Die Debatte um die Abschaffung der Gebühren für öffentlich-rechtliches Radio und Fernsehen in der Schweiz geht in die heiße Phase. Am 4. März wird abgestimmt.
Eine selbstkritische Haltung fordert der Chef des schweizerischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Diskussion um den Rundfunkbeitrag. Es gebe die Tendenz, „von oben herab“ zu sprechen, dabei sei ein Dialog mit Hörern und Zuschauern sowie der Zivilgesellschaft auf Augenhöhe angebracht, auch in sozialen Netzwerken, sagte Jean-Michel Cina, Präsident der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG), der Deutschen Presse-Agentur.
Der Streit um die Rundfunkgebühr kommt in der Schweiz in drei Monaten vor das Volk: Es stimmt am 4. März darüber ab, ob die Gebühren abgeschafft werden, wie es die „No Billag“-Initiative vorschlägt. Billag ist die Gebühreneinzugszentrale. Ohne Gebühren sei ein hochwertiges Programm in den vier Landessprachen mit ausgewogenen, einordnenden Informationen nicht mehr möglich, so Cina. Er sei aber „verhalten optimistisch“, dass es gelingt, die Schweizer vom Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu überzeugen.
„Das über Gebühren finanzierte Radio und Fernsehen ist heute einem höheren Legitimationsdruck ausgesetzt als früher“, sagte Cina. „Das hängt unter anderem mit der Gratis-Mentalität zusammen, die sich etabliert hat. Viele denken, Informationen generell und im Internet insbesondere seien gratis zu haben.“
Die Initiatoren der „No Billag“-Initiative finden, Hörer und Zuschauer sollten nur für das zahlen, was sie auch nutzen. Cina lehnt so ein Modell für die SRG ab. „Wenn nur noch produziert wird, was sich rentiert, könnte das zu einer Schwächung der Demokratie führen“, sagte er. „Unabhängige, sichere und ausgewogene Informationen fördern die Meinungsbildung, und das rechtfertigt einen öffentlich finanzierten Rundfunk.“
„Es profitieren auch die, die unsere Sendungen nicht schauen oder hören“, sagte er. Etwa, wenn Verbraucherschutzsendungen Missstände aufdeckten, die dann beseitigt würden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse seinen Mehrwert noch besser als bislang erklären, so Cina. Ratschläge für andere Länder lägen ihm fern. Aber beispielsweise könnte das Publikum in einer Talkshow wie „Anne Will“ sonntags in der ARD über die sozialen Medien beteiligt werden und prominenten Politikern Fragen stellen dürfen.
In der Schweiz komme hinzu, dass auch die französisch, italienisch und romanisch sprechenden Minderheiten Anspruch auf vollwertige Programme hätten. Die könnten aber wegen des relativ kleinen Publikums ohne Gebühren nicht produziert werden. „Die identitätsstiftenden Werte der Schweiz werden verkörpert durch ein Grundverständnis gegenseitiger solidarischer Unterstützung“, sagte Cina. „Ich hoffe, dass das die Abstimmung beeinflusst.“[dpa]
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