Quo vadis, ProSiebenSat.1?

Ein Kommentar von André Beyer

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Was treibt die Vorstandsriege von ProSiebenSat.1 um, jetzt wo sie sich ihres Chefs Max Conze entledigt hat? „Mehr Entertainment, weniger Datingportale“ lautet die Devise zunächst, doch was verbirgt sich wirklich dahinter?

Max Conzes Abschied als Vorstandsvorsitzender von ProSiebenSat.1 kam am späten Donnerstagabend recht überraschend, auch wenn die darauf hindeutenden Anzeichen kurz zuvor sich immer mehr verdichteten. Die Trennung sei trotz ebendieser Nebengeräusche „einvernehmlich“ verlaufen. Aufgrund des Schweigens seitens Conze ist diese Darstellung durchaus in Zweifel zu ziehen. Was bleibt, ist noch eine ganze Reihe Fragenzeichen.

„Mit der neuen Aufstellung des Vorstands geht auch ein veränderter strategischer Fokus einher. Die ProSiebenSat.1 Group wird ihr operatives Geschäft wieder stärker auf den Entertainment-Sektor in der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) ausrichten.“, heißt es in der Mitteilung von ProSiebenSat.1 vom Donnerstag. Man will dabei „in enger Kooperation mit den Red Arrow Studios und Studio71“, den TV- und Online-Produktionshäusern des Unternehmens, agieren. Soweit, so gut.

Bedeutet dies eine Abkehr von Conzes Strategie?

Weiter wird verkündet: „Unter anderem über die Streaming-Plattform Joyn soll die digitale Reichweite weiter ausgebaut werden. NuCom bleibt eine synergetisch wichtige Säule des Konzerns.“ Joyn ist das primäre Vorzeige-Projekt von Conze gewesen, seit dieser im Juni 2018 das Zepter bei ProSiebenSat.1 übernommen hatte. Es ist nicht von der Hand zu Weisen, dass ein Mammutprojekt wie der Ausbau einer hauseigenen Mediathek hin zu einer sender-übergreifenden Streamingplattform ohne das Drängen von seiner Seite, mutmaßlich um einiges länger hätte dauern können, wenn es denn überhaupt mit einer derartigen Zielstrebigkeit verfolgt worden wäre.

In diesem Punkt halten die neuen Leute am Ruder, namentlich der neue Vorstandssprecher Rainer Beaujean, die neuen Vorstands-Mitglieder Wolfgang Link und Christine Scheffler und nicht zuletzt der für die Demission hauptverantwortliche Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Werner Brandt, am von Conze eingeschlagenen Weg fest.

Hat der Zukauf im Dating-Portal-Segment Conze das Genick gebrochen?

Das Betonen, dass NuCom weiterhin Teil des Kerngeschäfts von ProSiebenSat.1 bleibt, spricht gegen die These, dass die Umtriebe Conzes Abseits des klassischen TV-Segments derartig kritisch beäugt wurden, als dass sie entscheidenden Einfluss auf die Entscheidung gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden gehabt haben könnten. Zu NuCom gehört auch die Parship Group, die gemeinsam mit dem Übernahmeziel The Meet Group zu einem führenden Anbieter im globalen Online-Dating-Markt aufgebaut werden soll. Die Investition sollte wahrscheinlich auch ein Signal in Richtung der Aktionäre sein, dass man in geschäftlich kritischen Zeiten handlungsfähig ist und bleibt. Von einer Abkehr von dem Übernahmeplan ist dementsprechend zunächst auch nichts zu hören seitens der neuen Leitung.

Dem Ansatz des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden entgegen steht lediglich die noch ziemlich vage gehaltene und nicht auf NuCom bezogene: „Die bestehenden Beteiligungen, die von Werbung auf den Entertainment-Plattformen profitieren, werden werthaltig weiterentwickelt und im Zuge einer aktiven Portfoliopolitik zu gegebener Zeit veräußert.“

Geht die Übernahme-Angst um?

In der angesprochenen, finanziell nicht leicht zu meisternden Situation, wittern die Großaktionäre wie der Berlusconi-Konzern Mediaset und der tschechische Milliardär Daniel Kretínský die Chance, ihren Einfluss auszubauen und gegebenenfalls vielleicht sogar ProSiebenSat.1 ganz zu übernehmen. Immerhin sind seit kurzem 30 Prozent (Anm.: 20 Prozent Mediaset, 10 Prozent Kretínský) der Anteile in ihren Händen.

Conze hatte sich in dieser Beziehung immer wieder ausweichend geäußert, wenn auch er stets betonte, dass man nicht an einer „feindlichen“ Übernahme interessiert sei. Auf der anderen Seite erhöhte sich die Beteiligung der genannten Interessenten während seiner Ägide sukzessive.

Oder war doch die Personalie Conrad Albert ausschlaggebend?

Eine Recht deutliche Sprache spricht, dass im ersten Jahr nach Conzes Amtseintritt vier von fünf Vorstandsmitgliedern ausgetauscht wurden. Als letztes Puzzlestück kündigte Vize-Chef Conrad Albert seinen Abschied nach Auslaufen seines Vertrags für 2021 an. Seine Entscheidung teilte Albert eigenen Angaben zufolge bereits im Sommer 2019 dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Brandt mit.

Aufgrund kritischer Äußerungen in Richtung Conze im Rahmen der Verkündigung seines Rückzugs musste Albert kurzfristig seinen Hut nehmen. Dabei könnte es gut sein, dass der pikanterweise ebenfalls „einvernehmliche Rauswurf“ in den Augen des Aufsichtsrats das Fass langsam zum überlaufen gebracht hat. Folglich scheint es so, dass vielmehr die intern umstrittene Personalpolitik Conzes für ihn zum Damoklesschwert wurde, als seine geschäftliche Strategie. An letzterer wird entgegen des Tenors der Mitteilung zu seinem „Abschied“ erst einmal nicht großartig gerüttelt.

Diese hätte gut und gerne auch die Überschrift „Conzes Strategie, nur ohne Conze“ haben können.

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6 Kommentare im Forum
  1. Ich wäre gerne für das Programm von Pro7 verantwortlich,man muss nichts können, muss nicht mal Ansatzweise kreativ sein.. nein, einfach den immer selben Müll in Endlosschleife. Die Taschen füllen und gut ist. Was vermisse ich das Pro7 von früher...
  2. Ein bisschen das alte Pro7 Gefühl hat man noch beim Nachrichtenintro, mit dem Satelliten. Und auch letzte Woche bei der Corona Sondersendung hatte ich so ein 1990 Gefühl. Ansonsten ist Pro7 irgendwie auf dem Stand von vor 10-15 Jahren stehengeblieben, diese Programmtrailer z.B. waren zu der Zeit modern, haben aber heute keinen wow-Effekt mehr.
  3. Wobei ProSieben schon einige "kleine" Leuchtturm-Sendungen noch hat. Beispielsweise: ProSiebenNewstime , GALILEO , THE MASKED SINGER , teilw. JOKO & KLAAS Ja, die Beispiele sind diskutabel ! -1990: 1,8 % -1991: 3,8 % -1992: 6,5 % -1993: 9,2 % -1994: 9,4 % -1995: 9,9 % -1996: 9,5 % -1997: 9,4 % -1998: 8,7 % -1999: 8,4 % -2000: 8,2 % -2001: 8,0 % -2002: 7,0 % -2003: 7,0 % -2004: 7,0 % -2005: 6,7 % -2006: 6,6 % -2007: 6,5 % -2008: 6,6 % -2009: 6,6 % -2010: 6,3 % -2011: 6,2 % -2012: 5,9 % -2013: 5,7 % -2014: 5,5 % -2015: 5,3 % -2016: 5,1 % -2017: 4,5 % -2018: 4,4 % -2019: 4,2 % Quelle: (c) GfK / AGF ProSieben – Wikipedia AGF Videoforschung - MARKTANTEILE Nach den Zahlen kann man GENAU ablesen, wann es so richtig bergab ging - ab den 2000er Jahre. Das verwursten der immergleichen Programminhalte innerhalb zwischen ProSieben, Sat.1, kabel eins, sixx und ProSiebenMaxx nervt nur noch! oopn) > Bspw. : Castle FAZIT: Selbst schuld !
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