Die größte spanische Rundfunkanstalt Corporación Radiotelevisión Española (RTVE) sieht im kommenden Jahr einer drastischen Budgetkürzung in Höhe von 200 Millionen Euro entgegen.
Am Mittwoch (4. Januar) will die RTVE-Ratsversammlung zu einer außerordentlichen Sitzung zusammentreffen, um die detaillierten Auswirkungen der Kürzung und mögliche Maßnahmen zu besprechen. Es ist zu erwarten, dass das kleinere Budget sich hauptsächlich auf die Sendeplanung auswirken wird.
Allein die Übertragung der Olympischen Spiele 2012 soll bereits mit Kosten von 70 Millionen Euro zu Buche schlagen und könnte daher ebenfalls von Streichungen und Sendeänderungen betroffen sein. Problematisch ist jedoch, dass von dem ursprünglichen Jahresbudget von 1,2 Milliarden Euro bereits etwa 80 Prozent verplant wurden und Änderungen jetzt nur noch schwer realisierbar sind, wie die Tageszeitung „El Pais“ am Montag berichtete.
Als eine seiner ersten Amtshandlungen im abgelaufenden Jahr kündigte der neue spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy am 30. Dezember 2011 umfassende Kürzungen der Staatsausgaben sowie Steuererhöhungen an. Speziell für RTVE ist dieser finanzielle Einschnitt ein schwerer Schlag. Bereits in den vergangenen Jahren musste das Senderkonglomerat aufgrund von finanziellen Engpässen einige hochdotierte Lizenzen für Sportübertragungen trotz regelmäßig höchster Einschaltquoten aufgeben.
Für 2012 verlor der Staatsrundfunk unter anderem die Übertragungsrechte für die MotoGP-Weltmeisterschaft an den Privatsender Telecinco, obwohl sich die Rennen der höchsten Motorradklasse beim spanischen Publikum in puncto Popularität lediglich mit Fußball und Formel1 messen müssen.
Zudem hatte RTVE seit 2007 im Rahmen eines Aktionsplans bereits massiv Arbeitskräfte abgebaut. Etwa 40 Prozent der Mitarbeiter wurde entlassen oder vorzeitig in den Ruhestand verabschiedet, obwohl RTVE als öffentlicher Rundfunk europaweit bereits die niedrigste Mitarbeiterzahl aufweist. Eine weitere Kürzung der Mittel für die insgesamt sechs Fernsehsender und fünf Radiokanäle könnte nun das Ende von weiteren Arbeitsplätzen oder gar ganzen Sendern bedeuten.
Um den Budgeteinschnitt auszugleichen, zieht RTVE-Verwaltungsratsmitglied Ruesga Santos auch die Wiedereinführung von Werbung in Betracht. 2010 hatte RTVE einen kompletten Verzicht auf Fremdwerbung durchgesetzt und ist seitdem trotz einem veränderten Finanzierungssystem verstärkt auf staatliche Unterstützung angewiesen.
Santos veranschlagt drei Minuten Werbezeit pro Stunde, um die Finanzen wieder aufzustocken und auch die Abhängigkeit von Staatsmitteln zu verringern. Momentan kann der öffentliche-rechtliche Sender vier Minuten pro Stunde für Eigenwerbung nutzen, ein Teil dieser Zeit könnte zugunsten von Fremdwerbung geopfert werden. Laut Santos würde dies zusätzliche Einnahmen von 100 Millionen Euro bedeuten. Allerdings wären dafür eine gesetzliche Anpassung notwendig – und langwierige Verhandlungen mit den privaten Sendern.
RTVEs Finanzierungssystem basiert momentan sowohl auf direkter staatlicher Unterstützung als auch auf einer Beteiligung am Jahreseinkommen sämtlicher spanischer Privatsender (3 Prozent), Pay-TV-Kanäle (1,5 Prozent) sowie Telekommunikationsbetreiber (0,9 Prozent), die als Ausgleich für den Werbeverzicht geleistet werden. Im Jahr 2010 betrug der staatliche Anteil am Gesamtbudget 580 Millionen Euro.
Angebliche Fehlkalkulationen der Anteilszahlungen der Privatsender und Telekommunikationsunternehmen sorgten schon im ersten Jahr dafür, dass RTVE ein Budgetdefizit von 47 Millionen Euro ausgleichen musste. Eingeklagte Neuberechnungen führten jedoch zu einer Nachzahlung von 56,6 Millionen Euro. [sv]
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