Als Redakteur beim Fernsehmagazin „Panorama“, Anchorman bei „Spiegel TV“, „Spiegel“-Chefredakteur und Buchautor wurde Stefan Aust einer der bekanntesten Journalisten Deutschlands. Seinen 65.Geburtstag begeht er als Unternehmer.
Stefan Aust ist entspannt wie selten. Während seine Altersgenossen überwiegend in Rente sind, hat sich der produktive Buchautor und frühere Chefredakteur des
Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ einen Lebenstraum erfüllt: Er ist seit einem Jahr Miteigentümer des Fernsehsenders N24 und damit Unternehmer geworden. „Das ist die größte Chance meines Lebens“, sagt Aust. „Dafür wäre ich beim ‚Spiegel‘ freiwillig ausgeschieden.“ An diesem Freitag wird er 65 Jahre alt.
Die gut 13 Jahre an der „Spiegel“-Spitze, eine der mächtigstenPositionen im deutschen Journalismus, werden bei Aust im Rückblick zueiner Episode. „Da war ich ein Angestellter auf Zeit, dem trauere ichnicht nach“, sagt er heute. Es war noch „Spiegel“-Patriarch RudolfAugstein, der Aust Ende 1994 gegen Widerstände als Chefredakteurdurchsetzte. Auch der Abschied Anfang 2008 ging nicht glatt über dieBühne sondern im Streit; am Ende stand eine hohe Abfindung.
Als Chefredakteur modernisierte Aust das Blatt und hielt die Auflageweitgehend stabil – trotz neuer Konkurrenz durch den „Focus“ und dasInternet. Kritiker warfen ihm vor, dass er die Konturen des Blattesabschliff und es politisch von der linken in die „neoliberale“ Eckesteuerte. Andere Beobachter haben Austs Wirken eher so wahrgenommen,dass er den „Spiegel“ politisch geöffnet hat.
Das liegt alles hinter ihm. Heute verbringt Aust viel Zeit im Schneideraum, um Fernsehmaterial zu produzieren. Da ist zum einen sein eigener Sender N24, für den er einmal wöchentlich eine „Zeitreise mit Stefan Aust“ produziert; historische Dokumentationen zum Beispiel zum Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion. Daneben arbeitet Aust für die öffentlich-rechtlichen Sender. Für die ARD entsteht eine 90-Minuten-Dokumentation über die Folgen der Terroranschläge vom 11. September 2001. Aust helfen seine alten Kontakte; er kommt an Interviewpartner wie Donald Rumsfeld oder Gerhard Schröder heran. Auch einen Zweiteiler für das ZDF hat Aust in Arbeit.
So ist er heute, neben seiner Unternehmeraufgabe, vor allem Fernsehjournalist, wie schon zu seinen Zeiten als Redakteur beim NDR-Magazin „Panorama“ von 1972 bis 1986. „Ich habe immer beides gemacht, Print und Fernsehen“, sagt er. „Im Moment ist es eben Fernsehen“. Aust hat etliche Bücher geschrieben, darunter eines der Standardwerke über die RAF. In dem er auch selbst vorkommt. 1970 brachte er die Kinder der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof von Sizilien zurück nach Deutschland. Als Mitarbeiter der Zeitschrift „konkret“ kannte Aust viele Akteure der linken Szene im Deutschland der 60er und 70er Jahre.
Zu seinem Geburtstag hat Aust, der mit seiner Frau und zwei Kindern in Hamburg wohnt, mehrere 100 Gäste zu einem Sommerfest auf seinen Reiterhof bei Bremervörde eingeladen. Dort züchtet er Pferde, für die er gelegentlich gute Preise erzielt. Der Ruhestand und ein beschauliches Rentnerleben liegen für Aust in weiter Ferne. „Ich weiß nicht, ob ich da jemals hinkomme“, sagt er. „Der Neustart als Unternehmer ist eine Basis, die ziemlich weit trägt“.PORTRAITs im Überblick
[Eckart Gienke]
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