Die kolportierte Fusion zwischen ProSiebenSat.1 und dem Axel-Springer-Verlag brächte für beide Seiten große Vorteile, vor allem auch am Werbemarkt. Experten sehen jedoch die zu große Meinungsmacht des möglichen Großkonzerns kritisch.
Die Medienbranche ist mal wieder in Aufruhr. Doch diese Nachricht hat mehr Sprengkraft als sonst: Axel Springer und ProSiebenSat.1 sprechen laut Insidern über eine Fusion. Vor fast zehn Jahren hatte das Kartellamt den Kauf von ProSiebenSat.1 durch Springer scheitern lassen, jetzt kommen sich die beiden Konzerne offenbar wieder näher. Zu Berichten über einen möglichen Zusammenschluss, gar einen Kauf von Springer durch ProSiebenSat.1, wollte sich keiner äußern – aber das ist nicht ungewöhnlich bei solchen Gesprächen.
Der Digitalkonzern mit Print-Tradition und der Fernsehriese – passt das überhaupt zusammen? Auf den ersten Blick böte für Springer ein Zusammengehen interessante Möglichkeiten. Die Werbeumsätze im Fernsehen sind recht stabil. ProSieben könnte noch mehr Bewegtbilder liefern, die Springer für seine Video-Kanäle benötigt. Dafür haben die Berliner bereits den Nachrichtensender N24 gekauft. Bei einer Fusion hätte der Super-Konzern viel Geld für die digitale Transformation.
Springer richtet den Blick verstärkt ins Silicon Valley. Das Unternehmen hat in Kalifornien eine Vertretung, zuletzt haben sich die Berliner an mehreren US-Digitalplattformen beteiligt. Das Augenmerk richtet sich auf Bezahlangebote sowie Vermarktungs- und Kleinanzeigenmodelle. Hier wären ProSieben-Portale wie billiger-mietwagen.de, weg.de und die Preisvergleichsplattform Verivox eine lukrative Ergänzung. Vor allem bei der Vermarktung auf eigenen Kanälen könnten beide profitieren: Weg.de-Anzeigen bei „Bild-Online“, Spots der Jobbörse Stepstone bei Sat.1.
ProSiebenSat.1 wiederum könnte von Springers Auslandserfahrung profitieren. Die Sendergruppe ist fast nur im deutschsprachigen Raum vertreten, irgendwann dürfte sie hier an Wachstumsgrenzen stoßen. Und noch einen Vorteil: Die Münchner würden sich vor einer Übernahme durch ausländische Konkurrenten schützen. Unter Konzernchef Thomas Ebeling wächst das Unternehmen profitabel und ist für Käufer attraktiv.
Allerdings ist ein Zusammenschluss von Springer und ProSieben schon einmal gescheitert. 2006 legte das Bundeskartellamt Veto gegen eine Übernahme von ProSieben durch Springer ein. Die Kartellwächter befürchteten eine zu starke Marktmacht. Da hat sich bis heute nicht viel geändert. Die Sender von ProSiebenSat.1 haben dem Marktforscher Nielsen zufolge zusammen einen Anteil von mehr als 40 Prozent auf dem TV-Markt, „Bild“ ist mit mehr als elf Millionen Lesern die stärkste Zeitung in Deutschland. Dazu kommen „Die Welt“ und „Bild am Sonntag“ sowie weitere „Bild“-Ableger.
Aber: Nachträglich hatte das Bundesverwaltungsgericht das zusätzliche Fusionsverbot der Medienkontrolle KEK für unzulässig erklärt. Das könnte einen erneuten Versuch an dieser Stelle erleichtern. Denn ohnehin ist es fraglich, wie heute in der Medienbranche Marktmacht berechnet wird, wenn viele Menschen die Nachrichten nur noch auf dem Smartphone oder über die sozialen Netzwerke bekommen.
Eine Hürde dürfte aber wohl noch höher sein. Bereits am Dienstag betonte Springer, dass Mehrheitsaktionärin Friede Springer auf keinen Fall die Kontrolle über das Unternehmen abgeben werde. Dazu diene die geplante Umwandlung der Rechtsform der Axel Springer SE in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KgaA). Damit würde die Verlegerin bei einer Kapitalerhöhung die Kontrolle behalten.
Aber ein Zusammenschluss unter Gleichen dürfte schwer sein. An der Börse ist ProSiebenSat.1 etwa doppelt so viel wert wie Springer. Denkbar ist eine Zusammenlegung von Springers Netz-Kleinanzeigen mit dem Digitalgeschäft der Münchner. So ein Unternehmen könnte beiden zu gleichen Teilen gehören.
Für die publizistische Landschaft in Deutschland wäre ein komplettes Zusammengehen eine Erschütterung. „Unter dem Gesichtspunkt der Meinungsmacht ist so eine Fusion nicht unerheblich“, sagt Medienökonom Prof. Klaus Beck von der Freien Universität Berlin. Die Medien beider Konzerne zusammen hätten eine enorme Reichweite.
Springer habe vor allem mit der „Bild“ erhebliches publizistisches Gewicht, sagt Beck. Regelmäßig messen die Landesmedienanstalten den Einfluss der Medien auf die Meinungsbildung. Springer kam hier zuletzt auf einen Anteil von 8,5 Prozent am deutschen Meinungsmarkt, ProSiebenSat.1 auf 7,8 Prozent. Vorne liegt die ARD mit 22,4 Prozent.
Noch stärker könnte ein Gemeinschaftskonzern auf dem Werbemarkt werden. Das neue Unternehmen könnte alle größeren Kanäle bedienen: Fernsehen, Print, Radio, Online-Nachrichten, Youtube-Channels. „Ein Medienkonzern, der so aufgestellt ist und gleichzeitig so große Reichweiten erzielt, hätte beim Buhlen um große Werbekampagnen erhebliche Vorteile gegenüber kleineren Verlagen und Sendern“, sagt Beck. Insgesamt sind in den Überlegungen noch viele Unbekannte. Aber es funkt wohl wieder zwischen den beiden Medien-Giganten. [Felix Frieler/dpa-AFX/Esteban Engel/buhl]
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