Politik kehrt Murdoch den Rücken – emanzipierte Marionetten

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Bild: © Phongphan Supphakank - Fotolia.com
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Rupert Murdoch und die britische Politik – die Zweckehe funktionierte jahrzehntelang. Gegen Murdoch war auf der Insel kaum etwas zu holen. Jetzt schlagen die Politiker zurück – viele Briten empfinden das als Heuchelei.

Rupert Murdoch kam in Großbritannien gleich hinter der Queen: Offiziell hatte er nichts zu sagen, aber wer gegen ihn aufmuckte, hatte verloren. Ganze Politikergenerationen buckelten vor dem heute 80-Jährigen und seiner Entourage, denn sie wussten: Gegen den Medienzar aus Australien sind auf der Insel nicht einmal Blumentöpfe, geschweige denn Wahlen zu gewinnen. Murdoch kontrolliert 37 Prozent der Presselandschaft Großbritanniens und sollte – die Sache war praktisch ausgemacht – seine Anteile am Privatfernseh-Konzern BSkyB um 61 auf 100 Prozent aufstocken.
 
Innerhalb von zehn Tagen hat sich die öffentliche Stimmung über Murdoch gedreht und in einem Sturm der Entrüstung entladen – und mit ihr die der Politik. Einer der erfolgreichsten Medienunternehmer der Welt ist in Großbritannien – auch dank eines kräftigen Kampagnenjournalismus des Wettbewerbs – zur Unperson geworden. Das Parlament will ihn gemeinsam mit seinem Sohn James und seiner Vertrauten Rebekah Brooks in einen Untersuchungsausschuss vorladen lassen. Die Regulierungsbehörde Ofcom will prüfen, ob er überhaupt „tauglich“ ist, einen Fernsehkonzern in Großbritannien zu führen.

Dabei wissen viele der gerechtigkeitsfanatischen Briten im Moment nicht, ob sie mehr auf Murdoch oder auf ihre gewählten Volksvertreter sauer sein sollen. „Wissentlich weggeschaut“ habe die politische Klasse jahrelang, musste Premierminister David Cameron einräumen. Flugs die Fronten zu wechseln ist dennoch für Parlamentarier kein Problem. Gordon Brown, der als Premierminister die Murdochs noch freudig zum Empfang in der Downing Street begrüßt hatte, nennt die Journalisten aus dem Murdoch-Lager in einer halbstündigen Wutrede im Parlament „Kanalratten“. Die Murdoch-Presse bezichtigt er der systematisch verübten Kriminalität.
 
Browns Nachfolger Cameron, der noch vor zehn Tagen den milliardenschweren BSkyB-Deal einfach durchwinken und Murdoch sogar die kartellrechtliche Prüfung ersparen wollte, sagt heute in einem Anflug von Selbstbewusstsein: „Er sollte nicht an Zukäufe denken, bevor sein Durcheinander nicht aufgeräumt hat.“ Murdochs Medien hatten den Wahlerfolg Camerons vor gut einem Jahr maßgeblich beeinflusst. „Unsere einzige Hoffnung“ hatte die „Sun“ noch am Wahltag unter Camerons ganzseitig gedrucktes Konterfei geschrieben.
 
Murdoch knickte unter dem Druck der Öffentlichkeit und seiner abtrünnigen Freunde aus der Politik ein und zog sein milliardenschweres Gebot für die Komplettübernahme des Fernsehsender BSkyB zurück. Vorläufig. „Im gegenwärtigen Klima zu schwierig“, hieß es lapidar aus New York. Viele Medien-Analysten in London glauben nicht daran, dass dies das Ende der Fahnenstange ist. „Er wird es wieder versuchen“, sagt Claire Enders, Chefin einer Medien-Denkfabrik. Murdochs Sohn James soll Informationen der „New York Times“ zufolge ohnehin keine Lust verspürt haben, vor jenen Politikern in die Knie zu gehen, die ganze Scharen von Karikaturisten seit Tagen mit Marionetten-Fäden am Rücken zeichnen.
 
Der alte Stratege Murdoch weiß aber auch, dass er sich von Zeitungen wird trennen müssen, falls er den Fernsehdeal doch noch irgendwann unter Dach und Fach bringen will. Für „The Sun“, „The Times“ und „Sunday Times“, deren Anzeigenaufkommen und Auflagen ohnehin seit längerer Zeit zurückgehen und die in den vergangenen Tagen erhebliche Einbußen verzeichnet haben, soll er bereits Käufer gesucht haben.
 
Während für die profitable „Sun“ ein beachtlicher Kreis von Interessenten bereit stehen dürfte, wird es für die defizitären Qualitätszeitungen schwieriger. „Times“ und „Sunday Times“ machten im letzten Jahr nach Angaben der Medienanalystin Claire Enders einen Vorsteuerverlust von 45 Millionen Pfund. „Es kann nur ein langfristig interessierter Anleger sein“, sagt Enders. Allerdings geht in Großbritannien schon jetzt die Angst um, dass die britischen Medien-Flaggschiffe künftig die Fahnen eines russischen Oligarchen oder arabischen Scheichs hissen.
 
Die Auswirkungen der Krise auf die Presselandschaft und die ganze Gesellschaft sind schon jetzt enorm. Politiker aller Couleur fordern eine stärkere Regulierung. Der Press Complaints Commission (PCC), einer Art Presserat, warf Vize Premier Nick Clegg am Donnerstag offen Versagen vor. Er sei „zahnlos“ und als Gremium der Presse nicht unabhängig. „Was wir brauchen ist eine unabhängige Medienaufsicht“, sagte er. „Politiker haben schon früher versucht, die Medien unter ihre Kontrolle zu bringen“, sagt dazu die Analystin Claire Enders. [Michael Donhauser]

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28 Kommentare im Forum
  1. AW: Politik kehrt Murdoch den Rücken - emanzipierte Marionetten Da sieht man mal, wie verängstigt die britische Politprominenz war und wie nötig ein starkes unabhängiges Gegengewicht zu privaten Meinungsmache ist. Dieser Fall sollte als Musterfall in die Schulbücher der Welt aufgenommen werden.
  2. AW: Politik kehrt Murdoch den Rücken - emanzipierte Marionetten Naja. In DE gibt es schon viele Zeitungen, die zwar nicht finanzinteressenlos sind, trotzdem aber eine ernst zu nehmende Konkurrenz zu den großen Medienhäusern sind. Da war/ist UK schon wesentlich eingeschränkter. Hier haben wir uns in der Hauptsache nur mit der Bild rumzuärgern, in UK sind das etliche Blätter, die alle von Murdoch abhängig waren/sind.
  3. AW: Politik kehrt Murdoch den Rücken - emanzipierte Marionetten es waren genau 4 Zeitungen, davon 2 Sonntagszeitungen. Jetzt 3, davon 1 Sonntagszeitung. Insgesamt gibt's uebrigens wochentags 10 ueberregionale Zeitungen und 10 Sonntagszeitungen. Von den Regionalblaettern mal abgesehen. Also "etliche Blaetter, die alle von Murdoch abhaengig sind/waren stimmt nicht
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