Der Wandel im Fernsehbereich beschäftigt auch RTL, auch wenn der Programmeschäftsführer Frank Hoffmann den Kölner Sender gut aufgestellt sieht. Einzig das Gebaren der Öffentlich-Rechtlichen bei den Sportrechte sorgt für Ärger.
Der Kölner Privatsender RTL setzt weiter auf Günther Jauch. Mit Thomas Gottschalk wird Neues verhandelt. Entertainer Stefan Raab, der zum Jahresende ProSieben verlässt, ist dagegen zurzeit keine Option für den Privatsender. Im dpa-Interview nennt RTL-Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann (49) den Wettbewerb mit den Öffentlich-Rechtlichen, vor allem beim Sportrechteerwerb, angesichts der Finanzausstattung von ARD und ZDF „eine Farce“.
Was muss man tun, dem Publikum angesichts der Konkurrenz wie neuer Streamingdienste das gute alte Fernsehen schmackhaft zu machen?
Frank Hoffmann: Das gute alte Fernsehen ist lebendiger denn je, denn es gibt viel mehr Möglichkeiten für uns, Menschen zu unterhalten und zu informieren, wann und wo sie wollen. Um als Inhalteanbieter erfolgreich zu bleiben, müssen wir programmlich das tun, was wir schon immer gemacht haben: relevante Themen aufspüren, die besten Talente binden, mit ihnen die bestmöglichen Programme zusammenstellen und für diese am Ende ideale strategische Voraussetzungen schaffen. Heute ist es schwerer als früher, einen großen Hit zu landen, weil viel mehr Angebote um das Zeitbudget und die Aufmerksamkeit der Zuschauer buhlen. Umso wichtiger ist es, eigene, exklusive Inhalte zu haben um damit die Gesprächsthemen zu setzen.
Früher saßen bei neuen Programmen locker fünf oder acht Millionen Zuschauer vorm TV – heute kann man als TV-Veranstalter froh sein, wenn eine drei vorm Komma steht. Wie will man verhindern, dass die Erosion weitergeht?
Hoffmann: Es steht außer Frage, dass Fernsehen das Massenmedium bleiben wird, aber klar ist auch, dass alle großen Sender an Reichweite verloren haben, während unzählige kleine zulegen. So war die Entwicklung in den USA und so ist sie bei uns. Trotzdem: Wenn Sie sich mal alle Sendungen anschauen mit fünf Millionen Zuschauern und mehr, die durch Werbung unterbrochen werden, dann taucht in dieser Top 50 allein RTL auf mit Spitzenwerten von 12 Millionen Zuschauern. Die ganz großen Lagerfeuer werden zwar seltener, aber dadurch immer wertvoller.
Bei Sat.1 rumpelte es vergangene Woche: Zwei Serien und ein Magazin flogen aus dem Programm. Ein Alarmsignal für die Branche?
Hoffmann: Ich denke nicht, dass dies ein Signal für die Branche ist, denn jeder Sender hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten und Notwendigkeiten. Wir hatten im vergangenen Jahr einen schlechten Seasonstart und haben hart gearbeitet, viel probiert und noch mehr gelernt, so dass wir gestärkt und mit guten Zahlen in die neue Season starten konnten.
Wird es erneut einen Versuch geben, mit der ProSiebenSat.1 Media AG eine gemeinsame Video-Plattform fürs Netz aufzubauen?
Hoffmann: Das Kartellamt hat entschieden und wir haben unsere eigenen Antworten gefunden. Es steht aber außer Frage, dass es aus unserer Sicht eine Ungleichbehandlung gibt. Wir werden von der hiesigen Ordnungspolitik mit internationalen Playern ungleich behandelt. Wir sperren uns nicht grundsätzlich gegen Auflagen wie die zur Vielfaltssicherung, aber als Programmmacher würde ich schon gern selbst entscheiden, wann ich ein Magazin wie „Spiegel TV“ zeige.
ARD und ZDF haben einen hohen Mehrbedarf an Rundfunkbeiträgen angemeldet – was bedeutet das für RTL, zum Beispiel beim Sport?
Hoffmann: Die öffentlich-rechtlichen Sender sind hoch ambitioniert, wenn es um Sportrechte geht, da sie damit auch junge Zuschauer quasi zukaufen, die sie sonst kaum noch erreichen. Sie sind mit dem Geld der Gebührenzahler finanziell so gut ausgestattet wie in keinem anderen Land. Aber vielleicht orientieren sich die Rechteinhaber ja nicht nur am Geld. In der Sportszene sagt man uns nach, RTL könne aus großen Ereignissen noch größere machen.
Ergeben sich daraus reelle Chancen für Sie, beim Bundesliga-Rechteerwerb mitzumischen?
Hoffmann: Grundsätzlich bekommen wir ein hohes Maß an Anerkennung für unsere Berichterstattung über die Nationalmannschaft. Dass uns die Übertragungen solcher Ereignisse zudem großen Spaß machen, ist auch bekannt. Manchmal träumen wir gern auch mal, neigen aber am Ende zu Realismus. Der Wettbewerb mit den Öffentlich-Rechtlichen um Sportrechte, die mal eben eine Milliarde Euro an Bedarf in diesem Bereich anmelden, ist kein Wettbewerb, sondern eine Farce.
Auf die historische Serie „Deutschland 83“ setzt RTL große Stücke. Gehen wir mal von einem Publikumserfolg aus: Was kann RTL auf dem Sektor noch nachlegen?
Hoffmann: Wir werden nachlegen und pflegen, denn entscheidend ist die richtige Mischung aus Neuem und Bewährtem. So haben wir zum Beispiel gemeinsam mit der Produktionsfirma Ufa intensiv an der täglichen Serie „Alles was zählt“ gearbeitet, die sich jetzt um fast einen Prozentpunkt Marktanteil verbessert hat. Entsprechend bereiten wir uns nun auf die 6000. Sendung von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ im nächsten Jahr vor, eine werktägliche Serie übrigens, die im Schnitt drei Millionen Zuschauer am Vorabend erreicht und damit mehr als die 20.15-Uhr-Serien der gesamten privaten Konkurrenz. Auch den „Lehrer“ schicken wir mit 13 anstatt bisher acht neuen Folgen in die Saison. Bei „Deutschland 83“ haben wir die Drehbücher für eine zweite Staffel in Auftrag gegeben. Außerdem senden wir in der aktuellen Season die Fiction-Highlights „Starfighter“ und im Frühjahr „Die Turnschuhgiganten“ – die erstaunliche Geschichte der Dassler-Brüder, die in der Provinz die Weltmarken Adidas und Puma schufen.
Die ARD macht das gemeinerweiser auch…
Hoffmann: Es ist kurios, dass zwei Sender auf die gleiche Idee gekommen sind. Vielleicht wurde in der Branche ein bisschen zu viel geplaudert, das kommt vor. Nun sind wir mit den gleichen Turnschuhen unterwegs. Ich bin gespannt, wer am Ende schneller ist. Ein anderes, großes Thema haben wir ganz exklusiv. In Kroatien drehen wir aktuell „Winnetou“, mit einer Traumbesetzung.
Beim dritten großen Standbein, der Show, fehlt die Vision, der Tigersprung. Es gibt nur noch Castingshows.
Hoffmann: Mit denen wir extrem erfolgreich sind, was anderen Ländern übrigens nicht gelungen ist. Wir suchen trotzdem nach dem nächsten, neuen Hit und haben zusätzlich eine Entwicklungsinitiative auch im Showbereich gestartet. „Top Gear“, „500 Questions“, „Die Puppenstars“ oder „Ninja Warrior“ – alles neue Show-Formate, die wir demnächst zeigen werden. Nach „The Voice“ hat es international kein erfolgreiches Showformat mehr gegeben. Es wird also langsam Zeit.
Stefan Raab hört offiziell mit dem Fernsehen auf – können Sie sich Raab bei RTL vorstellen, wenn er rückfällig wird?
Hoffmann: Ich kann nicht sagen, warum Stefan Raab aufgehört hat. Es wird aber nicht das primäre Ziel gewesen sein, bei RTL zu landen. Davon müssten wir dann ja wissen.
Günther Jauch tritt vom ARD-Polittalk ab, tritt er bei RTL kürzer?
Hoffmann: Wir arbeiten gut und erfolgreich zusammen und haben bereits das gesamte nächste Jahr mit ihm geplant.
Wird Thomas Gottschalk auch über die ursprüngliche Vereinbarung bis Ende 2015 RTL treu bleiben?
Hoffmann: Wir arbeiten an konkreten, neuen Projekten mit Thomas Gottschalk und freuen uns auf weitere Folgen von „Die 2 – Gottschalk & Jauch gegen alle“.
Vielen Dank für das Gespräch.
[Interview: Carsten Rave/buhl]
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