Die kleine Form soll groß rauskommen: Im Netz sind kurze Videos schon lange der Hit. Jetzt wollen auch die TV-Profis Filme im Mini-Format produzieren – aber mit Millionenbudgets.
Es war eines der wichtigen Themen auf der Fernsehmesse MIPTV in Cannes, die am Mittwoch zu Ende ging: die neue amerikanische Videoplattform Quibi, deren Start für Ende des Jahres geplant ist. Nur Filme oder Serienepisoden, die nicht mehr als zehn Minuten lang sind, sollen dort angeboten werden – aber in Hollywood–Qualität. Damit sind auch die Produktionskosten entsprechend teuer.
Dafür ziehen die großen US-Studios, darunter Warner, Disney oder NBC, an einem Strang, auch bei der Finanzierung des Projekts. Stars und Branchengrößen wie Musiker Justin Timberlake und Guillermo del Toro („Shape of Water“) sind bereits an Bord, um Inhalte herzustellen. Vor allem junge Menschen, die Medien häufig auf mobilen Endgeräten konsumieren, sollen als Abonnenten gewonnen werden.
Die Organisatoren der MIPTV selbst hatten eine Studie in Auftrag gegeben, die ein erhebliches Wachstumspotenzial für diesen Bereich bestätigt: Demnach schauten etwa die zwischen 1995 und 2010 Geborenen im Schnitt 68 Videos pro Tag. „Die 2017 gegründete Plattform „Facebook Watch“ beispielsweise hat heute jeden Monat 400 Millionen Nutzer“, erklärte Brancheninsider Jack Davison in Cannes.
Der Geschäftsführer von Warner Bros. ITVP Deutschland René Jamm („Bares für Rares“) betrachtet die aktuelle Entwicklung nüchtern: „Am Ende des Tages ist es eine andere, weitere Form des Erzählens, die im linearen Fernsehen selten stattfindet.“ Seine erste „Short Form“-Produktion ist die satirische Web-Serie „In bester Verfassung“, die im Juni online unter anderem in der ZDF-Mediathek abrufbar sein soll.
An der Produktion der acht jeweils sieben bis acht Minuten langen Folgen sind neben Altstar Gudrun Landgrebe auch die YouTuber Joseph Bolz und Fabian Siegismund beteiligt. In der Serie geht es um zwei Verfassungsschützer, die in der Eifel eine islamistische Terrorbedrohung erfinden.
Jamm geht davon aus, dass durch die Kurzform-Formate auch noch andere Anbieter als bisher aktiviert werden: „Neben Sendern sowie Videoplattformen werden sicher große Marken ebenfalls „Short form“ produzieren.“
Dafür gab es an der Cote d’Azur schon erste Beispiele. Playmobil-Vorstandsmitglied Lars Wagner bestätigte, „Short Form“-Inhalte seien Teil der digitalen Strategie des Spielzeug-Herstellers. Schon seit Jahren ist der Konzern auf YouTube präsent: „Dieses Engagement werden wir ausbauen, das nächste Highlight steht bereits an.“ Am 19. April startet die Serie „Playmo High“ als Stop-Motion-Animation. Die erste Staffel enthält elf Folgen von jeweils 5-6 Minuten Länge.
Die MIPTV in Südfrankreich, die am Mittwoch zu Ende ging, zeigt, was schon bald in Millionen Wohnzimmern über die Bildschirme flimmert. Rund 10.000 Verantwortliche von Sendern, Produktionsfirmen, Programmvertrieben, Internetplattformen und Medienkonzernen aus aller Welt kamen an der Côte d’Azur zusammen. [Wilfried Urbe]
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