einer Erklärung der Sender. Ein weiteres Problem könnten zudem die Rechner der beiden Sender sein. „Irgendwann sind die Kapazitäten erreicht“, sagte der ZDF-Chefredakteur. [ar/Michael Rossmann]
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