
Als erste Frau steht sie an der Spitze des Bayerischen Rundfunks. Intendantin Katja Wildermuth reformiert den ARD-Sender und macht sich nicht nur Freunde. Nun kandidiert sie für eine zweite Amtszeit.
Es gab wohl schon einfachere Zeiten für die Chefetage der ARD-Sender: Streit um die Höhe des milliardenschweren Rundfunkbeitrags für die öffentlich-rechtlichen Sender, hoher Reformdruck, Dauerclinch mit den Verlagen. In all diesen Wirren bewirbt sich beim Bayerischen Rundfunk (BR) Senderchefin Katja Wildermuth um eine zweite Amtszeit (hier unsere Berichterstattung der vergangenen Jahre).
Die Wiederwahl als Intendantin an diesem Montag (31.3.) dürfte für die 59-Jährige angesichts der Herausforderungen der ARD eher eine kleinere Hürde sein – zumindest inzwischen. Es gibt keine Gegenkandidatur. Dabei war das bei der viertgrößten ARD-Anstalt nicht von vornherein klar.
Auch kritische Stimmen
Im Rundfunkrat, dessen 50 Mitglieder die BR-Spitze wählen und das Programm beaufsichtigen, gibt es auch kritische Stimmen – besonders aus dem konservativen Lager. Nicht unerheblich dafür: Im Streit mit den Länderchefs über den Rundfunkbeitrag erinnerte Wildermuth Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) öffentlich daran: „Ministerpräsidenten stehen nicht über der Verfassung.“ Die Staatskanzlei nannte das: „unangemessen“.
Eine Gegenkandidatur aber wollten oder konnten auch die Konservativen im Rundfunkrat nicht organisieren. Deutliche Unterstützung zeichnet sich für Wildermuth aus den anderen informellen Lagern im Rundfunkrat ab, dessen Mitglieder aus der Politik und vielen gesellschaftlichen Gruppen kommen. Ihre Initiative mitsamt den Grünen hatte auch Wildermuth zum Februar 2021 als erste Frau an die Spitze des BR gebracht.
Wahlen bei mehreren Sendern
Die Wahl der Senderspitze steht auch beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) an: Am Freitag (4.4.) könnte eine externe Managerin aus dem Bertelsmann-Kosmos Intendantin werden. Sandra Harzer-Kux ist die einzige Kandidatin, die in der Medienbranche – folgt man dem öffentlichen Diskurs – niemand auf dem Zettel hatte. Im Mai folgt die Intendantenwahl beim deutschen Auslandssender Deutsche Welle.
Beim BR hielt sich Wildermuth vor der Wiederwahl mit öffentlichen Äußerungen konsequent zurück. Die Entscheidung fällt zudem mit großem Vorlauf: Die aktuelle Amtszeit der Intendantin reicht noch bis Ende Januar 2026. Erst dann starten die nächsten fünf Jahre. Die auffällige öffentliche Stille aller Beteiligten an der Spitze von Sender und Kontrollgremien dient dem Ziel: in diesen Zeiten bloß nicht noch zusätzlich Unruhe schaffen.
Reform des Senders mit Gegenwind
Wildermuth ist durch und durch ARD – und Bayern: Sie wuchs östlich von München im oberbayerischen Anzing auf. Vor dem jetzigen Spitzenjob war die verheiratete zweifache Mutter Journalistin, Programmmacherin und Medienmanagerin – unter anderem beim NDR und MDR.
Auch im Rundfunkrat berichtet sie am liebsten von den neuesten Programm-Highlights und Publikumsinitiativen. Im BR mit seinen rund 5.000 festen und freien Beschäftigten startete sie mit offenen Armen und Ohren – und setzte dann konsequent ihren Reformkurs durch: so zuletzt auch gegen öffentlichkeitswirksamen Gegenwind beim Umbau des Kultur-Radioprogramms.
In der ARD steuerte Wildermuth den BR, dem allgemeinen Trend des Senderverbunds folgend, mehr auf Kooperationskurs – von der Mediathek über Programm und Software bis zur Verwaltung. Früher machten die Bayern am liebsten alles selbst.
Mit den privaten Medienhäusern streitet der BR wie alle ARD-Sender über den Wettbewerb im Internet. Den bayerischen Verlagen ein besonderer Dorn im Auge: Der BR hat sich im Land flächendeckend mit Regionalstudios aufgestellt. Die Ausdehnung der Berichterstattung in Regionen und Netz sehen die über Abos und Werbung finanzierten Zeitungshäuser als unerlaubte Konkurrenz.
Baustellen einer nächsten Amtszeit
Eine Mammutaufgabe für Wildermuth bleibt in der zweiten Amtszeit der Immobilienbestand: Die neue Senderzentrale im Norden Münchens ist groß und chic – aber die Mitarbeitenden zieht es im Alltag recht zögerlich an den Rand der Stadt.
Und das BR-Hochhaus als markantes Wahrzeichen des Senders mitten in München wird mitsamt dem weitreichenden Gelände zur Baustelle: Ein Teil soll saniert, der Rest verkauft werden. Dass dabei ein für seine Akustik berühmter alter Studiobau womöglich unter Denkmalschutz steht, belastet den Sender nach eigenen Angaben zusätzlich mit hohen zweistelligen Millionenbeträgen.
Zukunft unklar – das gilt auch für den umstrittenen Plan eines neuen großen Konzertsaals in München als Heimat für das weltberühmte Symphonieorchester des BR (BRSO) mit Stardirigent Simon Rattle. Auch da plant Söder anders und – wenn überhaupt – deutlich kleiner, als es sich Wildermuth mit dem BR erhofft.
Offene Frage der Finanzen
Der von der Politik angemahnte Spardruck beim BR wie der gesamten ARD bedeutet auch Jobabbau: Gerade kündigte der Sender den Wegfall von rechnerisch 50 Vollzeitstellen in der Informationssparte an. Insgesamt muss der BR derzeit pro Jahr 70 Millionen Euro sparen. Sollte der Rundfunkbeitrag nicht erhöht werden, fehlt noch mehr Geld.
Nächster großer Tag der Entscheidung für Wildermuth ist daher nach der Wahl der Spruch des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkbeitrag: Die monatlich 18,36 Euro zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zahlen Haushalte, Firmen und Organisationen. Streitpunkt ist eine Erhöhung um 58 Cent – dafür sind ARD und ZDF vor Gericht gezogen. Der Ausgang ist offen – und für eine zweite Amtszeit Wildermuths von hoher Bedeutung.
Roland Freund und Anna Ringle
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Bildquelle:
- Katja Wildermuth: BR / Markus Konvalin