Vier Monate hatten Zeitungsverleger und ARD Zeit, ihren Streit um die beliebte „Tagesschau“-App aus der Welt zu schaffen. Ein Kompromiss ist aber nicht in Sicht – jetzt kommt es zum Showdown vor Gericht.
Der Donnerschlag schreckte die Zuhörer beim Kölner Medienforum gehörig auf: Acht Zeitungsverlage hätten Klage gegen die „Tagesschau“-App eingereicht, teilte WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus mit. Damit war der Streit zwischen den Zeitungsmachern, die ihre Erlöse auf dem Markt erwirtschaften müssen, und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der durch Gebühren finanziert wird, eskaliert. In den vier Monaten seither gab es keine Annäherung. Nun übernimmt das Kölner Landgericht den Fall – für Donnerstag (13. Oktober) ist der erste Termin angesetzt.
Beide Seiten haben dieselbe Sorge – den Anschluss an die rasante Entwicklung auf dem Medienmarkt zu verpassen. Verlage müssten auch mit digitalen Produkten Geld verdienen, sagt Nienhaus. „Das kann nicht funktionieren, wenn die gebührenfinanzierten Sender dauerhaft kostenlose Volltextdienste anbieten“. Ein Rückzug kommt aber für ZDF-Intendant Markus Schächter nicht infrage: „Wer nicht ins Netz geht, geht ins Museum.“ Und die ARD-Vorsitzende und WDR-Intendantin Monika Piel ergänzt: „Wenn die ARD hier nicht am Ball bleibt, kann sie ihrem gesetzlichen Auftrag nicht mehr nachkommen“.
ARD und ZDF wie auch die Zeitungsmacher zielen auf die Avantgarde derMediennutzer, auf Leute, die auf Tablet-Computern wie dem iPad Textelesen, Fotos, Grafiken und Videos anschauen und O-Töne hören. Schonjetzt gibt es attraktive Zeitungsausgaben, die mit viel Aufwand fürsolche Endgeräte programmiert werden. Damit wollen die Verleger Geldverdienen und im besten Fall die sinkende Zahl der Abonnenten ihrerPapierausgaben ausgleichen. Wenn diese potenziellen Neukunden aber vonder Tagesschau eine hochwertige Alternative kostenlos geboten bekommen,dann gehen sie dorthin, so die Befürchtung.
ARD und ZDFdagegen wissen, dass die Info-Elite sich nicht mehr an feste Sendezeitenbindet. Wer sich aber auf dem Bildschirm-Computer von der Tagesschauinformieren lässt, will nicht passiv zuschauen, sondern klicken, willThemen vertiefen – auch mit Erklärtexten. Um die dreht sich der Streit:“Wir nehmen Anstoß an der textlastigen Berichterstattung in der App“,sagt Helmut Heinen, Präsident des Bundesverbands DeutscherZeitungsverleger, „wir sind überzeugt, dass diese Presseähnlichkeitgegen den Rundfunkstaatsvertrag verstößt“.
Die ARD wirdargumentieren, dass die App nichts enthält, was nicht schon auf derInternetseite der Tagesschau steht. Das könnte aber auch gegen sieverwandt werden. Denn sollten die Verlage sich mit ihrer Ansichtdurchsetzen, dass die Texte aus der App verschwinden müssen, könnten siesich als nächstes die Internetseite Tagesschau.de vornehmen. Ein Risikobirgt der Streit aber auch für die Zeitungen. Denn die „Tagesschau“-Apphat 2,3 Millionen Nutzer, und wenn sie ärmer wird, weil dort keineTexte mehr stehen dürfen, dann könnten die Zeitungsverlage sich dasImage des Spielverderbers einhandeln.
Es gibt auchKompromissideen. Die „Tagesschau“ könnte dort, wo sie Texte im Internetbraucht, Zeitungsartikel kaufen und Links zu den Zeitungen setzen. DenVerlegern brächte das nicht nur Geld, sondern auch Online-Traffic. Eineandere Lösung schlug Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner vor: ARD undZDF sollten ihre Texte kostenpflichtig anbieten. Und Marc Jan Eumann(SPD), NRW-Medienstaatssekretär, bringt in seinem neuen Buch“Journalismus am Abgrund“ die „Coopetition“ ins Spiel, die Mischung ausWettbewerb und Zusammenarbeit. Beispielsweise könne das aus Gebührenfinanzierte Auslandskorrespondentennetz von ARD und ZDF indirekt auchden Zeitungsverlagen zugutekommen.
Was aus diesen Ideenwird, ist offen. ARD-Vorsitzende Piel sagt, die Klage der Verleger seikein Gesprächsangebot gewesen. „Trotzdem bin ich guter Dinge, dass wirmöglichst bald wieder gemeinsam an einem Tisch sitzen werden, umMöglichkeiten für Kompromisse und Kooperationen auszuloten. Das giltauch für den Fall, dass die ARD den Prozess gewinnt“. [Jürgen Hein]
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