Teleshopping wird in Deutschland oft belächelt. Doch die Anbieter behaupten sich am Markt – dank einer bestimmten Zielgruppe.
„Zimt und Koriander – ein Traum“ oder die Kokos-Variante, „für den Urlaub im Haus“: Wenn auf dem Teleshopping-Sender QVC Schokokugeln verkauft werden, essen die Ohren mit. Mit blumigen Beschreibungen präsentieren Moderatorin und Gast die Süßwaren. „Wenn Sie jetzt sagen, da ist nichts für mich dabei, glaube ich, mögen Sie keine Schokolade“, sagt die Moderatorin.
Die Zuschauer überzeugt das offenbar. Denn bei Martin (32) in Kassel klingelt das Telefon. Der Student, der nicht mit vollem Namen genannt werden möchte, sitzt in einem von zwei Kundenservice-Zentren von QVC. Die Frau am anderen Ende der Leitung muss er enttäuschen: „Die Probierpackung (…) ist ausverkauft. Möchten Sie vielleicht einen Mischbeutel haben?“ Die Anruferin ist nicht abgeneigt.
Süßwaren, Fondue-Sets, Kaffeemaschinen, Bettwäsche – in der Hochglanz-Welt des Teleshoppings ist das Angebot groß – aber nicht so groß wie bei Onlineversandhändlern: Statt auf pure Masse setzt Teleshopping auf eine vergleichsweise kleine Auswahl. Von einem „kuratierten Produktsortiment“ spricht Mathias Bork, Chef von QVC Deutschland. „Wir bieten beispielsweise zehn Kaffeemaschinen an,
die wir zuvor getestet und ausgesucht haben. Ein großer Unterschied zu anderen Anbietern, die Hunderte im Sortiment haben.“
Die Anbieter setzen nicht mehr nur auf TV: Übertragungen und Erklärvideos im Netz, soziale Medien und Internet-Shoppingportale gehören dazu. Das Geheimnis eines Shoppingerlebnisses sei weitgehend kanalunabhängig, erklärt QVC-Konkurrent HSE24. Dort spricht man von „Selling by Storytelling“ – Verkaufen durch Geschichten. „Wir erzählen die Geschichten hinter den Produkten und führen sie auf besondere Weise vor“, sagt QVC-Chef Bork.
So haben es die Teleshopping-Sender geschafft, sich mit der oftmals belächelten Verkaufsform zu etablieren. Während der stationäre Handel unter der Online-Konkurrenz leidet, entwickelt sich der Markt für Teleshopping in Deutschland stabil. „Die Umsätze wachsen kontinuierlich um rund ein bis zwei Prozent pro Jahr und liegen inzwischen auf einem Niveau von über zwei Milliarden Euro“, sagt Mathias Birkel von der Forschungs- und Beratungsgruppe Goldmedia. Der Markt werde durch große Anbieter geprägt.
Das Durchschnittsalter der vorwiegend weiblichen Kunden liegt laut Birkel bei 60 plus und ist konstant. „Dies bedeutet auch, dass nicht nur die gleiche Käuferschaft mitaltert, sondern auch jüngere Käufer nachkommen.“ Eine Besonderheit der Teleshopping-Sender sei, dass sie eine sehr loyale Stammkundschaft aufgebaut haben. Das bestätigt Student Martin, für den die Arbeit im Kasseler QVC-Standort ein Nebenjob ist. „Ich mache Nachtschichten. Da hat man oft dieselben Kunden in der Leitung, zu denen baut man eine Bindung auf“, sagt er. Einige riefen nur an, um schöne Weihnachten zu wünschen.
Dass die Kunden nicht das Gefühl haben, in einem anonymen Call-Center abgefertigt zu werden, gehört zur Strategie. „Es gibt keine Einstufung der Mitarbeiter nach Verkaufszahlen. Das ist kein reines Verkaufsgeschäft, sondern es geht um Beratung“, sagt Wolfgang Krüger, Standortleiter für die Kundenservice-Zentren von QVC. So gebe es keine strikte Vorschrift, wie Telefonate zu führen sind. „Die Mitarbeiter haben sehr viel Freiheit, beispielsweise bei Kulanzentscheidungen.“
Warteschleifen versucht QVC zu vermeiden. Die Zahl der Mitarbeiter wird an den prognostizierten Bestell-Andrang angepasst. Maß aller Dinge ist immer noch das Fernsehen: Sobald die Produkte im TV sind, kommen die Anrufe. Schlägt ein Angebot besser ein als erwartet, würden kurzfristig Mitarbeiter gefragt, ob sie Extra-Schichten machen. Das verlangt Flexibilität.
450 Mitarbeiter hat QVC in Kassel. Viele arbeiten auch von zuhause. Gewerkschaften sehen die Teleshopping-Anbieter mit gemischten Gefühlen. Laut Verdi Hessen zahlen die Anbieter zwar über Mindestlohn, es gebe aber keinen Tarifvertrag.
Einig sind sich Fachleute und Anbieter, dass es eine große Verwandtschaft zwischen dem seit Jahrzehnten etablierten Teleshopping und einer relativ neuen Form des Marketings gibt: Influencer, die im Internet Produktempfehlungen geben. Die Unternehmerin Judith Williams beispielsweise, auch bekannt aus der TV-Show „Die Höhle der Löwen“, ist laut HSE24 schon seit 2001 mit dem Sender verbunden und vertreibe seit 2007 ihre Produkte dort – Jahre, bevor es Instagram gab.
Pauschale Aussagen über die Qualität der Teleshopping-Waren sind laut Peter Lassek, Jurist der Verbraucherzentrale Hessen, nicht möglich. „Teilweise gibt es dort ja auch Produkte, die Sie im Ladengeschäft kaufen können.“ Er rät, besonders bei Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetik Versprechungen zu hinterfragen. Zudem sollten sich Zuschauer nicht durch Angaben der verbleibenden Stückzahl unter Druck setzen lassen – und notfalls von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen.
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