Seit Anfang November ist der russische Nachrichtensender im Internet mit einem deutschsprachigen Angebot am Start. Ein deutscher TV-Sender des kremlnahen Nachrichtenhauses soll folgen. Es wäre vermutlich der erste echte Nachrichtenkanal in deutscher Sprache.
Seit Anfang November sorgt der russische Nachrichtensender Russia Today (welcher dieser Tage genau genommen nur noch unter dem Namen RT firmiert) für Aufsehen in Deutschland. Grund dafür ist das neue deutschsprachige Angebot, das zunächst im Internet unter www.rtdeutsch.com gestartet wurde. Es wird aufgelockert durch ein erstes deutschsprachiges Web-TV-Angebot mit dem Titel „Der Fehlende Part“, welches werktäglich um 19.30 Uhr ausgestrahlt wird. Ein vollständiger TV-Ableger von RT für Deutschland ist ebenfalls geplant, wie der Veranstalter Anfang November gegenüber DIGITAL FERNSEHEN mitteilte. Einen Starttermin gäbe es dafür allerdings noch nicht.
Dass der Sender von der russischen Regierung finanziert und von dieser massiv propagandistisch genutzt wird, ist längst kein Geheimnis mehr. Darüber, wie dabei unter dem Vorwand journalistischer Unabhängigkeit offenbar Fakten aus dem Zusammenhang gerissen und verdreht werden, hat in den vergangenen Tagen unter anderem „Die Zeit“ einen ausführlichen Beitrag veröffentlicht, auf den diesbezüglich hier verwiesen sei.
Die Frage ist allerdings: Stellt die inhaltliche Ausrichtung von RT ein Problem dar? Immerhin ist Russland bei weitem nicht das einzige Land, das einen eigenen Auslandssender betreibt, um seine Werte und Staatsideologie auch außerhalb des eigenen Territoriums zu verbreiten. Zuschauer sind dem Sender keineswegs ausgeliefert, denn mit CNN International, BBC World News, Sky News, France 24, Al Jazeera und anderen stehen eine ganze Reihe weiterer Nachrichtenkanäle zur Auswahl. Was jedoch all diese Sender vereint: Sie senden nicht in deutscher Sprache und erreichen hierzulande damit nur ein begrenztes Publikum.
Doch genau an dieser Stelle könnte RT zum Pionier werden. Denn sollte der Veranstalter 2015 tatsächlich einen vollständigen deutschen TV-Ableger an den Start bringen, wäre dies nicht weniger als der erste echte 24-Stunden-Nachrichtensender, der in deutscher Sprache sendet. Sollte dem Kanal dieses Kunststück gelingen, was nicht unwahrscheinlich ist, dann müsste wahrscheinlich auch die inhaltliche Ausrichtung des Senders tatsächlich mit größerer Sorge betrachtet werden. Denn ein vollwertiges Gegengewicht zu einem solchen Programm böte die eigentlich breit aufgestellte deutsche TV-Landschaft nicht.
Die möglicherweise von einigen Lesern erwarteten Gegenbeispiele n-tv und N24 lasse ich an dieser Stelle nicht gelten, da der Nachrichtenwert von Dokumentationen über das Paarungsverhalten von Buckelwalen, über das Leben und Arbeiten auf amerikanischen Flugzeugträgern sowie über Adolf Hitler und das Dritte Reich, die den Großteil des nachmittäglichen und abendlichen Programms dieser Sender ausmachen, eher gering einzustufen ist. Auch der öffentlich-rechtliche Vertreter Tagesschau24 taugt mit seinen Endlosschleifen der „Tagesschau“-Sendungen kaum als Positivbeispiel eines Nachrichtensenders. Mit größeren Abstrichen ließe sich lediglich der aus Frankreich stammende Sender Euronews als „echter“ Nachrichtensender ansehen. Für die deutsche TV-Landschaft wäre RT damit im wahrsten Sinne des Wortes „der fehlende Part“.
Dass sich die deutsche TV-Landschaft trotz ihrer Vielfalt und trotz der Stärke des Marktes keinen vollwertigen Nachrichtensender in Landessprache leistet, ist europaweit fast schon ein Kuriosum. In Großbritannien senden BBC News und Sky News, in Frankreich France 24 und LCI, in Polen sind es Polsat News, TVN24 und TVP Info. Spanien hat 24 Horas im Angebot. Italien kann unter anderem mit Rai News und TG24 aufwarten, in Tschechien gibt es CT 24 und selbst in Rumänien gibt es mit TVR Info einen entsprechenden Kanal.
Der Wert eines richtigen Nachrichtenkanals wird im europäischen Ausland offensichtlich höher eingestuft als hierzulande. Im Namen von Wirtschaftlichkeit und Quote füllen die Veranstalter ihre Kanäle hierzulande zu einem großen Teil mit Dokumentationen, die als Lizenzware zumeist aus den USA eingekauft werden. Ein hochwertiger Nachrichtensender kostet hingegen vor allem Geld – Geld, dass man anderswo eher bereit ist, zu investieren. Dabei ist es nachrangig, ob die Finanzierung privat, staatlich oder öffentlich-rechtlich erfolgt. All diese Spieler sollten in Deutschland in der Lage sein, ein entsprechendes Angebot zu bieten.
Bei RT könnte die Investitionsfreude nun sogar soweit reichen, dass ein kompletter deutschsprachiger Nachrichtensender dabei herauskommt. Sollte es dazu kommen, werden hiesige Medienhäuser mit Sicherheit die Nase kräftig rümpfen und das wahrscheinlich nicht ganz unbegründet. Ein vollwertiges Gegenangebot hätten sie dann jedoch nicht in Petto. [Kommentar von Patrick Schulze, Redakteur]
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