Ob öffentlich-rechtliches oder privates Fernsehen, der Boulevardanteil steigt an. Eine aktuelle Studie der der Otto-Brenner-Stiftung zeigt die Ausweitung von Unterhaltungsprogrammen im Fernsehen auf.
Bei der Studie, die Anfang der Woche von Netzwerk Recherche veröffentlich wurde, schneiden weder die privaten noch die öffentlich-rechtlichen Programme besonders gut ab. Dabei kritisiert die Analyse neben den Programmen vor allem die Undurchsichtigkeit für den Konsumenten. Die Arbeit der AGF, auf die sich viele Sender teilweise berufen, sei für viele Zuschauer gar nicht greifbar und müsse in Zukunft wesentlich transparenter werden. „Die Kriterien der Arbeitsgemeinschaft für Fernsehforschung (AGF), die die Fernsehsendungen codiert, arbeitet von der Öffentlichkeit kaum beachtet und ziemlich intransparent“, so die Studie wörtlich.
Die Studie gehe davon aus, dass die öffentlich-rechtlichen Sender beim Informationsgehalt mit den Privatsendern nicht verglichen werden sollten. Bei den öffentlichen Rundfunkanstalten sollte viel mehr der Bildungsauftrag bei der Analyse berücksichtigt werden. So spielen bei öffentlich-rechtlichen Sendern Information, Kultur und Bildung eine größere Rolle als bei den Privaten. Im Fazit der Studie heißt es, „die derzeit praktizierte Fernseh-Programmforschung muss deshalb ergänzt werden durch eine qualitätsorientierte Medienbeobachtung“. Nur durch ein solch unabhängiges „Medien-Watch“ könnten die Programmforschung und die gesellschaftliche Diskussion verbunden werden.
Besonders stark kritisiert die Studie den systematischen Abbau des Informationsgehaltes bei den privaten Sendern. Neben den kürzlich öffentlich in die Diskussion geraten „Scripted Reality“-Sendungen (DIGITAL FERNSEHEN berichtet), wird das Privatfernsehen immer mehr nach einem für die Allgemeinheit verträglichen „Public Value“-Konzept gestrickt. So hätten die privaten Sender mittlerweile eigene Definition für Informationsgehalt gefunden, wie es der öffentlich Streit zwischen der Sendung „Panorama“ im Ersten und RTL deutlich zeigt. (DIGITAL FERNSEHEN veröffentlichte den Streit) „Die Medienwelt muss sich mit dieser fatalen Entwicklung befassen“, kritisiert die Studie scharf.
„Scripted Reality“ bezeichnet die Studie wörtlich als „Betrug im Namen der Unterhaltung“. Es sei zynisch gegenüber den Darstellern und nutze die Menschen als billige Programmware. „‚Scripted Reality‘ ist eine Methode, die Zuschauer mit dem Versprechen zu locken, hier werde authentisch vom wahren Leben zu erzählen. Letztendlich gehören diese Sendungen aber allein zur gesellschaftspolitischen Verantwortung der privaten Sender. „Umso mehr sollten die öffentlich-rechtlichen Sendern solchen Täuschungsversuchen eine klare Absage erteilen“, so im Fazit der Studie.
Doch auch die öffentlich-rechtlichen Sender weiten die Zerstreuungssendungen immer weiter aus. So sei derzeit die Hauptsendezeit eine der uninformativsten Tageszeiten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen geworden. „ARD, ZDF und die Dritten sind in diesem Punkt besonders verantwortlich dafür, ihre Zuschauer zur Hauptsendezeit nicht allein der Zerstreuung zu überlassen“. Die Rundfunkanstalten müssten vor allem bei Dokumentationen und Porträts für bessere Sendeplätze sorgen – ein Thema, das mit der im Herbst in Kraft tretenden Programmreform ebenfalls für viel Diskussionen und Unmut gesorgt hatte. „Wenn die privaten Sender ihren Informationsbegriff zu mehr Unterhaltung ausweiten, sollten die öffentlich-rechtlich Sender ihren Informationsbegriff zu größerer Vielfalt ausweiten“, so die Studie.
Für mehr Transparenz und einer hohen Selbstreflektion bei den Informationsprogrammen müsse, ohne Beachtung der Zahlen und Quoten, ein besserer Weg gefunden werden den Konsumenten aufzuklären. „Wie Information produziert wird, wo sie her kommt, welche Interessen dahinter stehen und unter welchen Bedingungen vermittelt wird, das ist derzeit schon für die Glaubwürdigkeit des Fernsehens von großer Bedeutung“, so das abschließende Fazit der Studie. [mho]
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