Space-Shuttle „Atlantis“ geht auf seine letzte Reise

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Nahezu pünktlich, fast ohne Probleme: Der letzte Start der Raumfähre „Atlantis“ hätte kaum besser laufen können. Und doch überwiegt bei vielen Amerikanern die Trauer. In nicht einmal zwei Wochen ist das Zeitalter der amerikanischen Space Shuttle endgültig vorbei.

Mit seinem letzten Start ins Weltall hat der Space Shuttle „Atlantis“ am Freitag eine Zeitenwende in der Raumfahrt eingeleitet. Der Orbiter hob trotz dunkler Wolken am Himmel um 17.29 Uhr deutscher Zeit vom Weltraumbahnhof in Cape Canaveral (Florida) ab. Vier Astronauten an Bord bringen nun Ausrüstung und Verpflegung zur Internationalen Raumstation ISS. Ihre knapp zweiwöchige Reise beendet für bislang nicht absehbare Zeit die Ära der bemannten Raumfahrt in den USA. Deutsche Astronauten setzen sich derweil für den Bau eines europäischen Raumschiffs ein.
 
„Viel Glück, gute Reise, und habt ein bisschen Spaß da oben“, wünschte der Startdirektor der Raumfahrtbehörde Nasa, Mike Leinbach, seiner Besatzung noch, dann schob sich der Flieger schnurgerade auf einer Säule aus Flammen und Rauch in den Himmel. Die Verantwortlichen sprachen hinterher erleichtert von einem „problemlosen Start“.
 
Allerdings war der Countdown kurz vor der geplanten Flugzeit um 17.26 Uhr unterbrochen worden, weil kurzzeitig befürchtet wurde, dass sich ein Haltearm nicht komplett von der „Atlantis“ gelöst hatte. Die Entwarnung kam rechtzeitig, bevor sich das zehnminütige Startfenster wieder schloss.
 
US-Präsident Barack Obama freute sich über den „Bilderbuchstart“ der „Atlantis“, lobte die Leistungen der Nasa und ihres Shuttle-Programms – und richtete den Blick nach vorne. „Es mag der letzte Start eines Space Shuttle sein – aber er führt uns in die nächste Ära unseres unendlichen Abenteuers, die Grenzen der Erkundungen und Entdeckungen immer wieder neu zu ziehen.“ Ziel sei, Amerikaner zum Mars zu schicken. Die Nasa sei der Herausforderung gewachsen – „und ich plane dabei zu sein, es zu sehen“, sagte Obama.
 
Der lang angekündigte Flugtermin stand bis zuletzt wegen des schlechten Wetters infrage. An den Vortagen hatten sich dicke Wolken über die Atlantikküste in Florida geschoben, die auch am Freitag den Himmel verdunkelten und einen Flug beinahe zu unsicher gemacht hätten. Die Startchancen lagen nur bei 30 Prozent – doch pünktlich zum Abflug klarte es ausreichend auf.
 
Fast eine Million Schaulustige in der Region um das Kennedy Space Center wurden Zeugen des historischen Shuttle-Starts. Einige waren um den halben Globus gereist, um dem bewegenden Moment beiwohnen zu können. Schon Mitte der Woche hatten sich Fans an den umliegenden Stränden die Plätze mit der besten Sicht auf den Himmel über dem Weltraumbahnhof gesichert. Ein Bilderbuchstart blieb ihnen verwehrt; zu schnell verschwand der Shuttle in den tief hängenden Wolken.

Bereits am Donnerstagabend waren in der 40 000Einwohner zählenden Stadt Titusville die Campingplätze, Rasenflächen undBetonparkplätze von Supermärkten mit Zelten und Wohnmobilen übersät.Tausende fanden keinen Ort zum Übernachten und mussten die regnerischeNacht im Auto oder im Freien auf Stühlen sitzend verbringen. DerStraßenverkehr stockte schon um 6.00 Uhr morgens (Ortszeit), vor demStart ging auch auf den Highways gar nichts mehr.
 
Währendder wochenlangen Vorbereitung auf den Abschiedsflug hatte sich die“Atlantis“ in technischer Topform gezeigt, wie selten ein Shuttle zuvor.Ihre letzte Reise beschließt das Programm nach drei Jahrzehnten und 135Missionen. Die wiederverwendbaren Raumfähren haben mehr als 1320 Tageim All verbracht. Sie sind bisher mehr als 860 Millionen Kilometer weitgeflogen und haben dabei fast 21 000 Mal die Erde umrundet.
 
Wiedie „Atlantis“ kommen die noch existierenden Shuttle „Endeavour“ und“Discovery“ in amerikanische Museen. Die „Challenger“ und die „Columbia“waren im Einsatz explodiert. Insgesamt 14 Astronauten kamen dabei umsLeben.Ziel der laufenden Abschiedsreise ist es, einenJahresvorrat von mehr als 3,8 Tonnen Proviant, Ausrüstung undErsatzteilen zur ISS zu bringen. Zudem soll eine neue Methode getestetwerden, Satelliten im Weltall von Robotern betanken zu lassen.
 
Alsweiteres Experiment ist geplant, mit neu entwickelten Plastikbehälternmenschlichen Urin in Trinkwasser zu verwandeln. Außerdem wollen dieAstronauten eine schwergewichtige defekte Kühlpumpe von der ISS mit nachHause bringen – ein Transportvorhaben, das ohne Shuttle künftig nichtmehr möglich sein wird.Nach der „Atlantis“-Rückkehr, diefür den 20. Juli vorgesehen ist, verfügen die USA mindestens für mehrereJahre über keine Weltraumvehikel, die Astronauten ins All befördernkönnen. Die Nasa ist dann für ihre Astronauten auf Mitfluggelegenheitenin den russischen „Sojus“-Kapseln angewiesen. Große Fracht aus dem Allkann künftig überhaupt nicht mehr zur Erde zurückgebracht werden.
 
Anlässlichdes letzten Starts haben sich ehemalige deutsche Astronauten für denBau eines europäischen Raumschiffs ausgesprochen. „Für uns Europäer istdas eine Aufforderung zum Tanz“, sagte Ulf Merbold, der 1983 als ersterNicht-Amerikaner mit einem Space Shuttle ins All flog, am Freitag inKöln. Sechs weitere Deutsche folgten ihm.
 
„Wir sollten inEuropa die Infrastruktur entwickeln, um den Weltraum zu erreichen undsicher zurückzukehren“, sagte Merbold. Sein Kollege Ernst Messerschmid,der 1985 an Bord einer Weltraumfähre war, stimmte ihm zu: „Europa würdees gut anstehen, mehr Selbstvertrauen zu entwickeln und solche Missionenautonom durchzuführen.“
 
Technisch liege ein solcher Griffnach den Sternen nicht weit weg, betonte Merbold. Das europäischeWeltraum-Transport-Modul ATV könne bereits problemlos an dieInternationale Raumstation ISS andocken.
 
Die beidendeutschen Weltraum-Veteranen hatten den letzten Start der RaumfähreAtlantis im Astronauten-Trainingszentrum der EuropäischenWeltraumagentur ESA in Köln per Live-Video verfolgt. „Ich empfinde großeFreude über den geglückten Start und große Dankbarkeit, aber auch einbisschen Wehmut über das Ende des Programms“, sagte Messerschmid.
 
DerAbschiedsflug der „Atlantis“ birgt ein zusätzliches Risiko. Bei einemDefekt stehen die nunmehr ausrangierten Schwesternschiffe nicht mehr alsRettungsflieger bereit. Die Astronauten müssten mit russischen“Sojus“-Kapseln von der ISS abgeholt werden – und zwar aus Platzgründeneiner nach dem anderen. Vorsichtshalber zählt die Crew diesmal auch nurvier statt wie sonst sieben oder acht Mitglieder. [Marco Mierke/Frank Brandmaier]

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