Der inzwischen komplett in Leipzig ansässige Kabelnetzbetreiber kommt nicht aus den roten Zahlen heraus. Bei immer mehr Vertragsverlängerungen geht Primacom leer aus. Auch sonst herrscht viel Unruhe hinter den Kulissen.
Am letzten Freitag feierte Primacom in den teilweise neugestalteten Geschäftsräumen an der Leiziger Messeallee den Start der neuen „Hauptniederlassung Leipzig“. Geschäftsführer Joachim Grendel zeigte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) 3D-Fernsehen. Doch eigentlich gibt es nichts mehr zu feiern. Mehrere Mitarbeiter sprechen gegenüber DIGITAL FERNSEHEN übereinstimmend von einem „Scherbenhaufen“, den das neue, von den Banken eingesetzte Management verursacht haben soll.
Bereits der Umzug vom langjährigen Stammsitz in Mainz an den Berliner Ernst-Reuter-Platz 2009 war überhastet, Geld spielte keine Rolle. Monatelang stand das Mainzer Bürogebäude leer, während man in Berlin Miete für nur teilweise genutzte Flächen zahlte. Doch die damals noch hübsche „Braut“ Primacom sollte in das Gebäude ziehen, in dem auch der mögliche „Bräutigam“ Tele Columbus residierte.
Aus der „Hochzeit“ wurde bekanntlich nichts, stattdessen schickten die Banken die Primacom AG Mitte 2010 in die inszenierte Insolvenz und holten sich den operativen Betrieb verschleiert über ein Treuhandkonstrukt in Luxemburg und Malta zum Schnäppchenpreis von läppischen 1,3 Millionen Euro. Im gleichen Jahr machte das Unternehmen bei gut 110 Millionen Euro Umsatz über 40 Millionen EBITDA-Gewinn. Noch heute fragen sich viele Marktbeobachter, weshalb der Insolvenzverwalter diesen laut DIGITAL FERNSEHEN vorliegenden Informationen von langer Hand vorbereiteten Plan innerhalb von nur 10 Arbeitstagen quasi im Laufschritt umgesetzt hat.
Ende Juli letzten Jahres schloss man die Berliner Zentrale, seitdem ist Leipzig der neue und einzige Sitz des Unternehmens. Weshalb Primacom nun über ein halbes Jahr später erst den Start der neuen Zentrale feierte, weiß wohl nur das neue Management. Die Verabschiedung des Geschäftsführers Peter Leube meldete man auch erst Ende April letzten Jahres, obwohl Leube bereits seit 1. Februar nicht mehr auf dem Briefpapier stand.
Pech auch bei der Kündigung der Berliner Büroräume. Laut DIGITAL FERNSEHEN vorliegenden Informationen fordert der Berliner Vermieter über 200 000 Euro für die vorzeitige Vertragsauflösung, da Primacom urspünglich zugesicherte Ausbauten nicht vorgenommen habe. Primacom vermietete deshalb die Räume an den „Ex-Verlobten“ Tele Columbus. Während Tele Columbus expandiert, werden die Kabelhaushalte bei der Primacom ständig weniger. Bei Vertragsverlängerungen geht Primacom oft leer aus, Kabel Deutschland lässt keine Gelegenheit aus, den Leipzigern das Wasser abzugraben. Man sehe sich seit Jahren als „der natürliche Käufer“.
Viele Mitarbeiter, insbesondere im Vertrieb, sind inzwischen zur Konkurrenz gewechselt. Die Stimmung unter der verbliebenen Belegschaft sei bedrückend, man traue dem aktuellen Management nicht viel zu. Deren selbst gesteckten Ziele für 2011 sollen um zirka 25 Prozent verfehlt worden sein. Inzwischen sollen auch die Banken unruhig werden, denn anscheinend würde das Geld bereits wieder knapp werden. Primacom-Mitarbeiter gehen deshalb davon aus, dass das Unternehmen noch dieses Jahr verkauft werden soll.
Das würde auch erklären, weshalb laut Mitarbeiteraussagen laufende Ausbauten in die Länge gezogen und Neuinvestitionen erst einmal auf Eis gelegt werden. Neue Produkte, die sich nicht in kürzester Zeit refinanzieren oder langfristige Lieferantenbeziehungen bedeuten, sollen derzeit nicht an den Start dürfen. Leider war die Pressestelle des Netzbetreibers nicht für ein Statement zu sprechen.
Stefan Hofmeir ist Herausgeber des Leipziger Auerbach Verlags, der neben dem Online-Dienst DIGITALFERNSEHEN.de insgesamt 14 Zeitschriften im Bereich Digital-TV, Unterhaltungs- und Hauselektronik sowie Entertainment publiziert.[Kommentar von Stefan Hofmeir, Herausgeber Auerbach Verlag]
Bildquelle:
- Medien_Maerkte_Artikelbild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com